spontan. voll ungeplant.

Als ich den Quietschbeu und das Löwenmäulchen gestern vom Kindergarten abholte, war der Plan eigentlich, zu Hause einen ruhigen Nachmittag zu verbringen, Bilder zu malen, Bücher anzugucken und ein bisschen Kochen. Doch schon als ich auf den Parkplatz fuhr wunderte ich mich darüber, dass der um diese Uhrzeit so proppenvoll  war.

Rätselslösung: im angrenzenden Ortsteil ging auch gestern noch ein Karnevalszug, der just um 15 Uhr gestartet war und zu dem nun alle Eltern mit ihren abgeholten Kindern zu Fuß aufgebrochen waren. Auch wenn ich eigentlich gar keine Lust hatte, müde und nicht richtig angezogen war, so war mir dennoch klar, dass ich dem Quietschbeu diese letzte Chance auf Traktoren und riesengroße Piratenschiffe  nicht verwehren konnte.

Der Quietschbeu saß noch als Letzter mit einer seiner liebsten Erzieherinnen zusammen und schnitt Pappe in kleine Schnipsel. Er liebt es zu Malen und zu Schneiden und ich ahnte schon, dass ich es heute schwer haben würde, den Großen hier wegzubekommen.

Doch bevor ich ihn mit dem Karnevalszug lockte, der sich in hörbarer Weite aufstellte, erfuhr ich von der liebsten Erzieherin, dass der Quietschbeu auffallend gut einen Stift halten und eine Schere benutzen würde. Ob ich das mit ihm üben würde? Ich verneinte. In Wahrheit malt und schneidet der Quietschbeu halt seit er eineinhalb ist den lieben langen Tag. Das ist einfach sein Ding. Ich war schon sehr stolz, als sie mir verriet, dass die meisten Vorschulkinder Probleme hätten, eine Schere korrekt zu bedienen. Schlimmer wäre es nur bei der richtigen Stifhaltung. Das würden sie mit den Vorschulkindern derzeit aktiv üben. Der Quietschbeu aber, der hätte das schon von Anfang an vollkommen richtig gemacht. Auch zählt er seit neustem einfach so bis 10. Da das weder zuhause noch im Kindergarten geübt wurde, vermuten wir nun, dass er das irgendwo gehört und aufgeschnappt hat. Seine Beobachtungsgabe ist ja ohnehin immer wieder sehr beeindruckend. Aber bevor hier der Eindruck entsteht, der Quietschbeu wäre ein Überflieger und Superheldenkind: dafür kann er sich Farben nicht merken und verwechselt ziemlich konstant rot und grün.

Aber zurück zum spontanen Karnevalszugschauen. Da der Ausflug ja so gar nicht geplant war, hatte ich nur unseren Buggy dabei. An sich kein Problem, denn der Quietschbeu ist gut zu Fuß. Aus Erfahrung weiß ich aber, dass er nachmittags, nach dem Kindergarten, doch schnell müde wird und nicht mehr so Recht laufen mag. Wir wollten das Wagnis dennoch eingehen, denn seine Vorfreude war nicht mehr zu bremsen.

So zuckelten wir also los, das Löwenmäulchen im Buggy, der Quietschbeu nebenher. Als wir an der Straßenecke ankamen, an der ich eben noch dutzende Menschen hatte stehen sehen, erkannten wir recht schnell, dass der Zug schon durch war. Überall lagen Papierschnipsel und Kamellereste, aber von einem Karnevalszug war nichts mehr zu sehen.

„Du Schatz, ich glaube der Zug ist schon vorbei“, versuchte ich es vorsichtig.
„Neeeeeeeeeeeeein!“

Entsetzen stand dem Quietschbeu ins Gesicht geschrieben und so tat ich, was man eben als Mutter tut, wenn einen zwei wasserblaue Augen, kurz vorm Weinen, ganz hoffnungsvoll und flehend von unten anblicken: wir liefen weiter und suchten den Umzug.

