„Wann kommt der Papa wieder?“

Die schlimmste Trotzmäulchenphase scheint überstanden. Dennoch schmeißt er sich im Moment gerne theatralisch auf die Erde, wenn ich mit ihm schimpfe, und schreit aus Leibeskräften nach seinem Papa. Der Papa, der ist aber in Nofa, wie er jedem zu berichten weiß. Da hat der Papa nämlich auch ein Bett. Ein falsches Bett, denn das richtige steht ja hier, aber ein Bett. Das sind so Randerscheinungen unserer neuen familiären Alltagssituation.

Der Quietschbeu fragt mich jeden Tag, wann der Papa wieder kommt. Dann zählen wir gemeinsam, wie oft er bis dahin noch schlafen muss. Weil der Große seit Sonntagabend immer wieder richtig hohes Fieber bekommt, aber nie über Schmerzen oder Unwohlsein klagt, ist er diese Woche noch nicht in den Kindergarten gegangen. Die Vormittage sind relativ ruhig und gemütlich. Wir puzzeln viel, hören Die kleine Hexe und Das kleine Gespenst, blättern uns durchs neue TipToi-Buch und unterhalten uns viel. So fanden wir tatsächlich nun auch das erste Mal so viel gemeinsame Ruhe, dass der Quietschbeu mir seine Gedanken und Fragen mitteilen konnte. Ganz von alleine und aus eigenem Antrieb.

„Wann kommt der Papa wieder?“

Mit der Frage begann das Gespräch, in dessen Verlauf er mir ganz klar und ruhig sagen konnte, dass er den Papa ganz schlimm vermisst; Dass er traurig ist, weil der Papa nicht hier ist; Dass er möchte, dass der Papa jetzt sofort nach Hause kommt.

Ich habe ihm dann ganz offen gesagt, dass ich den Papa auch sehr vermisse und immer traurig bin, wenn ich ganz alleine ins Bett gehen muss. Das hat den Quietschbeu am meisten bewegt. Immerhin darf er jeden Abend mit dem Löwenmäulchen gemeinsam ins Bett gehen. Und die Mama muss alleine schlafen gehen. „Aber Mama, zum Glück hast Du noch das Meedchen, ne?“ Da hab ich ihm Recht gegeben.

Trotz seiner räumlichen Abwesenheit ist der Papa allgegenwärtig. Sofern es seine Arbeit zulässt telefonieren wir auch tagsüber immer mal wieder. Am liebsten im Auto, denn da können wir uns alle nahezu gleichzeitig mit ihm über die Freisprecheinrichtung unterhalten.

Die Jungs üben sich derzeit ganz niedlich in Smalltalk. Denn Telefonieren ist für so kleine Persönlichkeiten so surreal und unwirklich, dass die ersten Gespräche meist aus einem „Hallo Papa?“ – „Hallo Großer!“ – „Tschühüss!“ bestanden. Für den Miezmann war das anfänglich auch nicht ganz einfach. Ich denke, manchmal hat er auch gedacht, den Jungs wäre seine Abwesenheit egal. Ich sehe und erlebe aber jeden Tag, dass es anders ist.

Das Löwenmäulchen redet im Kindergarten ohne Punkt und Komma vom Papa. So als wäre ich gar nicht da. Der Papa ist in Nofa! Der Papa war mit ihm beim Dotta, als er Aua-Ohr hatte. Der Papa hat den Ohtannebaum zersägt. Papa fährt in Nofa immer mit dem Faaaraad! Papa ist sein Held! Und wenn der Papa dann anruft, dann fragt er ihn zuerst, wie es ihm geht („Papa, geht’s Dir?“) und erzählt ihm dann, was er alles gegessen hat („Nuuudäln. Wassa dunkn. Ledaworstbrot!“).

