Tu es trotzdem. Egal was Sie sagen.

Mein erster Berufswunsch, an den ich mich selber bewusst erinnere, war es, Soldat zu werden. Ich war fünf Jahre alt, als mein Bruder seinen Grundwehrdienst in Büdel (NL) antrat. So sah ich wenige Woche später zum ersten Mal eine Kaserne, uniformierte junge Männer und wie man im Gleichschritt marschiert, als wir zu seinem Gelöbnis fuhren. Ich durfte in ausgehobenen Unterständen herum klettern, selbst gemachtes Brot aus Baumrinde naschen und hinter den Männern marschieren (dass ich stolperte und laut schreiend mit dem Gesicht in eine Pfütze fiel, habe ich verdrängt).

Später wollte ich Moderator im Radio werden. Ich war etwa acht Jahre alt und hörte durch meine Eltern und Geschwister beinahe den ganzen Tag SWF3, welches Jahre später dann zu SWR3 wurde. Ich liebte die Elmi Radioshow mit Elmar Hörig, der später ja kläglich auf SAT.1 mit irgendeiner unwichtigen Quizshow scheiterte.

Als in der Pubertät dann das Schreiben zu meiner größten Leidenschaft wurde, wollte ich Journalistin für Printmedien werden. Zeitgleich prägte sich bei mir ein ausgewachsenes Interesse an jeglicher Form von Werbung aus. Schuld war diese Snickers-Werbung. Fernsehnwerbung, Printwerbung, Direktwerbung (das man heute ja Direktmarketing nennt) und ganz besonders Promotion. Mein erstes Buch über Werbepsychologie las ich mit fünfzehn, wonach sich mein Kaufverhalten extrem wandelte und viele Dinge nicht kaufte, weil ich der Meinung war, die Werbung sei nicht gut genug, halbherzig, zu wenig professionell. Es war klar, dass ich später irgendwas mit Werbung machen würde. Oder auch „Was mit Medien“, wie man so schön sagt.

Es kam das Jahr 2000 und die Entscheidung des europäischen Gerichtshofs: Frauen dürfen bei der Bundeswehr auch in der Kampftruppe dienen. Ich zögerte nicht lange, bewarb mich, durchlief das dreitägige Testverfahren für Offizieranwärter und wurde eingestellt. So intensiv wie in meiner Zeit bei der Bundeswehr habe ich mich selber später nur selten wahrgenommen. Ich habe sehr viel über mich in dieser Zeit gelernt und war stark geknickt, als ich auf Grund einer chronischen Knochenerkrankung aus dem Dienst ausschied. Heute denke ich, dass es Schicksal war, dass ich gehen musste. Oft vermisse ich die Zeit, traure ihr still nach und schwelge in Erinnerungen. Aber wirklich zurück möchte ich nicht, denn heute weiß ich, dass ich wo anders hingehöre … und zwar genau da hin, wo ich heute bin.

Meine Entscheidung Soldat zu werden, hatte mein Vater mit aufgerissenen Augen und einem aussetzenden Herz aufgenommen. Ebenso wie mein Bruder, der inzwischen Berufssoldat war und seine kleine Schwester überall, nur nicht bei der Bundeswehr sehen wollte. Als der Tag kam, an dem ich nun meine weiteren beruflichen Pläne darlegen sollte, rechnete ich daher mit einstimmiger Freude, denn schlimmer als die Bundeswehr konnte es ja nicht werden.

„Du, Papa, ich will in die Werbung gehen. Marketing Manager, Werbemaßnahmen planen, koordinieren, umsetzen.“ Ich strahlte ihn an, bereit für ein Schulterklopfen und die Bestätigung, dass meine Wahl gut war. „Kind, bist Du denn verrückt? Werbeleute sind alle Alkoholiker!“ Seine Reaktion verwirrte mich, war er doch selber Werbegrafiker. Aber wahrscheinlich war genau das mein Fehler. Erst einen Beruf wählen, den der eigene Bruder seit über zehn Jahren ausübt und direkt im Anschluss dann in Vaters Fußstapfen treten wollen. „Lern lieber was Vernünftiges.“ war auch so ein Standardgeräusch, wenn es um meine Berufswünsche ging.

