Elternprüfung – Runde 2

Eigentlich wollte ich gestern Abend schon davon berichten, dass der Schub des Löwenmäulchens auf wundersame Weise am Samstagnachmittag, nach seinem Mittagsschlaf, ein Ende fand.

Statt Geschimpfe, Ungeduld und Wildkatzenkampfschlag griff er plötzlich wieder nach meiner Hand und zeigte mir unmissverständlich, was er wollte. Er lachte viel, ja, war sogar richtig albern, kuschelte wie ein Weltmeister jeden, der nur 5 Sekunden still hielt (sehr zum Leidwesen des Quietschbeus, der ja bekennender Anti-Kuschler ist) und aß wieder wie ein Großer (3 Teller Nudeln Bolognese in der selben Zeit, die der große Bruder für einen Teller braucht – und dann satt ist).

Als Übeltäter verdächtige ich einfach mal den oberen rechten Eckzahn, der sich sehr spitz und sehr fies nun durchs Zahnfleisch gebohrt hat. Immerhin ist er jetzt durch. Nur noch 3 to go und auch die sind schon sehr präsent im Anmarsch. Kein Wunder also, dass wir hier an Dauerrotzschnodder leiden und empfänglich für jede Viere mit bösartigem Hintergedanken sind.

Was ich auch deshalb heute nicht hören wollte: „Ach, Frau Miez, ich trau mich jetzt gar nicht Ihnen das zu sagen, aber Hand-Mund-Fuß ist nun auch bei uns angekommen.“ Hintergrund: am Freitag hing wieder dieses gruslige „Wir haben Hand-Mund-Fuß-Schild“ am Eingang des Kindergartens und ich hatte leicht panisch erfragt, ob denn die Löwenmäulchen-Gruppe betroffen sei. Am Freitag hatte man das noch verneint. Möööp.

Aber um auf den Ausgang meines Beitrages hier zurück zu kommen: Mein kleiner Virenstaubsauger Schubler tapselt also in seine Gruppe, begrüßt alle Freudestrahlend, zappelt hinter mir in den Waschraum, wo seine Kleiderkiste steht und ich seine Jeanshose verstaue und bekommt beim Verlassen des Raumes, welches mit der Ermahnung, nicht an den Windeleimer zu gehen einher ging, einen monströsen Trotz-Wut-Anfall. Ich nehme ihn auf den Arm, rede leise und beruhigend auf ihn ein, doch er wird nur wütender, drückt sich ab und schlägt mich mit beiden Händen ins Gesicht. Ich war wie vom Donner gerührt, brauchte ein paar Sekunden zum klar werden und habe ihn dann abgesetzt. Wütend rollte er sich über den Boden, schlug auf das Kletterpodest ein, keifte und schrie jeden an, der ihn anguckte und schlug schließlich auch nach dem Quietschbeu, der ihn mit einem „Sasa, alles gut, nich weinen!“ beruhigen wollte.

Ich war völlig perplex. So einen Austicker hatten wir bisher noch nicht. Er suchte richtig meine Nähe, nur um dann wieder nach mir zu schlagen (dieses Wildkatzenhauen, Sie kennen das vielleicht). Ich hielt seine Hände fest, sagte immer wieder „Nein!“ und „Es wird nicht gehauen!“

Klar, er ist eineinhalb Jahre alt und hat keinerlei böse Absichten. Dennoch ist es wirklich verstörend, wenn er so derart unglücklich, wütend und verzweifelt um sich schlägt.

Nach einer Minute ließ er sich endlich in den Arm nehmen und kuschelte sich ganz feste an mich. Mir stiegen sofort die Tränen in die Augen. Nach einer Weile drehte er sich um und suchte seinen „Dada“, den er gefunden erst mal streichelte und dabei „Eiii!“ flüsterte.

Die Erzieherin sah mich mit großen Augen an: „Hat er sich jetzt beim Quietschbeu entschuldigt?“ Ich nickte. Ja, das macht er immer, wenn er ihm unbeabsichtigt weh tut. Bisher war es jedenfalls immer unbeabsichtigt. Hm.

Ich weiß, dass das eine Phase ist und mache mir keine übersteigerten Sorgen. Aber trotzdem stellt man sich ja die Frage, wie reagiert man in diesen Situationen richtig. Ignorieren? Weggehen? Hände festhalten? Schimpfen? Nein sagen?

