Sowas wie streng (therapeutisches Bloggen).

Nach meinem letzten Blogbeitrag über den Quietschbeu fragte mich eine Leserin berechtigterweise, was ich denn als streng empfinden würde. Natürlich ist ein Begriff wie „streng“ reine Interpretationssache. Für mich bedeutet es, dass ich die hier vorherrschenden Regeln klar artikuliere, im  Zweifel noch mal mit anderen Worten erkläre und auf deren Einhaltung bestehe.

Streng ist für mich das Einfordern von Regeleinhaltungen, die nicht Lebensnotwendig, aber für ein harmonisches und rücksichtsvolles Miteinander wichtig sind.

Praxisbeispiel: wir haben klare Regeln beim Essen, auf die ich großen Wert lege. Wir zappeln nicht am Esstisch rum, wir spielen nicht mit Gabel, Messer, Löffel und wir legen kein Essen auf den Tisch (außer man ist das Meedchen, dann bekommt man erst gar keinen Teller). Außerdem fassen wir unseren Sitznachbarn nicht ständig an. Diese Regel ist ganz besonders für den Quietschbeu sehr hart, der ständig seinem Sitznachbarn, meist der Papa, im Gesicht oder am Ärmel rumfummeln muss. Das Phänomen nennt sich Eßschmuser und auch ich habe das sehr lange zwanghaft praktiziert.

Der Quietschbeu und ich sind Genussmenschen. Besonders genießen können wir eben gutes Essen und generell die Situation gemeinsam am Tisch zu sitzen. Wenn wir uns wohlfühlen, beginnen wir das auf unterschiedlichste Art und Weise auszudrücken. Ich summe zum Beispiel, wenn es mir besonders gut schmeckt. Und der Quietschbeu muss dann ständig streicheln. Dass Letzteres mit Essensverschmierten Händen nicht so der Knaller ist, versteht sich von selbst. Er kann dennoch ganz oft nicht aus seiner Haut und dann muss man ihn eben diese Regel erinnern.

Schlimmer ist das Gezappel. Ich ertrage einfach kein Gezappel am Tisch. Außerdem essen wir mit geschlossenem Mund und zeigen uns nicht gegenseitig den Inhalt unserer Münder. Wir matschen nicht mit/im Essen und wir machen den Mund leer bevor wir trinken.

Die Essen/Trinken-Regel resultiert aus einer meiner sehr frühen Kindheitserinnerung. Ich war mit einem Jungen im Kindergarten, der immer von seinem Brot abbiss, dann einen Schluck trank und beides gemeinsam im Mund zermatschte. Das hat mich schon als Kleinkind total angeekelt.

Als ich Kind war gab es zu Hause die Regel, dass beim Essen gar nicht getrunken wird. Weil man sich damit angeblich den Hunger wegtrinkt. Davon halte ich gar nichts. Wir trinken zum Essen ohnehin nur Wasser, außer zu besonderen Anlässen, und mit Wasser hat sich hier noch niemand den Appetit weggetrunken.

Nachtisch wird bei uns proportional zur gegessenen Essenmenge serviert. Wer zwei volle Teller leer isst, der kann auch eine große Portion Nachtisch haben. Wer hingegen nur ein bisschen im Essen herum piekt, der bekommt nur einen kleinen Nachtisch. Das finde ich deutlich besser, als diese „wenn Du nicht aufisst gibt es gar keinen Nachtisch!“-Regel.

Die Kinder dürfen Bestandteile ihres Essens, wenn sie diese denn nicht mögen, aus dem Essen puhlen.  Dazu gibt es zwei Regeln: sie müssen das erstens selber tun und zweitens das Rausgepuhlte an den Tellerrand schieben und nicht über den ganzen Tisch verteilen. Der Quietschbeu mag zum Beispiel ums Verrecken keine Pilze. Da fragt er mich dann vorher schon, ob ich seine Pilze haben möchte. Das ist dann okay. Das Löwenmäulchen ist kein großer Fleischfan. Das schiebt er dann an den Tellerrand und löffelt drum herum. Auch kein Problem.

