„… und ein langes gesundes Leben!“

Ich bin an sich kein scheuer oder schüchterner Mensch, außer ich werde in einen Käfig voll völlig fremder Menschen gestoßen und als Special-Gast oder VIP des Abends präsentiert; wie man das zum Beispiel auf Familie-des-Freundes-kennenlern-Events erlebt.

Ich kann mich aber zu Tode erschrecken, den Schritt beschleunigen und mich immer wieder ängstlich umgucken, wenn jemand fremdes, mitten in Köln, zu mir laut „Hallo!“ oder „Guten Tag!“ sagt – so völlig unvermittelt, auf der Straße im Vorbeigehen. Ich bin mir sicher, dass solche Menschen mich verschleppen, befummeln, knebeln, töten, zerstückeln, kochen … ok, lassen wir das.

Als ich gestern Abend die Agentur verließ, wünschte mir vor der Tür ein Mann mittleren Alters einen freundlichen „Guten Abend!“, nickte, lächelte und starrte mich an. Ich war mir sicher, dass ich den Mann noch nie gesehen habe. Ich lächelte zurück, bekam nach der Erkenntnis, dass ich den Mann tatsächlich noch nie gesehen habe, Panikflecken, schaute hektisch um mich und beschleunigte meinen Schritt. Die Panikwelle rollte mir hinterher und wäre ich nur ein wenig langsamer gewesen, hätte sie mich eingeholt und ich wäre laut kreischend quer über die Domplatte gesprintet. Auf 6,8 cm Absätzen!

Wenn wir hingegen in dem kleinen Eifeldorf unterwegs sind, in welchem man erziehungsgemäß jedem Briefkasten einen guten Morgen und ein langes gesundes Leben wünscht, dann finde ich das sehr unhöflich, keinen „Guten Tag!“ oder andere passende Tageszeiten angesagt zu bekommen.

Auf dem Dorf hat man wiederum das Problem, dass man Leuten, die mit gesenktem Haupt und stumm wie Fische an einem vorbei schreiten, nicht hinterher pöbeln kann. Eventuell wohnen die schon länger hier, kennen somit die komplette Nachbarschaft im Umkreis von 3 Kilometern und würden deinen Ruf umgehend für immer und ewig einstampfen. Die hätte zur Folge, dass Du Dich irgendwann darüber freust, dass Dir völlig fremde Menschen mitten in Köln einen „Guten Tag!“ wünschen … sie sind nämlich dann überhaupt noch die einzigen, die dies tun!

Überlegungen auf dem Weg zur Arbeit, als das „Enen schönen Tag!“ des Backwarenverkäuers, bei dem ich nichts kaufte, mir schon wieder Schweißausbrüche bescherte.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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5 Gedanken zu „„… und ein langes gesundes Leben!“

  1. Wobei man als Bloggerin mit Foto ganz leicht erkannt werden kann. Was dann andere Blogger dazu verführen könnte im echten Leben bei zufälligen Aufeinandertreffen „Hallo“ zu sagen. Allerdings sagt man dann auch gleich, wer man ist.

  2. Die Lösung: auf ein Dorf, in dem man nicht geboren, aufgewachsen, eingeheiratet, verwandt, … ist ziehen.
    Dann grüßt einen niemand, und alle meinen es böse – weil man der Zugezogene ist.
    Dann weiss man wenigstens woran man ist.

  3. Fräulein Pia, so schreckhaft? Hätte ich gar nicht gedacht. Vielleicht sollten wir uns einen Erkennungsgruß ausdenken, um künftig Grüßen zu können, ohne Dich zu erschrecken.

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