Phasen sind ja so Elternprüfungen, die leider immer recht unangekündigt kommen und auf die man sich nicht wirklich gut vorbereiten kann. Leider nutzt es mir gerade irgendwie gar nichts, dass ich eine sehr ähnliche Phase mit dem Quietschbeu auch bereits durchgemacht habe. Der war allerdings schon etwas älter und wenn ich mich versuche zu erinnern, was wir damals dagegen unternommen haben, ist das nur ein „Äh, öh, nee, war dann plötzlich einfach wieder vorbei.“ Na dann …

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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10 Gedanken zu „Elternprüfung – Runde 2

  1. ich wollte selbst einmal darüber schreiben, wie sehr dieses gefühl des „wie reagiere ich richtig“ belastet. diese unsicherheit ist für mich quälend. dabei ist ja genau das das problem. kinder haben ja da eine antenne für und merken unsicherheit. ich frage mich ständig: versteht er, dass er dies- oder jenes nicht machen soll? wie bringe ich ihm das richtig bei? am wochenende trug sich folgendes zu: die cousine des todds ( 2 1/4 jahre) schlug mit einem plastehammer auf einen glastisch. die mama nahm ihr den hammer weg und schlug ihr schallend auf die hand. zu tiefst erschrocken fing die kleine an zu weinen. es war eine sehr unangenehme situation. kurz darauf beginn der todd eine ähnliche“ tat. ich nahm in weg, stellte ihn wieder ab, kniete mich hin, sah ihm in die augen und meinte streng: nein! nicht auf die glasscheibe hauen. machst du das noch einmal, nehme ich dir den hammer weg!“. rate, was er tat…

    1. Also das Löwenmäulchen hätte noch mal drauf gehauen und dann 30 Minuten geheult, weil ich ihm den Hammer weggenommen habe ;)
      Der Quietschbeu hätte noch mal angedeutet, meine hochgezogene Augenbraue wahrgenommen und es sein gelassen. ;)

  2. Also, liebe Frau Miez, ich denke sie haben da ganz richtig reagiert: An sich in „ruhe“ lassen, soweit es geht. Schlägt er auf sie oder den QB ein, festhalten und NEIN sagen, erklären, das nicht gehauen wird – und dann abwarten bis er sich wieder beruhigt hat.
    Dass er sich beim QB dann aber entschuldigt hat: Awwwww ?
    Nein ehrlich, ihre Jungs sind einfach nur ?-lich!

    Zu dieser blöden Hand-Fuß-Mund Krankheit: Ich glaube so hat jeder Kindergarten seine „eigene Krankheit“. In unserer ersten Einrichtung war es der Magen-Darm-Virus und die Bindehautentzündung. In der Zweiten Scharlach. Nun in der OGS sind es Läuse. Und ich weiß nicht, was mir lieber ist. Aber die Läuse-Sache verabscheue ich am Meisten *schüttel*

  3. Colin ist derzeit in einer wunderbaren Trotzzeit. Ich müsste darüber auch mal schreiben wenn ich Zeit hätte. Er haut, dreht sich wie wild im Kreis und manchmal sogar wirft er sich auf den Boden. Ich kenne sowas nicht, war selber nie so, meine jüngere Schwester auch nicht. Tatsächlich haben wir laut Eltern und Großeltern nie wirklich richtig getrotzt. Und so fand ich es wunderbar, als Colin dann letzte Woche bei meinen Eltern einen Trotzanfall deluxe bekam (normalerweise macht er das nur bei P., mir und dem Opa, der ihn ja tagtäglich betreut – meine Mutter hatte ihn so vorher nie gesehen). Wir sind sehr liebevoll antiauthoritär erzogen worden, meine Mutter hat uns NIE angeschrieen (heute weiß ich erst wie diszipliniert sie da war-Hochachtung!) und wir haben nicht einmal eine Ohrfeige noch einen harten Handgriff bekommen. Und so stand sie mir bei diesem Anfall Beiseite, sagte mir was ich gut mache und stärkte mir den Rücken in dem sie mir riet Colin nicht festzuhalten, auch nicht seine Hände beim Hauen (aber schon sagen dass ich nicht will dass er haut), ihn nicht einfach auf den Arm nehmen um meinen Willen durchtzusetzen, ihm aber immer wieder meine Nähe anbieten (er wollte keine Jacke anziehen als es nach Hause ging). Alleine wäre ich wohl laut geworden, hätte seine Hand gehalten nachdem er mich schlug usw. So aber blieb ich gelassen, denn meine Mutter bestätigte, was ich tat. Und verflucht, der Trotzanfall löste sich nach wenigen Minuten durch Ablenken „Schau mal der Mond da Colin, der scheint aber hell heute Abend!“ in Luft auf. Meine Mutter gab mir einen wichtigen Hinweis mit auf den Weg. „Hilf dem Kind aus der Situation raus, es sitzt in dem Moment in einer Rolle fest, gib ihm die Chance diese Rolle verlassen zu können.“ Seit ich das berücksichtige sind die Trotzanfälle weit kürzer und weniger heftig. Klappt vielleicht nicht immer, aber ich habe jetzt genug Sicherheit das gelassener durchzustehen.

