Kreatives Chaos oder was?

Freitags und samstags kommt bei mir die Süddeutsche Zeitung – ein sogenanntes Wochenendabo. Warum? Freitags gibts da das wunderbare Magazin und samstags die Wochenendbeilage mit dem einseitigen Interview auf der Rückseite, deswegen lohnt das. Ich lese beide jeweils einen Tag später beim Frühstück – das ist so eines der Rituale, die für mich „Wochenende“ bedeuten.
Samstag morgen las ich also einen Artikel über Kreativität.

Von einer der großen Hamburger Agenturen weiss man, dass die Mitarbeiter auf ihrem Platz nichts persönliches liegen haben dürfen. Meine Bank hat letztens die Bürostruktur aufgehoben, die Berater, die einen Kundentermin haben, ziehen also als erstes mal mit ihren Kunden im Schlepptau durch den Bau und suchen einen freien Container. Das sieht zwar recht putzig aus, vor allem so gegen 16.00 Uhr, wenn viele Kunden bei vielen Beratern viele Termine haben und viele Container suchen, aber ob die Berater es so zu schätzen wissen? Ich glaube nicht.
Und auch in anderen Firmen gab man vor ein paar Jahren die feste Struktur auf, denn die empfand man als spiessig, langweilig und total von gestern. Stattdessen hatte jeder Mitarbeiter einen Container, mit dem er sich dann einen freien Platz suchte.

Und wissen Sie was? Alles Bullshit.

Da viele einen großen Teil der Zeit in einem Büro zubringen, muss dieser Ort als ein persönlicher Raum empfunden werden, mit dem wir uns identifizieren. Bezieht jemand einen neuen Arbeitsraum, sind es häufig sehr persönliche Dinge, die zuerst ausgebreitet werden. Ein Revier wird in Besitz genommen, der Raum ein neuer Bezugspunkt, aus dem heraus man lebt und handelt.

Auch das ganze Gerede von freien Schreibtisch ist wohl Blödsinn:

Ein leerer Schreibtisch mag Ausdruck von Ordnung sein, er ist aber manchmal auch Ausdruck mangelnder Flexibilität und einer gewissen Distanz zur eigenen Arbeit

(Beide: Süddeutsche Zeitung Magazin: Ein Einfall ist kein Zufall)

Und? Wie siehts bei ihnen so aus? Chaos auf dem Schreibtisch oder penibel ausgerichtete Stifte? Gelbe Zettelchen am Monitor oder eine MS-Project-ToDo-Liste? Virtuoses Jonglieren mit drei Jobs auf einmal oder preussisches eins-nach-dem-anderen?

Einen kreativen Wochenstart wünscht Ihnen Ihr Christian aussem jawl.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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14 Gedanken zu „Kreatives Chaos oder was?

  1. Das mit den wechselnden Schreibtischen funktioniert meiner Meinung nach nur, weil die Firma es will. Ansonsten zeigten doch schon in der Schule, dass rollierende Sitzordnungen im Klassenzimmer nach einigen Wochen nicht mehr befolgt werden, weil einige keine Lust darauf haben.

    Das Revierverhalten sollte man nicht unterschätzen und ich vermute, dass Platzwechsel eher ein Stresssfaktor sind. Sogar bevor man im Büro ist, weil man sich fragt, wo man heute sitzen wird, muss oder möchte.

  2. Eindeutig situativ: Beim lernen für Klausuren sieht man meinen Schreibtisch nicht mehr, nur Ordner, Skripte, Laptop, Aschenbecher, Teller, Tassen usw.

    Aus diesem Grund sieht er in der lernfreien Zeit aus, wie der berühmte Boden von dem man essen kann. Nicht ein Blatt darauf und Laptop symmetrisch ausgerichtet. Warum auch immer…

  3. ich arbeite an mehreren Standorten und habe nirgendwo offiziel einen eigenen Schreibtisch. Aber wenn ich mal irgendwo ein wenig länger bin, dann besetze ich den Schreibtisch dort und lass auch mal Sachen drauf rumliegen. Ansonsten habe ich mein Office immer komplett im Rucksack.

  4. @Holger: hehe, das kenn ich. Aber ich finde das passt auch zu dem Artikel – ich versteh das so, dass ein Arbeitsumfeld auch was organisches haben können muss.
    Immer die gleichen Bücher in der gleichen Ecke sind ja nun genauso beengend wie immer die gleiche Leere …

    @Mann2:
    ich denke, das ist auch noch mal etwas anderes, als wenn man schon einen festen raum (Grossraumbüro) oder ein festes Gebäude hat. Ich arbeite ja auch gelegentlich bei Kunden und kenne das auch, aus der Tasche und vom USB-Stick zu leben.

  5. O ha. Ich arbeite Jottseidank im heimischen Büro und hier kommt niemand vorbei, der mal eben an den Platz will. Dementsprechend charmant-chaotisch sieht es aus. Das heißt aber nicht, dass das Chaos nicht strukturiert ist. Ich weiß schon, wo ich suchen muss, um was Bestimmtes zu finden ;) So isses nicht.

  6. Ich als Student, muss mein Zeug jeden Tag von einem Saal in den anderen schleppen. Obwohl das Ziel der Hochschule wohl nicht ist, uns damit aus unseren gewohnten (Schlaf-)Strukturen zu reißen, erhöht das doch den Streß, was aber mit einer anderen Perspektive auf den Dozenten kompensiert wird.

  7. Auf diesem Artikel der NYT etwas runterblättern, da ist der Schreibtisch von John Ellis (Physiker) abgebildet, so sieht ein ordentlicher Schreibtisch aus!
    http://www.nytimes.com/2007/05/15/science/15cern.html?ex=1336881600&en=7c25f6782d7029e7&ei=5088&partner=rssnyt&emc=rss
    Ich bin eher der chaotische Schreibtischtyp, meiner sieht nicht so schlimm aus wie der in dem NYT-Artikel. Und alle paar Wochen wird mal aufgeräumt. Ich bilde mir ein, so Zeit zu sparen, da ich Unterlagen so nicht so oft einsortieren-aussortieren-suchen muß. Ob es stimmt, will ich nicht wissen :-)

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