Meedchen, Meedchen

Houston, wir haben ein Problem. Eigentlich freuen wir uns alle überschwänglich über das tolle Wetter. Allen voran die Jungs, die jetzt von morgens bis abends draußen sein können. Leider hat sich das Miezmeedchen aber passend zum guten Wetter eine ausgeprägte Panik vor allen fliegenden Insekten, besonders Fliegen, zugelegt. Vor Hunden, Katzen und Vögeln hat sie ja schon länger schreckliche Angst, die sich durch hysterischem Geschrei äußert. Neu ist nun also die Panik vor Fliegen, die sich einfach auf ihren Teller setzen oder um sie herum fliegen. Frühstücken ist momentan eine wahre Herausforderung. Am liebsten würde sie sofort in mich rein kriechen . Das macht generell den ganzen Alltag im Moment eher schwierig.

Es gab keinen eindeutigen Auslöser. Weder für die Angst vor größeren Tieren, noch für die vor fliegenden Insekten. Aber den gab es auch nicht bei ihrer hysterischen Abneigung gegen nasse Hände, feuchtes Gesicht, fremde Menschen oder das barfuß Laufen. Unterm Strich kann ich sagen: das kommt mir alles sehr bekannt vor, auch wenn es noch recht früh ist, irgendwelche Diagnosen zu stellen. Aber ich bin aufmerksamer, verstehe viele Dinger besser und habe eine ganz andere Ruhe, um mit diesen extremen Reaktionen umzugehen.

Das sind ja auch nur die Ängste, die sie äußert. Ihr krampfhaftes Festhalten an Ritualen und Abläufen, das pingelige Verteilen von Besitztümern und das starke Eingehen auf emotionale Ausbrüche ihrer Mitmenschen erinnert mich auch sehr an das Frühkindliche Quietschbeuverhalten. 

Erstaunlich nur, wie die Umwelt auf ihr Verhalten reagiert. Beim Quietschbeu durfte ich mir häufig anhören, der würde sicher mal schwul, weil er so empfindlich wäre. Beim Meedchen durfte ich mir bereits anhören, sie sei eine hysterische Zicke und würde uns später nur auf der Nase rum tanzen. Hallo, liebe Gesellschaft, [insert verächtliches Schnauben here] what’s wrong with you?

Aber wahrscheinlich sollte ich mich, in einer Zeit in der Menschen das Wort hypersensibel als Schimpfwort benutzen, einfach gar nicht mehr wunder und es bei der Erziehung meiner Kinder einfach besser machen.

Das Meedchen ist jedenfalls ein ganz wundervolles Geschöpf, das durch intensive Beobachtung ihrer Umwelt uns immer wieder mit neuen Fertigkeiten überrascht, von denen wir noch 5 Minuten zuvor dachten, dass sie das (noch) nicht könnte. Und sie ist wahnsinnig ehrgeizig. Sich selber an- oder ausziehen ist ganz wichtig. Bloß keine Hilfe annehmen. Oft will sie Gabel und Messer haben und säbelt dann lange, sehr lange, an ihrem Essen herum, bevor sie es dann mit der Gabel aufpiekst und  isst. Treppen läuft sie schon lange alleine hoch und runter. Oft mache ich kurz vor Ende ihres Mittagsschlafs die Schlafzimmertür auf, so dass sie alleine aufstehen und zu uns runter kommen kann, wenn sie wach wird. Ihre Stimmlage kann sie von ganz tief bis sehr hoch variieren, genauso wie das Löwenmäulchen und ich. Das ist sehr lustig. 

Sie ist bezaubernd. Mit all ihren Kanten und Macken. Vielleicht auch gerade deshalb.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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21 Gedanken zu „Meedchen, Meedchen

  1. Ich war und bin auch ein hoch sensibler Mensch mit einem starken karakter ;) und das ist gut so ;) ich hatte nur nicht das Glück so eine tolle Mama zu haben wie du es bist !
    Das Meedchen wird ihren Weg finden mit denn Tieren aller Art umzugehen ;) ganz bestimmt da bin ich mir sicher .
    Und was die Gesellschaft mault * druff gesch**ssen !

  2. Unsere älteste Tochter (11Jahre) ist auch hochsensibel. Und die Angst vor Dingen (die für andere normal sind) kennen wir gut!
    Mücken, Wespen, Rolltreppen, Aufzüge, viele Menschen, Angst vor Höhe, Schmutz an den Händen und Füssen, Entscheidungen, neue Situationen, Angst zuversagen…..
    Alles Dinge die in der Gesellschaft als bekloppt abgetan werden!
    Wir haben gelernt, dass sie toll ist, wie sie ist! Niemand in meiner Umgebung merkt so schnell, wenn etwas nicht ok ist mit mir. Niemand den ich kenn kann sich so sehr in andere Menschen hinein fühlen!
    Oft gibt es Situationen, die aus dem Ruder laufen, weil ein Vogel zu nah geflogen kam oder die Stadt zu voll ist und sie sich nicht mehr auf das Wesetliche konzentrieren kann, sondern nur noch auf die Gespräche der Fremden…..
    Dann fahren wir eben nach Hause, wir verpassen nichts. Solange alle glücklich sind. Ich habe aufgehört sie „ändern“ zu wollen. Seit dem sind wir zufrieden und genießen unsere drei Kinder mit ihren ganz persönlichen Eigenschaften!