Ich hab es trotzdem gemacht. So, wie ich immer alles trotzdem gemacht habe. Meine Familie kennt das schon. Heute bin ich damit glücklich und zufrieden. Mit dem, was hinter mir liegt und mit dem, was gerade um mich herum mein Leben ist.

Heute, wo ich mein berufliches Umfeld definiert habe und angekommen bin, denke ich manchmal, dass ich ganz gerne Frisöse geworden wäre. Oder Kindergärtnerin. Tierärztin find ich auch spitze und manchmal könnte ich mir sogar vorstellen, eine Starbucks-Filiale in Troisdorf zu eröffnen.

Aber nichts von dem könnte ersetzen, was mich glücklich macht: Was mit Medien.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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16 Gedanken zu „Tu es trotzdem. Egal was Sie sagen.

  1. Puh, seien sie froh, dass sie nicht Tiermedizin studiert haben. Einige Freundinnen von mir stehen grade vor dem Physikum und die lernen seit Wochen 16 Stunden am Tag. Wenn es hochkommt haben sie pro Jahr 2 Wochen freie Zeit wo sie keine Vorlesungen haben und keine Prüfungen. Ich würds nicht machen wollen….

  2. Schön ist es, etwas zu finden, das einen glücklich/zufrieden macht. Noch schöner ist es, wenn die wichtigsten Menschen dahinter stehen.

    Willenskraft ist, das zu tun, was man möchte, auch wenn der Rest das nicht nachvollziehen kann. Glückwunsch, dass Du Dich nicht davon abbringen lassen hast. Das schaffen Menschen, die einem Nahe stehen, ja oft – die Meinung zu beeinflussen. Du hast es geschafft, es trotzdem zu tun. War sicher auch nicht ganz einfach.

  3. Versteh ich, ich wollte als kleines Mädchen auch immer Tierärztin werden, aber mittlerweile bin ich froh, das niemals wirklich angefangen zu haben. Man muss extrem masochistisch sein und zudem immerzu lernen. Laut diesen Bekannten ist Tiermedizin noch schwieriger als Humanmedizin O.o Naja, ich geh später bestimmt immer in deren Praxen und kuschle mit den Tieren XD

  4. „Ich hab es trotzdem gemacht. So, wie ich immer alles trotzdem gemacht habe.“
    Solange es nicht wie bei Homer Simpson läuft, der alles was man ihm verbietet zu tun dann erst recht macht, sonders es eigene Entschlüsse sind, geht das auch gut.

    Wegen der Berufswahl: Was ist denn was „vernünftiges“, was man lernen könnte? Gibt es überhaupt den Beruf, von dem keiner abrät? Oder ist das eher eine Beschreibung wie „Lottogewinner“?

    Aber warum hatte Dein Vater eigentlich von der „alles Alkoholiker“-Werbebranche abgeraten, wo doch seine Tochter ihr Talent als „Kampftrinkerin Leistungsklasse“ bewiesen hatte? ;-)

  5. Ja, „beneidenswert“ ist das richtige Wort! Ich habe keine Ahnung, wann ich wo ankommen werde. Ich habe meine Weichen einfach zu spät entdeckt, und jetzt scheint es fast schon nicht mehr möglich zu sein, diese Weichen noch einmal neu zu stellen, weil die derzeitige Verantwortung schon zu hoch ist. Schade, wenn man sich irgendwann mit seinem Leben irgendwie abfinden muss…

  6. @SaschDaily: Keine Sorge. Auch wenn ich es Pia jetzt nicht unterstelle, aber es gibt genügend Leute, die glauben ihren Platz im Leben gefunden zu haben und sind dann plötzlich doch unglücklich damit. Ich dachte vor sieben Jahren auch das das Zellbiologielabor meine Sache sei und bin froh es seitdem doch nicht mehr zu machen.

    Teilweise sind bestimmte Handlungen (am Wochenende unbedingt was unternehmen zu müssen oder eben auch seinen Job zu lieben) auch nur lautes Pfeifen im Wald und dienen dazu das hohle Leben, das man tatsächlich aber führt, zu versiegeln, damit man nicht darüber ins nachdenken kommt.

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