In der schlimmsten Trotzphase hat das Löwenmäulchen das Essen auch schon mal ganz verweigert. Dann musste er leider ohne Essen ins Bett. Bevor Sie nun zischend Luft holen: kein Kind verhungert willentlich. Wenn er wirklich Hunger gehabt hätte, hätte er gegessen. Natürlich handhabe ich das nur so, wenn ich weiß, dass ein Gericht normalerweise gemocht wird. Kochen wir etwas „Neues“, dann akzeptiere ich auch ein „Das smekt nis!“ und kann eine Alternative (meist Obst) anbieten.

Ich bin also streng, was das Einhalten dieser und anderer Regeln angeht. Demzufolge gibt es auch Konsequenzen, wenn sich jemand nachhaltig nicht an die Regeln halten will. Zum Beispiel wird dann das Sandmännchen gestrichen. Wenn die Jungs nach dem abendlichen Spielen nicht zur Ruhe kommen und im Bett immer weiter aufdrehen, dann fällt auch schon mal das Vorlesen aus, aber das ist eher selten.

Auch haben wir die Regel, dass sie in ihrem Spielzimmer toben und laut sein dürfen, so lange das Miezmeedchen noch nicht schläft. Wenn es mir also im Wohnzimmer zu wild wird, dann schicke ich sie in ihr Zimmer zum Spielen. Leider ist es für den Quietschbeu aber immer noch sehr schwer, sein Spielzimmer als solches zu betrachten. Ich weiß nicht genau woran es liegt, aber tatsächlich ist das wirklich schöne Zimmer nur abends, wenn ich mit oben bin, eine adäquate Alternative zum Wohnzimmer. Er ist daher immer ganz verwundert, wenn Besuchskinder ihn nach seinem Zimmer fragen. Für ihn ist das Wohnzimmer sein Lebensmittelpunkt. Das kann man auch ganz wunderbar an einem Bild erkennen, das er jüngst malte. Oben links hat er das gemeinsame Schlafzimmer gemalt, oben rechts das Schlafzimmer von Mama, Papa und dem Meedchen und der Rest des Bildes ist unser Wohnzimmer.

Eine weitere Regel: wenn Du Hilfe brauchst/möchtest: bitte darum. Ich akzeptiere kein „Ich kann das nicht!“-Gejammere, wenn man nur um Hilfe bitten müsste. Also ignoriere ich diese Theater, auch wenn dann Jacken und Schuhe fliegen oder sich zu guter Letzt theatralisch auf den Boden geworfen wird. Die Jungs wissen sehr gut, dass ich ihnen immer helfen werde, wenn sie mich darum bitten. Und wenn etwas nicht klappt, dann machen wir das eben gemeinsam. Ich bin in diesem Punkt so hartnäckig, weil ich erreichen möchte, dass meine Kinder selbstständig und ohne Furcht um Hilfe bitten, wenn sie welche benötigen. Denn auch das muss man erst lernen.

Wieso ich mich manchmal frage, ob ich dem Quietschbeu gegenüber zu streng bin? Weil er zuhause ein sehr wildes und lautes Kind ist, dafür im Kindergarten aber angepasst und ruhig. Es stört mich nicht, dass er ist, wie er ist … aber ich muss dennoch für uns alle als Familie einen Weg finden, damit wir gemeinsam und harmonisch miteinander auskommen. Daher klare Ansagen, wie: „Du darfst laut und wild sein, dann aber bitte in Deinem Zimmer.“, „Du kannst oder willst das nicht alleine machen, dann bitte jemanden um Hilfe.“

Wir haben natürlich noch weitere Alltagsregeln, die aber eigentlich nie wirklich streng verfolgt werden müssen, weil die Jungs sich daran halten.

Wenn ich koche wird in der (offenen) Küche nicht gespielt.
Wer ein Spielzeug zuerst hatte, muss es nicht abgeben oder teilen.
Die Schlafzimmertür bleibt nur dann einen Spalt auf, wenn sie nicht mehr Rumlärmen (Unterhalten ist in Ordnung).

Wenn ich so drüber nachdenke: so viele Regeln haben wir hier eigentlich gar nichts. Zumindest fallen mir gerade keine Großartigen ein. Aber auf die wenigen Regeln, die hier herrschen, lege ich großen wert. Bezugnehmend auf meinen letzten Post und den Eingangssatz, ob ich zum Quietschbeu manchmal wohl zu streng wäre, möchte ich noch hinzufügen: er ist ein besonderer kleiner Kerl. Sehr empfindsam, sensibel und emotional. Er reagiert stark auf Ermahnungen oder Rügen und eben das, seine Reaktionen, haben mich zu dieser Frage gebracht.

