Mutter sein vs. Mutter werden

Ich liege nach einem halben Glas Rotwein in der heißen Badewanne und rede zum ersten Mal laut und ganz direkt mit dem Herrn Minimiez. Ich sage ihm, dass ich sehr aufgeregt bin, ihn endlich kennenzulernen. Dass ich ihn riechen und anfassen und bestaunen will. Ich sage ihm auch, dass es sich noch komisch anfühlt, dass da bald jemand sein wird, der einen Platz direkt neben dem Quietschbeu einnehmen wird. Aber ich sage ihm auch, dass er keine Sorge oder Angst haben muss. Wir erwarten ihn mit offenen Armen und Herzen!

Ich bin nicht der Typ Schwangere, der schon vorher schillernde Muttergefühle hat. Das liest sich jetzt vielleicht hart, aber ich denke auch, dass es viele Frauen gibt, denen es so geht. Natürlich ist da Verbundenheit zum Ungeborenen, Sorge um sein Gedeihen und Glückseligkeit bei jeder aktiven Kontaktaufnahme. Aber das Gefühl nach einer Geburt, wenn der kleine hilflose Mensch auf der eigenen nackten Haut liegt, seine Nasenflügel leicht zittern und der kleine Brustkorb sich hebt und senkt … dazu vielleicht die Augen, die einen mustern (so war es beim Quietschbeu) und die einen ebenso neugierig bestaunen, wie man selber das kleine Wunder Mensch vor einem …

Das, was sich dann, über die ersten Augenblicke, Stunden und Tage entwickelt, das ist bedingungslose Mutterliebe. Und das ist es auch, was ich für den Quietschbeu schon empfinden darf, eben weil wir über ein Jahr Zeit miteinander verbracht haben und was ich für den Herrn Minimiez erst noch entwickeln muss.

Ich schreibe das auf, weil es da draußen vielleicht den einen oder anderen Leser gibt, der meine innere Zerrissenheit nicht verstehen kann, der wieder denkt „Ach, hätte sie doch noch 2 Jahre gewartet!“ oder sonst meine vielen Tränen der letzten Tage nicht nachvollziehen kann. Beim Quietschbeu ging es mir im Übrigen ganz genauso. Nur war da kein großes Geschwisterkind, das mein Herz schon bewohnte.

Aber in erster Linie schreibe ich es für mich auf. Denn obwohl man schon Mutter ist, muss man trotzdem jedes Mal aufs Neue in diese Rolle wachsen. Das ist meine bisherige Erkenntnis.Flattr this

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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11 Gedanken zu „Mutter sein vs. Mutter werden

  1. Das ist schön geschrieben und ich verstehes nur zu gut. DIe Zeit, die zwischen den Kindern liegen mag ist egal – ging es mir nach 4 1/2 Jahren allein mit dem ersten Kind doch genauso. Es tritt ein neuer Mensch ins eigene Leben – ganz nah – und den gilt es noch kennenzulernen. Er wird niemals das grosse Geschwisterkind sein, das wir schon mehr oder weniger lange begleitet haben ins Leben, sondern ein ganz neues, unbeschriebenes Blatt. Und das neue Menschlein wird vielleicht Sachen und Ansichten verändern, die zuvor da waren, einfach weil es für dieses Kind schlicht nicht passt. Und es wird einen ganz anderen Teil des eigenen Herzchens bewohnen, wenn auch ganz nah am „grossen“ Kind dran.
    Ich bin gewachsen. Mit dem Babylein. So wie auch vorher mit dem Kindelein. Aber anders. Neu. Genau wie meine Mutterliebe. Zu beiden. Nacheinander, miteinander, sich verändernd und wandelnd.
    Vermutlich empfindet jeder ein wenig anders. Aber ich kanns nachvollziehen, was sie da schreiben. Völlig.

  2. Habe ich heute gefunden und fand es irgendwie passend für Dich/Sie:

    „Da liegst Du nun zwischen und und hauchst uns Deinen Zauber ein. Manchmal übertrifft die Wirklichkeit die Träume.“

    Weiterhin alles Liebe!

