„Mama, ich bin kein Baby mehr!“

Heute Morgen hatte ich im Kindergarten das Entwicklungsgespräch über das Löwenmaul. Überraschenderweise gab es nichts Überraschendes.

Das Löwenmaul ist generell ein schlechter Esser. Egal bei welcher Mahlzeit. Er ist sehr beliebt, hat aber keine festen Freundschaften. Bei den älteren Kindern genießt er eine Art Welpenschutz, vermutlich auch auf Grund seiner geringen Körpergröße. Seine Feinmotorik könnte besser sein, so hält er zum Beispiel immer noch den Stift falsch, wodurch er weniger Druck ausüben kann und ihm das Zeichnen klare Formen noch schwer fällt. Dafür kann er sehr präzise einer Linie entlang Formen Ausschneiden.

Er hat eine große Beobachtungsgabe und ist eindeutig der visuelle Typ. So sitzt er lange Zeit vor seinem Frühstück und beobachtet andere Kinder und die Erzieher, ohne wirklich zu essen. Auch beobachtet er lieber eine Gruppe beim Spiel eines Brettspiels, als daran teilzunehmen. Oft braucht er noch die Teilnahme eines Erziehers, um bei Gesellschaftsspielen mitzuspielen, da er mit Auseinandersetzungen während eines Spiels nicht gut umgehen kann. Das Löwenmaul ist ein ruhiger, freundlicher Kerl, der sich auch mal zurück zieht und generell eher zu den leiseren Kindern gehört. Wenn er bockig ist, lässt man ihn besser in Ruhe. Er kommt dann von selber wieder zur Gruppe dazu und ist dann auch direkt wieder fröhlich und offen. Generell streitet er nicht gerne und ist auch kein Kind, dass Streit anzettelt.

Das Löwenmaul hat noch Schwierigkeiten im Erkennen/ mit dem Benennen der Farbe Grün. (Eine Rot-Grün-Schwäche hat er nicht. Das wurde bereits getestet.)

Sprachlich ist das Löwenmaul sehr weit und hat einen enorm großen Wortschatz (und fiel trotzdem wegen Totalverweigerung durch den Sprachsachstandstest). Er ist kognitiv sehr fit und erkennt Zusammenhänge selbstständig und schnell.Überhaupt ist er sehr selbstständig und möchte gerne alles alleine machen, kennt dabei aber seine Grenzen und bittet dann ganz selbstverständlich um Hilfe. Er hat einen klaren eigenen Willen und großes Durchsetzungsvermögen. Auch ist er nicht schüchtern und erklärt sich immer gerne bereit, bei Aufführungen mitzuwirken.

Unterm Strich ist er ein gut entwickeltes Kind auf den Stand seines Alters mit ein paar Stärken und ein paar Schwächen. Er gibt keinen Anlass zur Sorge und ist in die Gruppe vollständig integriert.

Alles in allem decken sich die Beobachtungen des Kindergartens mit meinen. 

loewenmaul

Was mir mal wieder bewusst wurde: er ist wirklich deutlich leiser, als zum Beispiel seine Geschwister. Beim Sprechen, Spielen und sogar Streiten. Mit dem Quietschbeu streitet er sehr gerne mal und ja, provoziert einen Streit auch. Wenn er keine Lust zum Spiele/Streiten hat, ignoriert er seinen Gegenüber einfach völlig. Sein Willen ist sehr stark und sofern er keine Gefahr für ihn oder jemand anderen besteht, lasse ich ihm oft seinen Willen. Am Dienstag ging er in kurzer Hose in den Kindergarten, obwohl es nicht sommerlich warm war. So hat er begriffen, dass es für eine kurze Hose noch zu kalt ist und zog Dienstagmorgen freiwillig eine lange an. 

Wenn ich etwas partout nicht möchte und verbiete – zum Beispiel Schokolade, wenn wir gleich Essen wollen – sage ich das einmal, erkläre kurz warum und lasse ihn dann schmollend in der Ecke, in die er sich verzieht, sitzen, bis er sich wieder einbekommen und meine Entscheidung akzeptiert hat. Der Quietshbeu braucht viel mehr Erklären, Wiederholen und Auffangen, als sein kleiner Bruder. Das Löwenmaul ist auch eher der Typ, der sich mit seinen Gefühlen alleine auseinandersetzt, statt diese zu benennen. Das macht es für uns als Eltern nicht immer einfach, aber im Groben und Ganzen können wir seine Körpersprache inzwischen ganz gut lesen.

Er ist ein ausgesprochener Kasper, der Menschen gerne in Mimik und Gestik nachahmt und schauspielert. Wenn er mir etwas mit den Worten „Wer ist das?“ vorführt, erkenne ich es in 9 von 10 Fällen sofort allein an der imitierten Mimik. Wie ich hier schon öfters schrieb, hat er einfach einen wahnsinnigen Charme, der die Menschen sofort fesselt und ihn in fremder Umgebung präsenter macht, als seinen großgewachsenen Bruder, ohne dass er dafür laut werden muss.