Manchmal ist Bloggen also doch sowas wie eine Therapie. Heute habe ich beim Schreiben gelernt, dass ich nicht wirklich zu streng bin, sondern nur, dass mein Kind anders reagiert, als ich es für angemessen erachten würde. Aber das ist wieder ein anderes, sehr umfangreiches Thema für einen anderen Blogbeitrag.

Heute also nur wirres Zeug ohne wirkliche Struktur. Aber immerhin Erkenntnisreich für mich. Danke fürs Lesen.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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14 Gedanken zu „Sowas wie streng (therapeutisches Bloggen).

  1. Dass der QB im Kindergarten nicht so ist, wie zuhause ist glaube ich normal.
    Ich selbst habe im Kindergarten nie mit einer der Erzieherin geredet war zuhause aber immer laut und aufgedreht. Das lag daran, dass ich sehr schüchtern war und mich zuhause einfach am wohlsten gefühlt habe und da ich selbst sein konnte.
    Das phänomen konnte ich oft auch auf der Arbeit beobachten, wo die liebsten Kinder zuhause kleine Teufel sind und die Kinder, die immer nur frech und laut sind und sich an keine Regel halten können, sind zuhause die liebsten Kinder, die man sich vorstellen kann.
    Das mit dem QB ist also nicht wirklich Grund zur Sorge, finde ich.

  2. Liebe Mama Miez!

    Nein, das ist nicht zu streng. Das sind einfach „Verhaltensregeln“, auf die man in den letzten ca 15 Jahren schlicht gesagt – keinen Wert – mehr gelegt hat.

    Ich bin selbst leider keine Mama. Aber ich sage immer, wenn ich eine Mama werden würde, dann wäre ich sicher eine Rabenmutter.

    Meine Kinder sitzen ordentlich am Tisch beim Essen.

    Ich finde Kinder brauchen einen geregelten Tagesablauf. Natürlich gibt es immer Tage, an denen das nicht genau klappt. Aber ein Grundgerüst brauchen sie.

    Sie lernen es ja auch in Krippen, KiGa´s und Schule …

    Also noch einmal – NEIN – das empfinde ich nicht als streng.

    Meine Kinder gehen ins Bett, wenn ICH der Meinung bin, das SIE müde sind / oder es Zeit ist.

    Meine Kinder lernen das ein NEIN ein NEIN ist. Es sei denn, sie haben ein gewisses Alter um eine Diskussion zu starten und mir erklären können, warum sie ein JA haben wollen.

    Natürlich klappt das nicht immer, aber Regeln müssen ja auch gelernt werden.

    Ich hasse es immer wieder, wenn Kinder von Verwandten, Freunden oder Bekannten mit schmierigen Händen und Lebensmitteln in der Wohnung rumsausen und alles vollschmieren. Lebensmittel sind nicht zum Spielen da. Punkt!

    So lernen Kinder nebenbei auch mal konzentriert sitzen zu bleiben.

    Natürlich kann man vom Tisch aufstehen, wenn man der Meinung ist, satt zu sein. Dann ist man aber auch SATT.

  3. Ach, und das der QB zu Hause aufdreht, aber im KiGa „artig“ ist, ist doch klasse. Würde mir ehr Sorgen machen, wenn es anders rum wäre.

    Das zeigt mir zb., das der kleine grosse Mann bereits „gelernt“ hat, wie man sich wo anders zu benehmen hat. Und gelernt hat, sich an die dort geltenen Regeln zu halten.

    Es erleichtert den Kindern doch das erwachsen werden, wenn sie früh anfangen, Regeln zu lernen.

  4. Das mit dem Lebensmittelpunkt im Wohnzimmer kenne ich auch sehr gut. Liegt bei uns aber daran, das mein 6-jähriger ein bisheriges (gibts das Wort?) Einzelkind ist. Ich mochte es damals gar nicht wenn er ganz alleine nach oben in sein Zimmer „muss“. Deshalb haben wir eine grosse Legoecke ins Wohnzimmer verlegt und kann selbst entscheiden, wo er spielen möchte. Mittlerweile geht er auch gerne mal für eine Stunde in sein Zimmer und bastelt „Jungssachen“ aber auch auch gern mit seinem Papa wenn der Abends von der Arbeit kommt in der WohnzimmerLegoEcke….

