Ich will das. Nicht.

„Wie geht es Ihnen denn dabei?“

Ich weiß nicht, wie oft ich die Frage so oder so ähnlich in den letzten Wochen gehört habe. Ich weiß nur, dass ich jedes Mal beschwichtigt und beruhigt habe. Das sei alles gar nicht so schlimm, ich wäre gut organisiert und der Alltag mit 3 Kindern kann sogar entspannter sein, wenn man sich nicht zusätzlich auf eine weitere Person einstellen muss. Das ist die Wahrheit, auch wenn sich das im ersten Moment sehr lieblos anhört.

Gestern Abend, nach dem Elternabend im Kindergarten, auf den ich alleine musste, weil der Miezmann auf Wohnungssuche in Hannover weilte, frage mich dann die Erzieherin des Löwenmäulchens eben diesen Satz.

„Wie geht es Ihnen denn dabei?“

Und ich sagte: „Nicht gut.“ Ich sei die letzten Wochen und Tage sehr gereizt und daraus resultierend auch manchmal unfair zu den Kindern. Den Miezmann habe ich immer wieder stark angeraunzt und ablehnend behandelt. Ich weiß, er kann für die Situation nichts. Und ich weiß auch, dass ich mit der neuen Situation umgehen kann. Und dennoch nagt da dieses Ego-Tierchen in mir, das ganz egoistisch die Hände in die Seiten stemmt, mit dem Fuß aufstampft und „aber das ist MEIN Partner, MEIN bester Freund!“ krächzt.

Und dann kommen mir beim Schreiben dieser Zeilen dann doch tatsächlich das allererste Mal die Tränen.

Ich habe keine Angst vor der Zeit ohne meinen Mann. Es sind nur 4,5 Tage die Woche. Das ist in der stressigen und hektischen Zeit heute Nichts. Aber ich will nicht alleine in dem großen Bett liegen, ohne seine Wärme neben mir. Ich will abends mit ihm über das Fernsehprogramm lästern, Pläne schmieden, gemeinsam unser Traumhaus suchen und finden. Ich will einfach, dass mein bester Freund bei mir ist, mit mir lacht und schmutzige Witze macht. Ich will ihn „Arschnase!“ nennen können, wenn er neben mir steht, weil er das letzte Stück Schokolade gegessen hat. Ich will mich jeden Abend aufs Neue darüber aufregen, dass er sein nasses Handtuch morgens auf mein Nachthemd gelegt hat.

ICH WILL DAS!

Die Jungs haben von ihrem Papa momentan unter der Woche auch maximal eine halbe Stunde am Abend. Wenn überhaupt. Ich denke, sie können und werden mit der neuen Situation besser umgehen, als es ihnen die meisten zutrauen.

Aber mir wird mein Gegenpol im Alltag fehlen. Ich werde erst mal durch den Tag torkeln müssen, wohl in dem Wissen, das da am Abend niemand sein wird, der mich wieder begradigt. Und auch niemand, der mir mal einen freien Abend ermöglicht, damit ich mit meinen Freundinnen raus gehen kann. Wer vertraut seine 2 Kleinkinder plus Baby schon einem Fremden an? Die Familie ist für einen Abend zu weit weg.

Dennoch. Es war und ist meine Entscheidung gewesen, dass wir hier bleiben und der Miezmann ohne uns umzieht. Es ist vernünftiger zu diesem Zeitpunkt. Für die Kinder. Für mich. Letztendlich für uns als Familie. Keiner weiß heute, was in einem Jahr ist, oder in zweien. Ich kann und will meinen Kindern das ewige Umziehen und Finden neuer sozialer Kontakte und Freunde einfach nicht zumuten. Ich bin selber ein Mensch, der eher schwer neue Kontakte findet. Da waren die Kinder für mich ein Segen, weil man so quasi zwanghaft neue Menschen kennenlernt. Und hier, wo wir nun wohnen, habe ich ganz tolle neue Menschen getroffen und ins Herz geschlossen. Das bedeutet mir unendlich viel. Und wenn ich dann sehe, wie traurig der Quietschbeu jetzt schon ist, wenn wir darüber reden, dass sein Freund Max bald wegzieht, dann kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass das für meine Kinder Normalität darstellen könnte. Dass man sich ständig und immer wieder von seinem sozialen Umfeld trennen und verabschieden muss.

ICH WILL DAS NICHT.

Heute Morgen sagte dieselbe Erzieherin zum Miezmeedchen, dass sie sich schon sehr freuen würde, wenn sie dann kommendes Jahr in ihre Gruppe käme und sie jeden Tag gemeinsam tolle Sachen machen und erleben könnten. Dann sah sie mich an, mit so einem Blick. Es war so ein „Wir sind für Sie da!“-Blick. So ein „Sie sind gar nicht alleine!“-Blick. Und so ein „Sie schaffen das!“-Blick.