    Eine Therapeutin (die wir aufsuchten, nachdem sie immer wieder äußerte sie wolle sterben) hat uns ein Haustier empfohlen. Puh, obwohl sie Angst vor Tieren hatte, haben wir uns einen Hund angeschaut. Ihn kennen und lieben gelernt. Der Hund ist nun ihr bester Freund. Macht kaum unberechenbares und liebt bedingungslos….?
    Die Schulwahl war schwierig. Die Grundschule war ein Horrortripp mit Lehren die mehr in sich als in ihren Beruf verliebt waren.
    Nun geht sie auf eine Montessori Schule. Umgeben von Strucktur, tollen Lehrern und bezaubernden Freunden.
    Sie fährt alleine Bus. Hält Mückenstiche tapfer aus! Und wartet mit ihren „Wutausbrüchen“ bis sie in ihrer gewohnten Umgebung ist!
    Das war viel Arbeit und ein langer Weg mit vielen Tränen und Ängsten. Nun können wir unsere große verstehen!

    Liebe Mama Miez, Ihnen vielen Dank für die offene Art über unpopuläre Themen zuschreiben! Das macht Mut und öffnet hoffentlich auch manch uneinsichtigem die Augen!
    Viele Grüße,
    Katrin

    1. Hallo Kathrin, das ist mir wirklich ALLES sehr vertraut, was du schreibst. Meine Tochter ist erst 9 Jahre alt und ich verstehe sie leider erst seit einiger Zeit, seitdem ich das erste Mal von Hochsensibilität, bzw. Hochsensitivität gehört habe. Dein Kommentar macht mir wirklich Mut! Vor allem das Thema Schule ist ziemlich heikel. Werde mich auch nach einer geeigneten weiterführenden Schule umsehen müssen, auf einer „normalen“ Schule sehe ich sie nicht. Gruß Sandra

      1. Hallo Sandra!

        Sie besucht eine ganz normale Regelschule (Gesamtschule) mit einem MontessoriKonzept.
        Vielleicht habt Ihr Glück auch solch eine Schule zu finden!
        Aus welcher Gegend kommt Ihr? Viele Grüße, Katrin

  3. Angst vor Fliegen hatte unser Großer auch. Eines Tages dann mit fast zwei hatte er dann das aha Erlebnis welches sich in folgenden Monolog äußerte:
    „Fliege!!!! Angst!!!!! Oh weg fliegt! Du alter Schisser!“
    Da hat er dann gemerkt das die Fliege mehr Angst hat als er. Es ist halt eine urangst mit den Gefahren von oben.

  4. Einen schönen guten Morgen,

    das kommt mir alles sehr bekannt vor. Mein Rabauke hat uns letztes Jahr im Sommerurlaub einige böse Blicke unserer Mitmenschen eingehandelt, als er im edelsten Restaurant des Ortes die Eingebung bekam, Fliegen seien das Böse. Er schrie und schrie und kreischte. Die kleine Schnecke lachte, lachte und lachte….
    Das Meedchen und mein Schneckchen sind nur wenige Wochen auseinander. Ich bin gespannt, wie es bei ihr weitergeht. Jeder Entwicklungsschub zaubert mir einen neuen erstaunten Blick ins Gesicht. Selbermachen ist gaaaanz weit oben, ebenso Klettern und Anziehen. Ängste gibt es NOCH nicht….es bleibt abzuwarten. ;-)
    Grüße aus dem Ruhrpott
    Sabrina

  5. Also ich hab hier auch so ein Meedchen, dass prinzipiell erstmal Angst vor allem und jedem hat, allerdings ohne panisches Schreien. Sie sagt dann nur „Mama Aaaam“. An hypersensibel hab ich dabei noch nie gedacht. Aber ausser drauf einzugehen, kann man ja eh nicht viel machen.
    Über so Aussagen einfach nicht weiter nachdenken, das ist verschwendete Zeit. Aber ich ärgere mich auch ganz oft noch drüber. Ich muss mir auch ganz viel anhören, weil mein Kind nicht so „zutraulich“ ist, ich noch stille, sie ganz viel Nähe braucht. Ist nicht immer einfach die Meinung der anderen auszublenden, aber als Mutter kennt man sein Kind am besten und weiss sehr gut, was sie brauchen und was nicht.

  6. Auch bei meiner Maus entdecke ich ganz ähnliches: Angst vor Flugviechern, Waschzwang, alles selber machen und vieles auch schon können. Außerdem braucht sie es zur Beruhigung, mich am Dekolleté zu krätzeln und zwar nicht nur beim Stillen…

  7. Allein wenn ich das lese: „wird bestimmt mal schwul“ bzw. „ist eine hysterische Zicke“ könnte ich schon wieder ausrasten!
    Man sollte doch meinen, dass im Jahre 2014 die Menschen langsam endlich von dieser Denkweise fortkommen. Schrecklich!