Der Quietschbeu will immer wieder und wieder Papas Bett sehen. Das falsche Bett. Da wir meistens Video-Chatten, hat der Papa dem Quietschbeu dann das Laptop durch sein ganzes Apartment getragen und ihm jeden erreichbaren Winkel gezeigt. Aber das reicht dem Großen noch nicht. Er plant den Papa zu besuchen. Dann darf er mit in seinem Bett schlafen und besucht mit ihm gemeinsam den Zoo. So planen sie das.

Manchmal fühlt sich mein Freund, mein Partner, mein Mann so unfassbar weit weg an. Abends, wenn ich alleine auf dem Sofa sitze. Der kleine Gedanken- und Meinungsaustausch fällt weg. Unsere Gespräche reduzieren sich auf die wichtigen Dinge des Tages, weil man nicht stundenlang telefonieren kann. Weil es weniger spontan ist. Weil ich nicht vom Klo runter rufen kann: „Sag mal, hast Du das auch gelesen?“

Manchmal fühlt es sich an, an sei er eben einfach nur auf der Arbeit. Ich rufe ihn zwischendurch an, erzähle an sich unwichtiges Zeug, einfach weil ich es gerade in dem Moment loswerden möchte. Er ist nicht nur mein Mann, sondern auch mein allerbester Freund.

Die ersten Wochen als Wochenendfamilie waren hart. Die Wochenenden noch mehr. Er fand nicht so recht nahtlos in seinen Platz in der Familie, den ich den unter der Woche ja irgendwie mit ausfüllen muss und es mir wiederum schwer fällt, am Wochenende davon zurück zu treten. Wir hatten Konflikte, Unzufriedenheit auf beiden Seiten und dazu 2 völlig irritierte und orientierungslose Kinder, die nicht so recht verstanden, was da gerade mit unserer Familie passierte. Mal war der Papa da, wie an Weihnachten, dann wieder weg.

Inzwischen, nach einem ersten viertel Jahr, scheinen wir alle unseren Frieden mit der neuen Situation gefunden zu haben. Die Kinder und ich haben neue Rituale gefunden, mit denen wir uns die Woche verkürzen. Weil ihnen die Wochentage und Zeitangaben generell eher fremd und nicht greifbar sind, habe ich nach und nach Dinge eingeführt, die es an einem bestimmten Tag gibt. Montags gehen wir in der Regel, wenn keiner krank ist, nachmittags Turnen. Dienstags fahren wir nach dem Kindergarten einen Milchshake trinken. Mittwochs essen wir gemeinsam Choco-Cookies oder Kuchen, wenn die Jungs heimkommen. Donnerstage nutzen wir meist für Ausflüge oder Besuche. Freitags kommt der Papa schon wieder.

Der Miezmann und ich haben viel geredet. Über die neue Situation, über die Zukunft, über uns als Eltern und uns als Paar. Als Mann und als Frau. Wir sind uns emotional sehr nah. Immer noch. Niemand hat gesagt oder geglaubt, dass wir das mit links wegstecken. Nicht wir Erwachsenen und nicht die Kinder. Aber wir sind eine Familie. Wir bleiben eine Familie. Wir lieben uns alle sehr. Wir finden unseren Weg.

Danke für all Eure guten Gedanken und Euer Mitgefühl. Es geht uns gut. 

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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18 Gedanken zu „„Wann kommt der Papa wieder?“

  1. Ich stell mir diese Wochenendbeziehung unendlich schwer vor, vor allem da das ganze Familienleben mit 3 Kids dran hängt. Respekt, aber ich kann das definitv nicht. Ich wünsche weiterhin starke Nerven…. :-)

  2. Ah, wenn ich das so lese kommen all die Sachen wieder hoch aus unserer jahrelangen Wochenendbeziehung. Meine Hochachtung für alle Familien, die das so meistern. Und die Kinder die das mit tragen. Hast du schön zusammengeschrieben udn auf den Punkt gebracht.