    1. Wow, ich bewundere die selbst-Disziplin ihrer Mutter. Es ist so so schade, dass viele Eltern heute einfach nur noch überfordert sind. Ich lese, obwohl ich keine eigenen Kinder habe, immer gerne in Ihren Blogs.

      Das gibt mir ganz ernsthaft das Gefühl, dass es auch Eltern gibt, die sich Gedanken machen und hier Kinder zu Menschen heranwachsen. Im Beruf lerne ich leider fast ausschließlich die vernachlässigten Kinder und die überforderten Eltern(teile) kennen. Das frustriert mich immer.

      Aber zum Glück habe ich das Mama Miez Blog und darüber all die Vielen Mütterblogs kennen gelern.
      Meine Hochachtung für ihre Liebe, Geduld, Disziplin und überhaupt alles.

  4. Ohje, genauso kenne ich das vom Mupf. Genauso.

    Jedes gute, ruhige Zureden macht ihn noch wütender und auch unberechenbarer.

    Am Wochenende feuerte er mir sehr kräftig eine Gabel ins Gesicht .. und ich war ebenfalls wie vom Donner gerührt über diese Wut und diesen Frust, der in meinem kleinen Menschen steckt. Reagiert hab ich erstmal gar nicht, weil er selber erschrocken über das war, was passierte und sich nichts anderes ergab, ausser nichts zu tun .. und doof zu gucken.

    So kleine Wutanfälle sind hier mal 10x am Tag, dann wieder 1 Tag gar nichts .. und jedes mal, weiss ich nicht, ob ich dies oder das richtig oder falsch gemacht habe.

    Ich denke, grundsätzlich ist ruhig blieben das Beste und bis zum erbrechen erklären, dass nicht gehauen (geworfen, getreten, etc.) wird.

    Der Mupf wird noch lauter und wilder, je lauter man selber wird. (Aber es soll auch Kinder geben, die das beeindruckt, wenn Mama laut wird. Hier nicht, es erzeugt das Gegenteil.)

    Hier hilft nur, in Ruhe lassen, so ‚absetzen‘, dass er sich nicht verletzten kann … nach 1-2 Minuten ist der Spuk vorbei und der Mupf kommt kuscheln (Mit Tränchen auf den Wangen und ein bisschen Verzweiflung im Gesicht *mitheul*).

    Elternprüfung trifft es auf den Punkt.

  5. „Gewalt fängt da an, wo Wissen aufhört.“

    Leider weiß ich nicht, von wem das stammt.
    Aber es stimmt.
    Durch den Spruch wird mir immer wieder bewußt, wann und dass ich am Ende bin mit meinem Latein, und ich in mich gehen oder mich schleunigst kundig machen muss, wie ich mit neuen Situationen umgehen will/kann.
    Bei uns hilft in der Wohnung der „Ausweg“ Bett (erstmal raus aus der Situation). Das ist eine Wohlfühlzone, die gern als Rückzugsort zum Ausheulen genommen wird. Ist der Weltschmerz verarbeitet, fangen wir unbelastet da an, wo wir vor dem Wutanfall aufgehört hatten. Da klappt dann sogar das Aufräumen. ;-)

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