Kein Cape!

Ich finde es ganz furchtbar, wenn sich jemand so darstellt, als sei sein Leben Friede-Freude-Eierkuchen, er lebe am Ende des Regenbogens und die Kinder pupsen kleine rosa Wölkchen mit Glitzer, die nach Lavendel duften. Das ist unrealistisch. Ehrlich.

Und manchmal hab ich die Sorge, dass ich hier genauso rüber komme. Denn das wäre falsch. Es ist nicht alles glänzend und rund und duftend. Es gibt Ecken und Kanten. Mal mehr, mal weniger.

Ich weine zum Beispiel vor Verzweiflung, wenn der Quietschbeu diese selbstverletzenden Anfälle bekommt (die er zum Glück nur sehr selten und in letzter Zeit gar nicht mehr hatte).

Mache ich mir gesteigert Sorgen, werde ich laut. Unding. Versteht kein Kind der Welt. Wie auch?

Ich schrie meinen großen Sohn an, als er zehn Mal hintereinander mit dem Stuhl, auf den er nicht klettern sollte, umgekippt war und sich zum Schluss natürlich doch weh tat, bevor ich ihn tröstend in den Arm nahm.

Vor kurzem ließ er sich immer und immer wieder gegen die Glasvitrine plumpsen, weil das Porzellan darin dann so lustig klirrte. Er reagierte auf kein NEIN! Und vor meinem geistigen Auge sah ich ihn schon in den Glasscherben liegen. Nach dem zwanzigsten Mal habe ich ihn angeschrien. Fragen sie nicht wie. Da war ich keine gute Mutter. Da war ich nur Mensch. Mein Herz raste noch Minuten später und er hat geweint, geweint, geweint. Da bin ich vor Schuldgefühlen fast eingegangen.

Und warum? Weil ich unter Angst und Panik zu Lautstärke neige. Das ist meine „dunkle Seite“.

Ich will nicht, dass man denkt, ich sei eine Supermutter oder würde mich so darstellen. Es gibt auch unschöne Geschichten und man kann sie in diesem Blog nachlesen. Vielleicht sollte ich auch öfters meine Fehler hier aufzeigen, damit ich niemandem das Gefühl vermittle, man sei eine schlechtere Mutter, weil man gefühlt mehr Fehler hat oder macht.

Mir ist das ernsthaft unangenehm. Ich fische nicht nach Komplimenten. Ich weiß, dass ich meinen Job gut mache. Aber ich kann nicht Fliegen oder durch Wände sehen und auf Kryptonit reagiere ich auch nicht. So.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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15 Gedanken zu „Kein Cape!

  1. Als meine Nachbarin am Sonntag klingelte (und ich es nicht schaffte, ihr die Tür vor der Nase zuzuschlagen), sagte sie unter anderem: …und dann schrien sich die Kinder gegenseitig an, und dann schrien SIE die Kinder an…
    Und ich antwortete: ja wenns sein muss, schreie ich die Kinder an (und an diesem Morgen war das genau einmal vorgekommen, ich schrie genau einen Satz, und zwar dass die Kinder endlich aufhören sollten sich anzuschreien, weil auch mir die Lautstärke in den Ohren wehtat.
    Und sie sagte, nein man müsse nicht schreien, man könnte die Kinder erziehen.
    Und dann dachte ich den Rest des Tages nach und ehrlich gesagt, wollte ich mich nicht schuldig fühlen, geschrien zu haben. Doch, manchmal muss man. Und sei es nur die eigene Anspannung rauszulassen.
    So und jetzt fliegen wir wieder durch Wände und laufen übers Wasser, auf gehts! ;-)

  2. Auch wenn ich finde das sich niemand rechtfertigen muss über das was er ist und wie es ist, finde ich diesen Artikel sehr sympathisch. Ich saß so manches mal vor dem PC und habe mich darüber geärgert das die ganzen Blogmuttis so tolle und fehlerfreie Mütter/Eherfrauen/Menschen sind.
    Ich freue mich zu sehen das man eine gute Mutter sein kann(denn ich finde das sind sie), auch wenn manchmal die Nerven nicht mitspielen usw.
    Danke!
    (Ich neige übrigens auch dazu zu schreien wenn ich Angst um mein Kind habe und Sekunden später drücke ich sie fest und entschuldige mich tausend mal, ich denke das ist vollkommen menschlich :) )

  3. Ja oft schreibt man nur die positiven Sachen, schon krass. Vielleicht will man manchmal die Probleme einfach verstecken, die wir doch alle haben mit den Kleinen. Und finde übrigens das du das keineswegs machst. Du schreibst doch beides, wenn auch mehr positives. Ist doch aber auch klar, weil man doch das Negative eh schnell vergisst und das Positive in Erinnerung behält. Wahrscheinlich auch besser so, sonst hätte jeder nur ein Kind ;-). Ich find du bist eine gute Mutter!

