Erinnerungen

In 12 Tagen wir das Löwenmäulchen ein Jahr alt. Sicherlich der Hauptgrund, warum ich mich in den letzten Tagen immer wieder an diese letzten Tage vor seiner Geburt erinnere. Eine ganz besondere Erinnerung ist die letzte Begegnung mit dem Quietschbeu, bevor er großer Bruder wurde. Wir hatten ihn am ursprünglich errechneten ET zu meiner Schwester gegeben, weil ich körperlich und emotional nicht mehr in der Lage war, seinen Ansprüchen zu genügen. Das traf mich damals hart und erschütterte meinen Glauben, mit zwei kleinen Kindern überhaupt zurechtzukommen, zutiefst.

Am Tag vor der Nacht, in der das Löwenmäulchen schließlich auf die Welt kam, besuchten wir den kleinen Mann bei meiner Schwester. Wir saßen im Garten auf einer Decke, lachten, spielten und plantschten im Wasser. Es war ein unglaublich schöner Sommertag. All die Besuche zuvor hatte der Quietschbeu nicht geweint, wenn wir wieder fuhren. Doch an diesem Tag war das anders. Als wir uns schweren Herzens wieder verabschiedeten begann er bitterlich zu weinen und meine Schwester schloss ihn schnell in die Arme, um ihn zu trösten. Ich glaube sie ahnt nicht einmal, wie dankbar ich ihr für diese Tage und generell ihre gesamte Unterstützung zu diesem und jedem anderen Zeitpunkt bin. Hätte ich nicht dieses unerschütterliche Vertrauen in sie, mir hätten diese Tage sicherlich einen nicht reparablen seelischen Knacks beschert. So weiß ich, dass ich das Beste, was mir möglich war, für mein Kind getan habe: ich habe es meiner großen Schwester mit all ihrer Liebe und Fürsorge anvertraut. Heute weiß ich, dass das die einzig richtige Option war.

Dieses Gefühl, das ich empfand, als ich mein weinendes Baby zurück ließ, war so grausam und tiefgehend. Versagen, Angst, Selbstzweifel. Es war die erste Geburt-einleitende Wehe, die mich aus dieser Emotion riss und die uns Stunden später das Löwemäulchen schenkte.

Eine andere, mich immer wieder packende Emotion war das Gefühl, das ich empfand, als der Quietschbeu nach der Geburt das erste Mal ins Krankenhaus kam. Diese eine Konstante zwischen uns, die Vertrautheit und diese Einheit, die wir bis dahin gebildet hatten, war zerstört. Ich fühlte mich verloren, weil ich nicht auf Anhieb diese Verbundenheit zum Löwenmäulchen spürte (was völlig normal ist, immerhin kannten wie uns ja gerade ein paar Stunden), wie ich sie vom Quietschbeu her kannte. Zeitgleich schien eben diese Verbundenheit zum Quietschbeu auch nicht mehr in der mir bekannten Form vorhanden. Das machte mich innerlich schier wahnsinnig.

Letztendlich dauerte es nur ein paar Tage bis wir alle unseren Platz in dieser neuen Konstellation gefunden hatten und die Verbundenheit in neuer Form und noch stärkerer Intensität zurückkehrte.

Heute weiß ich gar nicht mehr, wie es ohne das Löwenmäulchen war. Wie es sich anfühlte, nur ein Kind zu lieben. Und es ist auch nicht mehr wichtig, denn wir sind so wie wir heute für und miteinander da sind, genau richtig.

Und Danke, Mimi, für Alles, was Du für mich und meine Jungs bisher getan hast ?

 

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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3 Gedanken zu „Erinnerungen

  1. Oh…. wie rührend, liebe MamaMiez! Das trifft mich gerade an meinem empfindlichsten Pünktchen. Denn unser kleiner Mann wird auch bald ein großer Bruder sein und seit Tagen grüble ich darüber nach, wie das wohl wird – Stichwort Bindung undso. Hach, Sie lassen das so rosig erscheinen und ich freu mich gleich noch ein bisschen mehr ;)

  2. Übersprudelnd vor Liebe – und eine große Schwester ist einfach unbezahlbar. :-)

    (bisher stille Mitleserin – aber hier konnte ich nicht stillbleiben, weil sooo liebevoll und ehrlich :-))

  3. Danke für Deinen Bericht!
    Ich war froh, daß ich auch beim dritten Kind einen Geburtsvorbereitungskurs gemacht habe. Und zwar einen Kurs für Frauen, die schon Mütter sind. Dort konnten wir unsere Ängste und Zweifel in Ruhe besprechen, Geschwisterkonstellationen betrachten und unsere eigene Geschichte, mit Geschwistern oder ohne, reflektieren. Würde ich immer wieder machen.
    Trotzdem habe ich im Wochenbett ziemlich geheult, weil die alte Zeit vorbei war. Meine Hebamme machte mir Mut, mich auf die neue Zeit zu freuen.

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