  8. Darf ich eine Offtopic-Frage stellen? Darüber hab ich mir seit dem „Nachahmung“-Post und dem, dass manche Leser ständig Schleichwerbung vermuten, Gedanken gemacht: Ist das eigentlich irgendwie rechtlich geregelt, mit der Schleichwerbung in Blogs?
    Wenn man jetzt mal ganz hypothetisch annimmt, dass in einem Blog ständig Empfehlungen und Shopping-Tipps stehen, den LeserInnen aber nie klar gemacht wird, dass damit auch einfach Geld verdient wird – ist das einfach so erlaubt, im Gegensatz zu anderen Medien?
    (Ich dachte mir, ich frage das jetzt mal unter den aktuellen Blogeintrag, aber ist ok, wenn es nicht freigeschalten wird. Vielleicht können Sie ja mal was dazu schreiben, ich denke, das ist für viele Blogleser interessant.)

      1. Ah ich hab vergessen, dazu zu schreiben, dass ich die Frage ganz dezidiert NICHT auf Ihren Blog beziehe! Hier hab ich immer das Gefühl, dass alles klar gekennzeichnet ist. Mich hätte da nur Ihre Antwort als „Blog-Profi“ generell interessiert, aber wenn es gar keine rechtliche Regelung gibt, ist das ja hinfällig. Danke für die Antwort!

  9. Huhuuu,

    Da du dich ja schon mit der Materie befasst hast kann es sein das ihr das schon macht… Ich werf ma trotzdem in den Raum… Kennst du Ergotherapie?
    Ich mach sowas.. Also beruflich.. Lol… Das macht Kindern soooo spass und kann helfen solche Hypersensibelchen etwas zu entspannen.
    Falls nich frach mich nochma…
    Lg Kenny

  10. Sollte zu mir mal jemand sagen: „Der wird bestimmt mal schwul.“ werde ich gelassen antworten: „Und dann bekomme ich bestimmt einen bezaubernden Schwiegersohn!“. Schwul ist doch nicht schlimm *grrrr*.

  11. Wenn mir jemand zu meinen sensiblen, intelligenten Söhnen gesagt hätte, sie seien schwul, da hätte ich böse zurückgeschossen.
    Lieber „Schwul“ als ignorant und dumm!
    Ich habe eine guten Freund der schwul ist, der hat sich das so wenig ausgesucht wie ich mir meine „normale“ Sexualität.
    Unsere jungen Erwachsenen wussten immer, das Partner jedes Geschlechtes willkommen sind!
    Die Kinder von so Leuten tun mir echt leid!

  12. Ich lese diesen Blog schon eine Weile gerne mit, ist quasi meine abendliche Bettlektüre geworden :-)
    Mich würde interessieren, wie ihr mit der Angst vor Tieren im Alltag umgeht? Versucht ihr schon, aktiv zu zeigen, dass (die meisten) Tiere harmlos sind? Oder nehmt ihr sie aus den Situationen und vertraut darauf, dass sich das mit dem Alter legt?
    Ich überlege nämlich gerade, wie ich das handhaben würde, wenn mein Kind so eine Panik vor allen Tieren hätte… Ich kenne das halt gar nicht, Angst vor Tieren zu haben.

    1. Ich weiß ja nicht inwieweit das Meedchen ihre Angst schon formulieren kann ich vermute mal nicht sonst könnte man dem ja auf den Grund gehen.
      Ich kann mich aber noch sehr gut erinnern wie ich auf Hunde und anderes Getier reagiert habe. Ich hatte große Angst, habe immer gesagt ich habe Angst wollte auf den Arm, habe geheult und geschrien. Tatsächlich habe ich aber keine Angst vor Hunden oder anderen Tieren, ich kann es nur nicht ausstehen abgeleckt zu werden. Da werde ich panisch muss mich dann sofort waschen. Das habe ich jetzt noch aber ich weiß es und wenn jemand seinen Hund von mir soweit fernhält dass das Maul nicht an mich rankommt gehts mir gut. Meine eigenen Katzen dürfen mich auch nicht ablecken…
      Was ich eigentlich sagen will, vielleicht ist es nichtmal eine Angst vor Tieren sondern was anderes was nur all diese Tiere gemeinsam haben. Bei mir hat auch das ganze hab keine Angst vor dem Hund nix geholfen, weil wie ich jetzt weiß hatte ich nie Angst vor Tieren, sondern nur vor deren Speichel.

  13. Ein Schüler aus der Klasse meiner Tochter (3. Klasse) meinte heute zu mir, M. sei doch ein kleines bißchen behindert…Für mich kommen solche Aussagen ganz klar von den Eltern und es sind genau die, die unsere Familie kein bißchen kennen.
    Ich habe durch die Hochsenibilität unserer beiden Töchter viel gelernt, vor allem aber, daß man ganz genau gucken muß, mit wem man sich abgibt. Für mich sind leider nicht viele übrig geblieben aber den Preis bezahl ich gern!

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