Nach einer ganzen Weile, die wir auf gut Glück in eine Richtung liefen, begegneten uns wieder größere Menschengrüppchen. Eins fragte ich schließlich wann und wo denn der Zug lang gehen würde. Man gestikulierte wild, wedelte in zwei Richtungen und endete mit „Da vorne löst er sich dann auf!“

Da ich mich im Nachbarort nicht auskenne, kramte ich in meine alten militärischen Orientierungsfähigkeiten hervor und navigierte uns irgendwie kurz vors Ende des Karnevalsumzugs. Fest machte ich diese Tatsache daran, dass viele kleine Grüppchen am Straßenrand standen, Karnevalslieder über die Straße hallten und kleine Kinder über saubere Straßen rannten und tanzten. Wir positionierten uns ebenfalls am Straßenrand und warteten. Der Quietschbeu tanze ausgelassen zur Musik über die Straße und das Löwenmäulchen rannte den Bürgersteig auf und ab. Zumindest waren die Jungs dick und warm angezogen. Ich hatte weder Schal, noch dicken Pullover an, entsann mich aber nach einer guten halben Stunde, dass ich zumindest eine Mütze in der Tasche hatte.

Etwa zur selben Zeit fragte ich dann ein kleines Grüppchen, das nicht unweit von uns stand, wann der Zug denn Erfahrungsgemäß hier vorbei käme. „Ja, so in einer viertel Stunde, vermutlich!“ Es war inzwischen 16:30 Uhr und mir graute es vor dem späten Heimweg, den der Quietschbeu sicherlich nicht Laufen wollen würde. Ich rief kurzerhand den Mann auf der Arbeit an, ob er uns nach dem Zug irgendwo aufsammeln könne. Wir verabredeten zu telefonieren, wenn wir uns auf den Rückweg machen würden.

Dann kam der Zug und trotzdem wir unkostümiert und ohne Gruppe allein am Wegesrand standen, wurden wir mit Kamelle, Strüssje und Schokoladentafeln beworfen, wie nichts Gutes. Der Quietschbeu schrie aus voller Kehle immer wieder „KAMELLE!“ und winkte euphorisch jedem Traktorfahrer zu. Meine So.Oder.So war binnen weniger Minuten rappelvoll. Natürlich hatte ich keine Tüten dabei, weil wir ja eigentlich einen anderen Nachmittagsplan hatten.

Um 17:30 Uhr machten wir uns dann sehr müde und durchgefroren auf den Heimweg. Und weils so gut passte, zu diesem ungeplanten Nachmittag, kam der Miezmann nicht durch die unzähligen Polizeiabsperrungen. So liefen der Quietschbeu und ich schließlich doch den ganzen langen Weg bis zum Kindergarten, wo ja unser Auto parkte, zu Fuß zurück. 5 Kilometer insgesamt, trotz Kälte und Nachmittagsmüdigkeit.

Natürlich habe ich erwartet, dass der Quietschbeu wie ein Stein schlafen würde. Eigentlich sogar, dass er noch im Auto, die paar Minuten bis nach Hause, einschlafen würde. Die Wahrheit ist eine andere. In dieser zögerte er das Zubettgehen nämlich erst bis kurz vor 22 Uhr raus, bestand darauf in unserem Bett zu schlafen, schnarchte laut, wälzte sich hin und her und war anschließend, so ab 2 Uhr, die halbe Nacht wach, in der er mir ein Ohr abquasselte, sang, hopste oder mich fragte, ob ich wach sei.

Den Mann hatte ich gegen 1:30 Uhr sehr erfolgreich aus dem Schlafzimmer geekelt, weil der dazu neigte jedes Zappeln und jedes Geräusch des Quietschbeu mit einem brumm-stöhn Laut zu quittieren, was mich noch zusätzlich rasend machte. Der konnte somit zumindest einigermaßen ruhig, wenn auch nicht sonderlich bequem, auf dem Gästebett schlafen.

So endete unser ungeplanter Nachmittag heute Morgen um 5:30 Uhr, als ich schließlich aufgab und mit dem Quietschbeu aufstand, um Duschen zu gehen.

Wieso und woher nimmt dieser kleine, knapp 3jährige Kerl diese Energie. Ich könnte im Stehen einschlafen. Ungelogen. Und der ist selbst heute Morgen noch fit wie ein fabrikneuer Turnschuh. Das ist nicht fair!

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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8 Gedanken zu „spontan. voll ungeplant.

  1. Vermutlich tragen unsere Jungs eine Unruh in sich, wie bei diesen Uhren, die sich durchs bloße Schütteln selber wieder aufziehen… Anders kann ich mir das nicht erklären. Colin ist da leider genauso.

  2. Ich finde das stark – auch, dass Ihr dem Karnevalszug hinterhergegangen seid, und dass sich der Kleine von der guten Stimmung hat anstecken lassen. Kein Wunder, dass er hinterher noch aufgedreht ist!

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