  5. Ich finde deine Regeln sehr gut. So gut, dass ich vermutlich welche übernehme, wenn bei uns die „Regelzeit“ gekommen ist. Sie sind schön formuliert und definitiv nicht zu streng. Die Miezkinder haben auf jeden Fall noch ausreichend Spielraum, um selbst entscheiden zu können und sich individuell zu entwickeln. Du hast tolle Ansichten und ich bewundere deine Ruhe und Gelassenheit. Wir haben aktuell ein kleines „Monster“ – der Wunsch sind 3 – ich hoffe sehr, dass nach dem 2. Kind dieser Wunsch weiterhin existiert. Dein Blog gibt mir viel Mut und ich nehme viel von deinen Erfahrungen mit.
    DANKE dafür!

  6. Den Artikel kann ich dem Großen dann mal zum Lesen geben, wenn er dann lesen und verstehen kann, was er liest. Denn er findet, dass wir fürchterbar streng sind beim Essen, tatsächlich verlangen,
    dass die Füße und die Knie!!!! unter Tischplattenniveau bleiben,
    dass er mit Messer und Gabel isst,
    dass er die Finger aus dem Essen , die Ellenbogen vom Tisch, die Hände auf dem Tisch und nicht in der Hose lässt,
    dass er am Tisch sitzt, nicht dort liegt oder steht,
    dass er das was er nicht mag, auf seinem Teller lässt und nicht an mich oder den werten Gatten verteilt, nachdem er es ordentlich in der Kur hatte,
    dass er den Mund beim Kauen schließt ( was schwierig für ihn ist, da er durch die Nase nur schwer Luft bekommt),
    dass wir nicht hören möchte, wie er schmatzt und auch nicht, wie er trinkt,
    dass es nur Nachtisch gibt, wenn man auch etwas gegessen hat, +
    dass kein Essen BÄÄÄÄÄ ist, sondern dass es einem nicht schmeckt und man bitte ein Brot haben möchte…
    dass es genug für alle gibt und mann nicht stapeln muss um nicht zu kurz zu kommen – und dann 2/3 liegen lässt
    dass man das Glas hinter den Teller stellt, da es sonst vom Tisch fliegt

    Und beim Kleinen… der isst konsequent im Stehen, wenn man ihn nicht darauf hinweist und arbeitet am Gebrauch von Messer und Gabel ( ungefähr auf dem Niveau vom Großen)

    Und auch bei uns ist das Wohnzimmer Spielzimmer Nr. 1 wobei sich der Große inzwischen hin und wieder zurückzieht, denn das Kinderzimmer hat einen Knauf, so dass das Kamikazekind nicht hinterher kann, wenn man komplizierte Legokonstrukte bauen möchte. Der Knauf stammt noch aus der Katzenära, die es liebte, nachts in die Kinderbetten zu ziehen und der Große Panik vor ihr hatte. Da hat der Große darum gebeten, ihn dort zu lassen, damit er umgestört sein kann.

  7. Die Regeln gibt es hier auch, manche etwas angepasst, aber eben ähnlich. Ich brauche dies auch im Alltag als Tagesmutter, sonst werde ich ja verrückt. ;)
    Was ich übernehmen werde ist die Nachtischsregel, die ist klasse.
    Danke dafür.
    Ansonsten bin ich der Meinung Kinder brauchen Regeln und Konsequenzen um später als Erwachsene gut durchs Leben zu kommen. Das man die regeln ein Stückweit anpasst ist gut und richtig, aber dann gibt es allgemeine Regeln, wo eben nicht diskutiert werden kann, weil sonst die Gemeinschaft leidet.
    Je früher man mit den Kindern anfängt Regeln zu *üben* um so leichter lassen sie sich umsetzten
    Herzliche Grüße
    Stephanie

  8. Liebe Mama Miez !

    Ich finde das was Sie geschrieben haben, weder wirr noch irgend etwas anderes. Bin immer forh solche Sachen zu lesen.
    Danke !!!

    Gruß Anja

    P.S.: Ich bewundere Ihre Geduld.

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