  3. Hallo…
    also ich bin noch ganz „frisch“ auf deiner Seite und versuche mich nach und nach hier durchzulesen. Zumindest immer dann wenn mein Sohnemann mich lässt^^

    Ich wollte hier auch einfach mal DANKE sagen…

    Gerade dieses Thema „Wann kommt Papa wieder?“ berührt mich sehr sehr doll. Mein Mann ist leider auch seit nun drei Jahren wöchentlich in ganz Deutschland unterwegs… unser Kleiner Mann wächst (leider) so auf und je älter er wird und immer mehr wahrnimmt umso mehr bemerke ich an seinem Verhalten, das auch ihn sein Papa doll fehlt!

    So traurig deinen Worte an manchen Stellen in den Text sind, umso schöner ist es zu hören, dass ihr (Beide!) Trotz dieser schwierigen Situation als Paar zusammenhaltet.

    Ich wünsche euch weiterhin vieeeeel Kraft, Nerven und Liebe

  4. Ach, welch‘ schöner Text… Ich bin unter ähnlichen Umständen aufgewachsen. Mein Vater fuhr fast 50 Jahre zur See. Entweder war er monatelang nicht daheim, oder über Wochen zu Hause. Als ich klein war, gab es nur Kommunikation über Postkarten. Denn Telefone gab es in der DDR nur im begrenzten Umfang. Und doch habe ich meinen Vater, trotz des Vermissens, nie wirklich als fehlend empfunden, denn wenn er daheim war, hat er die Zeit mit uns intensiv genutzt. Mehr als so mancher „Regelvater“. Und so schon es ja auch mit dem Mr. Miez so zu sein. Und das macht mich froh…

  5. Ach je.. ich lebe momentan, nach 3 Jahren zusammen wohnen, in einer Fernbeziehung und das ist für mich schon schwer genug. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie schwierig es ist, wenn man noch Kinder hat, denen man die neue Situation beibringen muss – und zusätzlich muss man ja selbst noch damit fertig werden.
    Du hast es mal wieder sehr schön und passend beschrieben, und ich hab keinen Zweifel, dass ihr das packt und weiterhin eine tolle Familie bleibt :)

  6. Wow, genauso muss das sein..man wächst mit seinen Aufgaben :-) denn alles Schlechte hat auch immer etwas Gutes…ich freue mich sehr für euch, dass ihr einen guten Rhythmus in dieser nicht ganz einfachen Situation gefunden habt..liebe Grüße von mir und meiner kleinen Tochter (10 Wochen)

  7. Ach Mensch, dass ist echt doof und macht das Herz schwer! Ich verstehe so gut …

    Ich war ja die ersten anderthalb Lebensjahre des Mupfels auch mit ihm alleine, bis auf die Wochenenden (oft auch nur alle 14 Tage) und das größte Problem war für uns tatsächlich, dass wir beide so sehr unterschiedliche Erwartungen an unser Wochenende hatten. Aber irgendwann hatten wir den Dreh raus ?! Aber frage nicht, wie viele unschöne und schmerzhafte Stunden für uns beide dazwischen lagen.

    Ich bin mir sicher, ihr findet euren Weg …. ihr seit so tolle Menschen, beide, und so ein tolle Familie .. da geht das gar nicht anders!! Wünsche euch von Herzen alles gut dafür ?!!!

  8. keine leichte situation aber umso schöner zu lesen, dass ihr euch mit der situation arrangiert habt. ich meine partnerschaft mit kind ist schon eine heftige umstellung. 3 kinder erst recht. und dann noch wochenendfamilie… ihr seid so tapfer! das muss mal gesagt sein.

  9. Liebe Frau Miez.
    Toll geschrieben (wie immer, möchte ich hier mal anmerken).
    Sitze hier mit Tränchen in den Augen (und das passiert mir nicht oft…
    Viele Grüße, lajulitschka

  10. Ja, super macht ihr das! Ich kenne das Gefühl, wenn der Partner (und jetzt auch Papa) weg ist auch, nämlich dann wenn er auf Montage muss und das manchmal wochenlang.

    Man versucht die Wochenenden dann so gut es eben geht voll auszukosten, aber dann ist auch schon wieder Sonntag… so schnell. Eben war doch noch Freitag…

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