Ich habe genickt, mein Baby genommen und bin schnell gegangen, damit ich nicht zwischen all diesen kleinen Menschen um mich herum in Tränen ausbreche. Die Entscheidung hier zu bleiben, die ist goldrichtig. Und dennoch schmerzt die bevorstehende Trennung von meinem besten Freund, den ich doch so sehr liebe, ungemein.

Nein, ich freue mich natürlich nicht über die räumliche Trennung. Aber ja, es ist richtig so. Dennoch.

Das Leben ist eben tatsächlich nicht schwarz und nicht weiß. Manchmal ist es grau, aber am häufigsten ist es kunterbunt. Zumindest meines. Ich mag mein Leben. So. Aber auch so.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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25 Gedanken zu „Ich will das. Nicht.

  1. Zum Glück (oder leider?) hat mich das keiner gefragt, als ich alles ganz alleine machen musste, mehr noch als das jetzt der Fall ist. Ich wäre garantiert in Tränen ausgebrochen. Ich denke gerade, dass man mir das vielleicht angesehen hat, und drum keiner fragte, aus Rücksichtnahme.

    Die Gedanken zum sozialen Umfeld der Kinder teile ich, es wäre für mich beruflich besser gewesen, nach der Trennung von meinem Mann in die nächstgrössere Stadt zu ziehen, aber ich hab’s nicht über das Herz gebracht. Jobs sind heute so unsicher, da will man nicht alle 3 Jahre die Zelte abbrechen. Für die Kinder war’s gut, dass wir hiergeblieben sind, und für mich ist es sehr okay. Das reicht mir.

    Schön, dass es so einfühlsame Erzieherinnen in eurem Kindergarten gibt! Und alles Gute wünsche ich,

    Christine

  2. Du hattest recht. Da bleiben auch bei mir die Augen nicht trocken. Vorallem weil ich das so gut kenne. Vor einem jahr haben wir selbst noch 400 km auseinander gewohnt (davor 800). Mit Familie.

    Deine Entscheidung klingt richtig, gut durchdacht aber auch schmerzhaft. Unterschätze die halbe Stunde Papa am Abend nicht. Sie macht viel aus. Wochenend-Lösungen machen auch mit den Kindern etwas. Und mit euch als Paar. Das schreibe ich hier, damit es dich nicht überrascht erwischt. Das, was sich an Emotionen und Themen sonst über die Woche verteilt, bekommt ihr nun an einem Wochenende geballt. Das ist nicht immer einfach. Aber ich bin sicher, du wirst die Situation meistern. Und es wird nur vorrübergehend sein. Ich wünsche dir auf jeden Fall ganz ganz viel Kraft!

  3. Ich kann richtig SO SO SO verstehen!

    Jede Träne und auch jedes Hochgefühl … Es wird nie besser, nur anders. Aber das weisst du sicher auch.

    Drücke dich und die Miezkinder <3<3<3!!

  4. Wünsch Dir viel Stärke und Nerven! Bzw. Euch allen!
    Fernbeziehungen sind nie leicht, da muss ich meiner Vorrednerin Recht geben! Und anders wird es auf jedenfall! Aber wenn Ihr euch dazu entschieden habt, dann fangt es doch erstmal an! Das wird schon gut werden, anders zwar, aber bestimmt gut! Alles hat seine Vor und Nachteile! Und wozu gibt es das Internet mit den ganzen Kameras und so! Ist vielleicht nicht eine Berührung, aber eine Gesicht und ein paar Worte sind immer da!
    Und falls, aber nur ganz am Schluß, falls es nicht klappen sollte, könnt ihr euch doch immer noch was anderes überlegen!
    Und es gibt doch bestimmt die Möglichkeit von Kurzbesuchen, mit den Zwergen.
    Also laß den Kopf nicht hängen!!! Alles wird gut! Und zur Not kannst Du Dich hier auskotzen, wozu ist es denn sonst auch da!!!!! Und es hat bestimmt immer einer ein offenes Ohr für Dich!
    LG

  5. hm, das ist alles so wahr. mir geht es genauso, ich mag die zehnminutentelefonate am abend nicht, nicht die stille, wenn unser sohn im bett ist, und ein bißchen sogar die wochenenden nicht, die dann alles durcheinanderbringen, mein organisationskonstrukt, das mich durch die woche trägt. und ich schließe mich ramona an, die die halbe stunde am abend erwähnt hat. die fehlt wirklich. und die freien abende für die mama auch. aber irgendwie geht die zeit auch herum…

  6. Oh je. Da schmeiß ich ein paar Tränen mit in die Runde. Nur für Sie Frau Miez.
    Einfach weil es mich rührt das zu lesen *schnief

    Für Euch alles Gute und allzeit Kraft, gut Laune und nen kessen Spruch auf der Lippe!