Langsam beginnt er seine Kleinwüchsigkeit als Besonderheit wahrzunehmen. So fällt ihm inzwischen selber auf, dass manche Menschen ihn für jünger halten, als er ist. Er hat auch Begriffen, dass das in vielen Fällen für ihn ein Vorteil sein kann („Ich kann das nicht ….!„, wenn er zu faul ist), leider aber auch zum Nachteil. So sorgte sich beim letzten Mutter-Kind-Turnen eine Mutter um das alleine über ein Hindernis kletternde Löwenmaul, weil sie ihn für deutlich jünger hielt, als er ist. Das Löwenmaul reagierte darauf sehr wütend und verletzt. „Mama, ich bin kein Baby mehr! Ich kann das auch alleine!“ Ich weiß das. Unsere/seine Freunde und seine Erzieher wissen das. Aber Fremde wissen das leider nicht und verletzten ihn daher manchmal mit freundlich gemeinten Kommentaren. „Oh, der Kleine fährt aber schon toll Laufrad!“ Da ist das Löwenmaul fast explodiert, hat das Laufrad in die Ecke geschmissen und krakelt, dass er „schon vier – VIER!!!“ wird. Ich erkläre ihm daher immer noch, dass jeder Superheld einen Makel hat, dass anders Sein nicht schlimmes ist und dass das Wichtigste ist, dass wir wissen, wer und wie er ist.

Ich bin dennoch gespannt wie sich das Thema für ihn entwickeln wird, wenn im neuen Kindergartenjahr die neuen 3-Jährigen in seine Gruppe kommen und er immer noch der körperlich Kleinste sein wird.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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12 Gedanken zu „„Mama, ich bin kein Baby mehr!“

  1. Du hast Deine Kids immer gut im Blick. Wie habt ihr das gemerkt mit der Kleinwüchsigkeit? Habt ihr Kleinwüchsigkeit in der Familie? Ich will nicht zu intim fragen, aber das Thema ist auch gerade bei meiner Tochter aufgeploppt…. LG Anna

    1. Bei seiner U7 wurde festgestellt, dass er deutlich unterhalb aller Wachstumskurven lag, woraufhin seine Mittelhandknochen geröntgt und vermessen wurden. Da keine Wachstumsstörung festgestellt werden konnte, wurde familiärer Kleinwuchs diagnostiziert. Er wächst synchron zu der Wachstumskurve, nur eben deutlich unter der Kurve.

      Familiärer Kleinwuchs
      Bei Kindern mit familiärem Kleinwuchs ist keine krankhafte Ursache vorhanden. Die Körpermaße liegen lediglich unterhalb des Normbereiches. Dieser Kleinwuchs ist erblich bedingt, meist ist mindestens ein Elternteil ebenfalls klein. Die Wachstumskurve dieser Kinder verläuft zwar etwas unterhalb, aber stets parallel zum Wachstum unauffälliger Kinder.

      Quelle: http://bkmf.de/kleinwuchs/kleinwuchsformen/

  2. Hallo,

    ich wollte einfach mal eine Gruß da lassen und dir sagen, dass ich deine schriftliche Ausdrucksfähigkeit wirklich bewundere!
    Du schreibst immer so toll, so dass man auch als Quereinsteiger einen guten Überblick über die Situationen, etc. bekommt!
    Ich hoffe noch viel von dir lesen zu können. Als Mutter eines 1 1/2 Jährigen Sohnes schaffst du es mir einen anderen Blickwinkel zu bieten, den ich bisher im Freundeskreis vermisst habe.
    Auch bewundere ich dich wirklich für deine kreative Ader!!! Was du allein zum Geburtstag des Quietschbeus anstellst: Respekt!
    Also: weiter so! :-)

    Liebe Grüße aus dem Pott

  3. Hallo liebe MamaMiez!
    Ich lese ja immer gern bei dir, vorallem über die Kids.
    Ich finde du hast diesen Beitrag über das Löwenmaul so schön geschrieben, so warmherzig und liebevoll. Ich kann mir den knuffigen, kleinen Kerl so gut vorstellen. Und auch wenn ich hier nur von ihm lese, hat er mich mit seinem Charme gefangen.
    Tolle Kinder hast du und die drei haben eine tolle Mama!

    LG
    Nora

  4. Ich liiiiebe deinen Blog und profitiere als Mutter einer 21 Monate alten Tochter von deinen Erfahrungen mit dreien :-) Es informiert mich, bestärkt mich, rührt mich und bringt mich oft zum Schmunzeln.
    Wir haben hier übrigens als große Eltern das krasse Gegenteil- unsere Motte ist jetzt schon 92cm, wächst fast 2cm im Monat. Dass sie so groß & schwer wie eine 3 jährige ist, macht Probleme in der KiTa (da wird der Größe-Kraft-Vorteil derzeit rabiat von ihr ausgenutzt) und auf dem Spielplatz (da überschätzen sie die von ihr bewunderten älteren Kinder leider, was für beide Seiten doof ist). Mal sehen wie sich das mit ihrer Größe entwickelt-die Gene hat sie jedenfalls von uns. Übrigens typisch Kind und sooo clever vom Löwenmaul, bei Faulheit einen Vorteil draus zu schlagen :-) Alles Gute & bitte weiter so optimistisch bleiben (denn es gibt viiiel Schlimmeres)! ?

  5. Huch, schon den Stift richtig halten? Meiner beginnt überhaupt erst, sich fürs Malen zu interessieren und rundum kritisieren schon alle, dass er den Stift falsch hält… :/

    1. Schön wäre es, wenn generell einem Alter nicht mehr bestimmte Größen und Fertigkeiten zugeordnet werden würden. Alle Menschen sind doch unterschiedlich. Aber das ist Wunschdenken. Und die meisten meinen es ja auch nicht böse.

  6. Danke für deine Berichte über Löwenmäulchen, die mir helfen mich darauf einzustellen, welche Situationen mein kleinwüchsiger Sohn noch durchleben wird und gute Ideen zum Umgang damit aufzeigen :)
    Diese detaillierte Rückmeldung des Kindergartens finde ich super, ob das wohl überall so ausführlich ist?

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