  4. Das gehört für mich genauso zu den Unerträglichkeiten wie sich selbst verknotende Liebespaare, die sich noch niehiehie gestritten haben, weil sie sich ja soooo lieb haben.

    Und statt zu brüllen, zu schreien, zu toben rutscht solchen stillen Eltern dann manchmal die Hand aus. Aber nur dahin, wo man’s nicht sieht.

    Da werd ich lieber mal laut, denn die Kinder wissen, dass das nur nötig ist, weil ich sie lieb hab, nicht will, dass ihnen was passiert und sie mir nicht gleichgültig am Arsch vorbeigehen.

    Und jetzt schwing ich mir mein Cape über. Vielleicht flieg ich mal ’ne Runde um den Block. ;-)

  5. Wenn ich Angst um Lisa habe oder gerade sehr, sehr schlechte Laune, wird meine Stimme unglaublich scharf, manchmal auch laut. Mir rutschen dann einem 21 Monate alten Kind gegenüber auch mal Formulierungen raus wie ‚Ist das jetzt klar?‘ oder ‚Fräulein, ich warne Dich!‘
    Hinterher könnte ich mir immer an den Kopf packen.
    Aber ich habe irgendwo mal gelesen, dass die Kinder uns Große auch (manchmal) ‚an unseren Grenzen‘ erleben dürfen, schlecht gelaunt, wütend – das sei besser als ‚emotionale Zombies‘. Man dürfe seinem Kind gegenüber auch ruhig einmal authentisch sein.
    Zumindest mir passiert das hin und wieder. Dann erziehe ich nicht, dann bin ich einfach nur Mensch.
    Ohne Cape.

    LG, Spit

  6. Ja, ich geb’s zu, ich hab meine Kinder auch schon angeschrien, Weil sie sonst vom Auto überfahren worden wären, weil ich nicht mehr konnte, nach wochenlangem Schlafentzug, weil ich einfach nur noch fertig war und einfach mal fünf Minuten Ruhe wollte, angeschrien, weil mir sonst womöglich noch die Hand ausgerutscht wäre, weil ich so wütend auf sie war… tausend Gründe… berchtigte und unberichtigte… und ich fühle mich jedes mal unglaublich danach.
    Aber eines ist dabei am wichtigsten: daß die Kinder wissen, daß Ihre Mama sie lieb hat, mehr als alles andere auf der Welt! Auch Mamas sind nur Menschen, mit eigenen Bedürfnissen, mit einem nur begrenzten Nervenkostüm und begrenzten Kraftreserven.
    Anschreien ist scheiße, aber es gibt auch definitiv schlimmeres….!

  7. ich glaub da werd ich lieber laut als handgreiflich. Beides Baut wut ab aber zweiteres find ich arg schlimm.
    Schreien ist Menschlich find ich. Ob aus verzweiflung oder wut.
    ich mach auch beides, vorallem aus verzweiflung. dann schrei ich auch mal sam an er soll die Finger von was heißen lassen und mecker auch dann wenn er sich verbrennt um ihn dann zu trösten.

  8. Och, entstand dieser Artikel duch meinen letzten Kommentar? Das wollte ich nicht. Mir ist schon bewusst, dass es Mütter mit stärkeren Nerven gibt und die in ihrem Blog lieber positive Artikel schreiben als negative. Und dass es pflegeleichte Kinder gibt und „anspruchsvolle“.

  9. *räusper* Doch, hab ich gesehen. Aber mein Filmgedächtnis ist unter aller Sau. Ich weiß, dass das Baby in Flammen stand und sich einer die Beine laaaaang dehnen konnte. Aber Details oder gar Handlungsstrang? Keine Chance, sowas vergess ich immer. ;-)

    Also dann: Kein Cape.

  10. Ja, auch ich bin in letzter Zeit schon mal lauter geworden. Vorallem dann, wenn ich nach meinem zigsten Nein immer noch ein Grinsen bekomme und die kleine Maus das Verbotene dann doch wieder tut. Und das wo sie doch erst 11 Monate alt ist!

    Ich finde auch, sowas muss mal sein. Mütter sind auch nur Menschen und wenn das normale Anreden und die geänderte Tonlage nicht mehr helfen, muss eben mal die Lautstärke abrupt angehoben werden. Ist auf jeden Fall besser als eine „ausgerutschte“ Hand.

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