  7. ach du *drück* schicke dir die 1000 besten gedanken die ich habe, mehr kann ich leider nicht tun. du schaffst das, das wird schon, du bist auf dem richtigen weg was sich bei dir alles entwicklet hat – phrasen die wohl nicht helfen und doch keine sind. vielmehr die wahrheit wohl.
    du bist stark, mehr bleibt nicht zu sagen *umärmel*

  8. Ich ziehe den Hut…und schicke eine Hand voll Kraft Stärke und Durchhaltevermögen…

    „indenarmnehm“

    Ich hoffe sehr das die Fröhlichkeit in diesen tollen Geschichten, die ich jedesmal hier lese, nicht verloren geht…aber ich denke das wird schon…alles gute für dich und deine Familie
    Liebe Grüsse…

  9. Liebe Frau Miez,

    sicher ist das Familienleben als Wochenend-Komplettfamilie ein anderes, sicher fehlt der Mann abends – den Kindern und Ihnen, sicher ist die räumliche Distanz unter der Woche groß und sicher ist die Belastung, die nunmehr allein auf Ihren Schultern lastet eine weitaus größere. Aber: Wir wachsen mit unseren Aufgaben.

    Ich wurde von meinem langjährigen Partner nach sieben Jahren Beziehung von jetzt auf gleich verlassen -da war unsere gemeinsame Tochter knapp zehn Wochen alt und ich zweifelte an mir, meinem Leben und meiner Kraft. Mittlerweile ist mein Sonnenschein neun Monate alt und hat sich zu einem offenen, neugierigen, selbstbewußten und herzigen Laufbaby entwickelt. Es ist alles andere als einfach, aber es ging, geht und wird immer gehen.

    Und Ihr Miezmann kommt ja schließlich jede Woche zu Ihnen zurück :-).

    In diesem Sinne: Kopf hoch, Brust raus und weitergehts…

    Liebe Grüße

  10. Ich verstehe dich so gut, jedes einzelne Wort, jede Gefühlsregung und das innerliche Aufstampfen. Erst seit März leben der Mann und ich gemeinsam und zuvor hatten wir lange Zeit eine Wochenendbeziehung. Und all diese Situationen die du beschreibst habe ich schmerzlich vermisst.

  11. Liebe Mama Miez!
    Schon seit langem verfolge ich den Blog und ich finde es wunderbar erfrischend, kleine Auszüge aus dem Leben einer Großfamilie zu lesen.
    Aber jetzt muss ich doch mal ein Kommentar da lassen.
    Ich bin mit meinem Kind nämlich auch ab nächste Woche alleine und friste das Dasein als Strohwitwe…
    Ich kann den kompletten Beitrag, so wie er geschrieben ist also ohne Probleme unterschreiben.
    Ich warte gespannt, was uns die Zeit so bringt.
    Alles Liebe euch!

  12. Liebe Frau Miez!
    Ich wünsche Ihnen ganz viel Kraft für die kommende Zeit!
    Immer wieder, wenn ich Ihre Artikel lese staune ich.

    Darüber wie stark Sie sind, wie Sie den Alltag mit so viel Liebe und Ausdauer managen und nebenbei auch noch Zeit finden, uns daran teilhaben zu lassen!
    Ich schicke Ihnen eine herzliche Umarmung und möchte an dieser Stelle einfach einmal DANKE sagen!

  13. Was für rührende Worte.
    Was für eine starke Frau!
    Selstam hm, was das Leben manchmal os bringt?
    Und doch so spannende.
    Ihr werdet daran wachsen und es wir deuch alle hoffentlich noch enger zueinander bringen
    Da bin ich mir ganz sicher.
    Alles gute für Euch…. Auch für die Wohnungssuche Deines Mannes.+
    GLG, MamaMia *fühl Dich umarmt*

  14. Ich frage mich hierbei eher, wie es dem Mann (und Vater) in so einer Situation geht. Man selber ist ja abgelenkt,hat die süßen Kinder, hat die alte gewohnte Umgebung, aber für den Mann muss es doch schwer sein, oder? Abends „nach Hause“ zu kommen und alleine zu sein, fände ich zumindest sehr unschön.

  15. Oh weh, ich kann die Gründe nachvollziehen, die zum Dableiben bewegen. Aber ich würde immer mitgehen, um den gemeinsamen Alltag zu erhalten.

    Hannover ist gar nicht so schlimm. Und die haben den schönsten Zoo, den ich kenne!

  16. Ach Frau Miez, sie haben das wieder einmal so… GUT ausgedrückt…
    Ich kann Sie verstehen. Als mein Partner weg musste, hat sich das auch sehr auf mein Gemüt geschlagen…
    Ich kann Ihre Gefühle voll und ganz nachvollziehen und auch wenn der erste Gedanke ist „Das ist so eine lange Zeit, wieso zieht man nicht gemeinsam um?“, so ist der Zweite doch der, dass es so, wie Sie es planen absolut Sinn macht. Als Mutter kann man nicht sich selbst auf Platz #1 stellen, die Kinder gehen vor und für die Kinder ist es sicherlich das Beste. Ständiges Umziehen und das Suchen neuer Kontakte sind nicht nur im Kindesaltes „doof“, sie spiegeln sich auch später wider…

    Ich drücke Sie mal. Sie schaffen das.

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