Offenbarung

Nachdem ich heute Morgen beim Zubereiten der Brotdosen für die Kinder einfach so in Tränen ausbrach und der Große sehr besorgt reagierte, entschied ich mich, noch heute zum Arzt zu gehen. 

Meine Arztpraxis nahm mein Symptome sehr ernst und so verbrachte ich meinen ganzen Vormittag zwischen Blutdruckmessen, EKG schreiben, großem Blutbild, einem halbstündigen Organultraschall und langen Gesprächen mit zwei Ärzten. Meine Schilddrüse ist leicht vergrößert. Der Arzt kategorisierte sie in Grad 1, was nicht zwingend behandlungsbedürftig ist. Es spricht auch noch anderes gegen eine Schilddrüsenüber- oder unterfunktion. Das wird das große Blutbild dann zeigen. Alle anderen Organe sind in Ordnung. 

Besonders viel Aufmerksamkeit richteten beide Ärzte auf  das Herzrasen, die irrationale Angst/Panik und meinen Alltag. Das Alter der Kinder, das halbe Jahr Afghanistan und die 2-jährige Situation als Wochenendfamilie. „Fragen Sie sich ernsthaft, woher die Erschöpfung kommt?“ Ich schüttelte verlegen den Kopf. „Lassen Sie den Haushalt doch einfach mal Haushalt sein, wenn die Kinder im Kindergarten sind und kümmern Sie sich nur um sich.“ – „Das geht leider nicht. Ich gehe ja arbeiten.“ – „Was? Berufstätig sind sie auch noch?“ Ich kam mir wie ein kleines Mädchen vor, das zu dumm war, das Offensichtlichste zu erkennen.

Die Akkus sind leer. So leer, dass mein Körper mir Warnsignale sendet. Scheinbar funktioniert das so: die ganze Zeit über, in der der Miezmann in Afghanistan war, habe ich funktioniert. Nachdem er wieder da war, fiel eine Menge Last von mir ab, aber die Alltagssituation blieb unverändert. Irgendwann im April fingen die Panikattacken an. Der Schwindel, das Herzrasen und Kreislaufprobleme wenige Wochen später. Im Juni dann hatte ich regelmäßige Anflüge von irrationaler Angst, meine Hände zitterten ununterbrochen und meine Belastungsgrenze schrumpfte auf meine eigene kleine Familie zusammen. Alles darüber hinaus führte zu sofortigen Overkill. In den letzten 2 Wochen hatte ich täglich mindestens eine Panikattacke. Meist in Situationen, in denen ich alleine bin oder Ruhe habe. Im Bett. Im Auto. Heute an einer Supermarktkasse. 

Angststörung. Panikattacken. Belastungsstörung. So lautet die Diagnose. Da habt Ihr Eure Superübermutti.

Ich danke allen, die mir in unzähligen E-Mails, Tweets und Nachrichten alles Gute gewünscht und Anteilnahme gezeigt haben. Ich lese alles, habe aber momentan nicht die Muße jedem zu antworten. Ich bin krank geschrieben. Vor mir liegen noch ein Langzeit-EKG und Aufarbeitung. 

Dieser Tag war wie ein Schlag in den Magen und zeitgleich sehr erlösend. Es flossen viele Tränen. Aber ich konnte meine Kinder bei herrlichem Wetter auf dem Spielplatz genießen. Was täte ich nur ohne sie? Sie sind mein Herz und meine Seele. 

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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