Wehmut. Demut.

Heute, ja heute zog mein heiß geliebter Maxi Cosi aus, dessen Bezug ich extra für’s Meedchen hatte anfertigen lassen. Allein die Stoffwahl hat mich Tagelang beschäftigt und letztendlich musste ich dem amerikanischen Designerstoff auch noch richtig hinterher laufen, weil es ihn urplötzlich nirgends mehr gab. Das Ding ist einfach wunderschön, aber eine Verwendung haben und werden wir nicht mehr dafür haben. 

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Während wir in den letzten Tagen den Keller entrümpelten fiel mir so einiges Zeug in die Hand, von dem wir uns nun ganz sicher trennen können. Ein wenig Wehmut schwingt mit. So klein werden die Kinder nie wieder sein. Krabbeln lernen, Laufen lernen, Sprechen lernen. Das alles wird es in unserem 4 Wänden nicht mehr geben. Es war eine schöne Zeit, die Babyzeit. Diese gegenseitige Nähe und Abhängigkeit. Ich hab sie sehr genossen. Rückblickend. Natürlich war ich auch oft genervt, hätte gerne mal wieder durchgeschlafen oder etwas mehr Bewegungsfreiheit gehabt. Aber wenn dieser Punkt überschritten ist, man wieder durchschläft, alleine, im eigenen Bett und die Kinder lieber durchs Haus toben, statt friedlich auf meiner Brust zu liegen und zu schlummern, dann wird einem erst so richtig bewusst, wie intensiv und nah diese Zeit doch war. Und das sie vergeht.

Es bringt nichts Eltern im größten Babystress zu sagen: Genießt das! Das geht so schnell vorbei, sie werden selbstständig und nabeln sich langsam ab. Das kann und will man sich dann eben nicht als etwas, was einen wehmütig machen kann, empfinden, sondern als Freiheit. Ja. Diese Freiheit bekommt man. Und zeitgleich muss man los lassen. Jeden Tag ein kleines Stück. 

Vermutlich gibt es Menschen, die der Babyzeit wirklich nicht nachtrauern. Dieser besonderen Nähe, wie ich weiter oben schon schrieb. Das ist auch total okay. Mir fehlt es manchmal, den Quietschbeu nicht mehr so nah und eng bei mir zu haben, wie ich ihn Monatelang im Bondolino an meiner Brust trug. Oder das Löwenmaul, das nachts immer halb auf mir drauf schlief und meinen Arm streichelte. Darum genieße ich es im Moment auch ganz intensiv, mit dem Meedchen gemeinsam Mittagsschlaf machen zu können. Und auch, wenn sie mit ihren 12 Kilo dann unbedingt auf mir drauf liegen will. So nah habe ich sie sonst nur noch selten. 

Wenn ihr kleiner Körper dann warm und weich auf mir liegt, ihr Brustkorb sich ruhig hebt und senkt, dann atme ich ihren Duft ganz tief ein und genieße. Bald ist das auch vorbei.

20140811_07Wehmut. Auch der heißgeliebte TFK Kinderwagen wird jetzt wohl ausziehen. Wir haben ihn in den Kleinanzeigenmarkt gestellt. Damit haben wir so viele tolle Touren und Ausflüge gemacht. Das Meedchen hat darin sitzend das erste Mal Gänse und Rotwild gesehen. Und Karneval erlebt. Urlaub am Meer. 

Es sind nur Gegenstände, aber ich verbinde mit ihnen eine Menge Erinnerungen. Bobby Cars, Multifunktiondecken, Reisebetten, der Bügel vom Tripp Trapp, Tragehilfen, Bettwäsche, Schlafsäcke und ganz zu schweigen von den zahlreichen Klamotten. Alle erzählen ein paar Geschichten. 

Ich liebe die neu gewonnene Selbstständigkeit der Kinder. Alleine Zähne putzen, sich anziehen, Essen. Um nur ein paar zu nennen. Dazu gehören aber auch Widerworte, Trotz, Verweigerung. Das gab’s in der Babyzeit noch nicht und damit umzugehen muss auch erst gelernt werden. Wir haben das ganz gut geschafft, soweit. Dennoch gibt es immer wieder Momente, in denen ich denke: Arrrrrg! Oder wie sehr habe ich bei allen 3 Kindern dem ersten „Mama!“ entgegen gefiebert. Heute kann ich es Phasenweise nicht mehr hören. „Mamamamamamamamamama!“ Ahhhhhhhhhhhh!

Alle Dinge, die sie neu erlernen oder Dinge, die sie mit ihrer eigenen kindliche Logik begreifen und kombinieren, sind einfach wundervoll, spannend, großartig. Und können einem den letzten Nerv rauben. Zum Beispiel, als das Meedchen das erste Mal an die Türklinke kam. Toll! Seither stehen bei uns ständig alle Türen auf. Oder als sie den Kühlschrank aufbekam. Raten Sie! Der Quietschbeu fragt mir so große Löcher in den Bauch, dass selbst Wikipedia oder der Brockhaus keine Antworten mehr geben können. Das Löwenmaul zwingt mich mit seiner Ausdauer – im Guten, wie im Schlechten – in die Knie. Immer wieder. Das Leben mit Kindern fordert einen. Mal mehr, mal weniger. Aber eins möchte ich behaupten: je größer sie werden, umso mehr wächst auch die tägliche Herausforderung für den richtigen Umgang mit neuen Situationen, Verhalten und Bedürfnissen. 