  3. Nachdem ich dank den WordPress Top-Einträgen schon ein paarmal über dein Blog gestolpert bin, lese ich die letzten Tage aktiv und sehr gespannt mit.

    Unser kleiner Wurm hat kommenden Dienstag Termin und wir sind mindestens so gespannt, wie du es hier so wunderbar in Worte fassen kannst. Für meine Frau und mich ist es das erste Kind – eine Tochter – und wir können es jetzt schon kaum noch erwarten.

    Viel Glück dir und deinen drei Männern! :)

  4. Ich finde dies Gefühle völlig normal und verständlich.Mir ging es jedes Mal so und wissen Sie was?Eine meiner liebsten Freundinnen hat man folgenden – wie ich finde sehr treffenden-Satz gesagt:

    Die Großen müssen erst lernen Geschwister zu sein,die Kleinen sind es von Anfang an.

    Genau so ist es doch auch bei uns..und das darf es auch!

  5. Ach Mama Miez!

    Sie haben genau die richtige Entscheidung getroffen und ich hoffe Sie können irgendwann aufhören sich dafür rechtfertigen zu müssen.
    Das ist das was sie woll(t)en und das schaffen Sie jetzt. Da bin ich mir sicher.
    Echt mal.

  6. es ist ja wohl vollkommen egal, wie weit die knirpse auseinander liegen. das können 12 monate sein oder 12 jahre. kaum eine mutter kann sich wahrscheinlich vorstellen, das mutterherz zu teilen und hat angst, dem erstgeborenen und dem zweitgeborenen gerecht zu werden.

    ich kann dich sehr gut verstehen! ehrlich. denn GENAU so ging es mir auch. ich hatte angst, dem großen nicht gerecht zu werden oder den kleinen nicht so lieben zu können wie den großen. aber wie man sieht: alles klappt und entwickelt sich irgendwie und irgendwann. das spielt sich ein! :)

  7. Liebe Frau Miez. Dies alles kommt mir so wahnsinnig bekannt vor ;-). Als ich mit meinem 2. Sohn schwanger war, war meine allergrösste Angst ihn nicht so dermassen lieben zu können wie mein Erstgeborener!
    Zudem wusste ich schon vor der Geburt, dass mein Mann aus beruflichen Gründen 3 Tage nach der Geburt (geplanter Kaiserschnitt) für eine Woche weg musste und er hatte auch danach kein Urlaub bekommen. Das machte mir zusätzlich Angst, da ich nicht wusste, wie ich das alles packen sollte! Ein Neugeborenes plus einen 2 1/2 Jähriger, der Haushalt etc.pp.
    Am Tag der Geburt wollte ich am liebsten nur noch weg ;-)! Ich war hin- und hergerissen zwischen Vorfreude auf das neue Lebewesen und der Angst, dies alles nicht schaffen zu können!
    Doch als sie mir dieses kleine Wesen in die Arme legten, war alles wie weggeblasen! Die Angst, die Unsicherheit einfach alles! Ich liebte diesen kleinen winzigen Jungen von der ersten Sekunde an und ich fragte mich, wie ich jemals daran zweifeln konnte ;-)!
    Klar, die kommende Zeit war anstrengend und manchmal wuchs mir die Decke über den Kopf. Doch es war niemals so, wie ich mir das in meinen schlimmsten Gedanken ausgemalt hatte ;-)! In der SS mit meinem dritten Sohn hatte ich übrigens diese Ängste nicht mehr. Ich hatte ja alles schon mal erlebt und wusste, dass ich auch diesen Jungen lieben kann!
    Das Herz bzw. die Liebe wird von Kind zu Kind grösser und grösser :-).

    Ich wünsche Ihnen alles Liebe und Gute und ich bin sehr gespannt auf den kleinen Herr Minimiez (wohl nicht nur ich ;-)).
    Liebe Grüsse aus der Schweiz, Daniela

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