Beeindruckend. Faszinierend.

Es ist ja eigentlich kein Geheimnis, dass Kinder nach Anerkennung suchen und Erfolge brauchen, um daraus positive Motivation für ihr weiteres Wachsen und Lernen zu ziehen. Mit ein Grund, warum ich mich häufiger Mal in einer ruhigen Minute auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten meiner Kinder besinne und versuche herauszufinden, was ihnen besonders gut liegt, was sie gut können und woran sie Spaß haben. Es muss sich ja nicht immer das eine automatisch auch das andere beinhalten. Ich, zum Beispiel, konnte sehr früh sehr gut lesen. Aber ich habe nie gerne gelesen. Ich war und bin eher der auditive, also mehr so der Hörbuch- und Hörspiel-Typ.

Der Quietschbeu ist ein sehr visueller Typ. Er lernt und begreift in erster Linie durch Beobachten. Wenn er in eine neue Gruppe von Menschen kommt, dann beobachtet er diese erst eine Weile und sortiert sie für sich selber in Kategorien. Nach einer viertel Stunde weiß er dann für sich genau, welche Menschen er nett findet und welche nicht. Und wenn man ihn dann fragt, warum er diesen oder jenen Menschen (nicht) mag, dann kann er darauf auch immer eine – aus seiner Sicht schlüssige – Antwort geben.

So mag er zum Beispiel Frauen, sie stark geschminkt sind, nicht leiden. Die sind für ihn doof. Was mal zu der sehr peinlichen Situation an einer Discounter-Kasse führte, als er den Miezmann lauthals fragte: „Warum ist die Frau doof?“  Die Frage hörte sich an, als hätte der Miezmann irgendetwas in diese Richtung vorweg geschickt. Tatsächlich störte der Quietschbeu sich aber nur an ihrem starken Make-Up, was er aber erst im Auto aufklärte.

Auch mag er die Turnlehrerin beim Eltern-Kind-Turnen nicht. Sie hat ein sehr einnehmendes Auftreten, schneeweiße Haare und meist knall-pinke Lippen.

Schon sehr früh entdeckte der Quietschbeu seine Vorliebe für Puzzles. Am Anfang waren das normale Formpuzzles aus Holz, dann Papppuzzles mit wenigen großen Teilen, die aber auch schnell kleiner und mehr wurden. Meist musste man ihm anbieten, ein Puzzle zu machen. Von alleine kam er nicht auf die Idee. Bis vor ein paar Tagen. Da bat er mich, ihm das Puzzle vom Kleinen Maulwurf zu geben, das er zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Und puzzelte es in wenigen Minuten zusammen. Durch den Erfolg angestachelt machte er das Puzzle noch einmal. Und noch einmal und wieder und wieder und wieder. Zum Schluss konnte er die 20 Teile in 2 Minuten richtig zusammensetzen. Das fand ich schon sehr beeindruckend.

Ich holte weitere Puzzles mit mehr Teilen hervor. 26, 36, 42, 48 Teile. Motive von Benjamin Blümchen, dem kleinen König, der Sendung mit der Maus sowie Feuerwehr-, Polizei- und Bauernhofmotiven. Es war völlig egal. Auch machen die unterschiedlichen Arten von Puzzle (Formpuzzle, Rahmenpuzzle, klassische Puzzle) für ihn keinen Unterschied.

Ratzfatz ist er mit einem neuen Puzzle durch. Und genau dann setzt dieser Effekt ein, auf den ich ganz am Anfang hinaus wollte: das Strahlen und Lachen, das „Mama, schau mal, schon wieder fertig!“, das stolze Streicheln über das fertige Motiv und die sehr rasch folgende Aufforderung, das nächste Puzzle raus zu holen.

So hat der Quietschbeu in der vergangenen Woche 12 verschieden Puzzle, unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, immer wieder im Kreis gepuzzelt. Stundenlang am Stück. Irgendwie scheint ein Knoten in seinem Kopf geplatzt zu sein. Für ihn ist das jetzt total logisch, wie das Zusammenfügen so eines Puzzle funktioniert und hat er ein Puzzle einmal erfolgreich zusammengesetzt, so brauch er auch keine Vorlage mehr. Ich finde das faszinierend!

Worauf ich aber eigentlich hinaus wollte: obwohl er sich, seitdem er diese Puzzleleidenschaft entwickelt hat, viel weniger bewegt und vor allem auffallend weniger zappelt, ist er viel ausgeglichener, spricht langsamer und verständlicher und schläft ruhiger.

Jetzt kann es natürlich sein, dass er irgendeinen Entwicklungssprung gemacht hat, der mir wieder mal durchgegangen ist und der zur Folge hat, dass er eben ruhiger, konzentrierter und ausgeglichener ist. Ich vermute aber auch, dass die vielen kleinen Erfolgserlebnisse, die ihm das Puzzeln einbringen, sein Selbstvertrauen stärken.

Von der kleinen Testosteronbombe, die hier die vergangenen Wochen wohnte, ist jedenfalls nichts mehr zu erkennen, wenn er am Tisch sitzt und puzzelt. Stundenlang. Immer wieder und immer weiter. Leise singend und summend. Und zum Schluss strahlend: „Fertig Mama! Darf ich noch eins?

Beindruckend. So ein Klick im Kopf. Faszinierend. So ein geplatzter Knoten.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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7 Gedanken zu „Beeindruckend. Faszinierend.

  1. Erinnert mich ein bisschen an mich selbst. Meine Mama sagte ich hätte mit 3 Jahren auch wahnsinnig viel gepuzzelt und das rasant schnell ;) Da habt ihr ja auch schon ein passendes Weihnachtsgeschenk :) schön dass es ihm so viel Freude macht!

  2. Genau so einen Artikel bin ich gerade dabei zu schreiben. Bei uns wird seit letzter Woche Samstag gepuzzelt. Colin hatte ewig keine Lust dazu und ich war jetzt endgültig genervt immer nur mit Autos und Legos zu spielen. So forcierte ich das puzzlen an diesem Tag. Gab nicht nach, bis er sich endlich zu mir setze und puzzelte. Seither puzzelt er den ganzen Tag. Und wenn ich mal nicht mitbekomme, wenn er ein Puzzle mal wieder fertiggestellt hat, dann ruft er mich zum Applaudieren. Und welch eine Wohltat das auch hier für mich hat, wenn er auch mal still sitzt und nicht nur durch die Bude springt und fährt!

  3. Du bist eine sooo wundervolle Beobachterin und Nachdenkerin! Von dir sollten sich ALLE, vorallem aber die die mit Kindern professionell zu tun haben (!) eine Scheibe abschneiden! (wiedermal!)
    <3

  4. Faszinierend, Du sagst es!
    wirklich toll, was sowas ausmachen kann.
    Meine kleine Mimi hat auch grad das Puzzeln entdeckt, sie kann 3 bereits super die sie hat.
    Papa hat dann vorgestern ein schwierigeres gekauft, 39 Teile glaub ich (Mimi ist 23Monate) und sie will nun immer genau DAS schwierige Puzzle und nicht die andern die sie bereits kann.
    Ein wenig muss ich gestehen nervt mich das, weil sie kein einziges Teil alleine kann, dennoch will sie es unbedingt und ich weiß nicht was ich damit anfangen bzw. wie ich damit umgehen soll. Hm…
    Sie gibt einfach liebend gerne jedes Puzzleteil einzeln raus, bis alle 39 raus sind und dann stapelt sie die Puzzleteile zu einem Turm.
    Hab das Puzzle heute mal heimlich verräumt.
    Ob das falsch ist? ….
    GLG; MamaMia

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