Wehmut. Wegen eines Maxi Cosis, eines Kinderwagens? Jein. Wegen der schönen Babyzeit, die nun endgütig vorbei ist und auch nicht wieder kommt. Ich halte sie im Herzen fest. Und erzähle den Kindern immer wieder gerne davon, so lange sie es hören wollen. Und Demut, weil wir diese Zeit genießen durften. Weil wir drei gesunde Kinder bekommen haben, die in dieser Zeit keine größeren Probleme, als Bauch- und Zahnungsschmerzen hatten. All die durchwachten Nächte und die Schreiphasen, sie waren es wert. Sind es noch.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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22 Gedanken zu „Wehmut. Demut.

  1. Hallo,

    ich lese hier gerade per Zufall rein (und bin auch gleich wieder weg), aber du schreibst mir aus der Seele.

    Nun sind meine Kinder nicht mehr klein, sondern mitten in der Pubertät – aber Abschiede dieser Art kenne ich.

    Ich musste heftig schlucken, als meine Tochter vor einiger Zeit ihre Schleich-Pferde-Sammlung mit allem Zubehör (Ställe! Der Hufschmied! Der Mann mit der Schubkarre! Die Reitlehrerin! Die Reitschüler! Der Tierarzt! Der Pfleger! Und und Und!!!) sorgsam in drei große Kisten verräumte und sprach: „Ich glaube, ich brauche das nicht mehr…“

    Also, keine Sorge – bis sie erwachsen sind, gibt’s noch ein paar dieser Momente… und dann den einen, wenn sie ausziehen.
    Lachende Augen, weinende Augen.

    LG,

    Marie

  2. Wieder einmal so *hach* <3
    Ich mag gar nicht daran denken, dass es bei uns auch nicht mehr soo lange dauern wird, bis wir ebenfalls an diesem Punkt sein werden… :,-)

  3. Liebe Mama Miez,

    ich könnt gerade ein bisschen los heulen…
    Wir haben auch drei Kinder im Alter von 4 Jahren, 2,5 Jahren und 4 Monaten und dieses „Sie-werden-so-schnell-groß-Thema“ ist im Moment etwas, das sich oft sehr melancholisch stimmt. Bei unserem ältesten Sohn konnte es uns nicht schnell genug gehen mit dem Wachsen und seiner Entwicklung. Nicht weil er ein kompliziertes Baby gewesen wäre sondern einfach weil wir den ersten Brei, das erste Sitzen, die ersten Worte und ersten Schritte nicht abwarten konnten. Bei unserer Tochter hatte ich dann schon öfter mal ein Gefühl von „Das geht mir alles zu schnell“ und jetzt bei unserem Jüngsten überkommt mich zeitweise richtige Trauer, auch wenn es vielleicht albern und unangebracht klingt in Anbetracht der Tatsache, dass wir drei gesunde, wunderbare und pflegeleichte Kinder haben. Aber es wird unser letztes Kind sein und auch wenn er noch eine ganze Weile Baby sein wird, so wird mir ganz oft klar, dass es eben auch das letzte Mal ist, dass wir einen so kleinen Menschen begleiten dürfen.
    Seit wir Kinder haben läuft alles im gefühlten Zeitraffer. Wenn der Große abends in seinem Bett liegt, dann denke ich daran wie klein er msl war und kann nicht glauben, was für ein großer Kerl dort mittlerweile sein Bett fast ausfüllt. Oder unsere Tochter: gefühlt gerade noch den positiven Schwangerschaftstest in der Hand gehabt geht sie nun seit zwei Tagen in den Kindergarten und freut sich wie Bolle.
    Die ersten 4 Monate mit unserem Mini: ich habe keine Ahnung, wo sie geblieben sind. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr macht sich der Wunsch breit, die Zeit einfach mal so anhalten zu können, jeden Moment mit den Kindern aufzusaugen, abzuspeichern um ihn wieder abrufen zu können wenn sie groß sind.
    Und um jetzt endlich mal auf deinen Beitrag zu sprechen zu kommen: ich kann mich bisher auch von nix trennen: Die zu kleinen Klamotten unserer Tochter wird hier definitiv niemand mehr anziehen, Babysachen bis Größe 62 wird hier auch niemand mehr brauchen. Aber ich kann mich nicht trennen. Von nichts. Irgendwie hängt auch am ausgeleiertsten Babysöckchen noch ein Stück Erinnerung.
    Naja, im Interesse unseres überquellenden Kellers hoffe ich jedoch auf Besserung;-)

  4. ??
    Einerseits nervt mich gerade das ein oder andere, weil es ungebraucht hier rumliegt, wir es nun mit umziehen lassen müssen und im neuen Haus direkt wieder eingelagert wird. Dennoch wünsche ich mir einfach, dass wir all diese Teile nochmal brauchen dürfen

  5. gut das es auch andren so geht wie mir.

    ich könnte bei dem gedanken an vergangenes in stundenlangen tränen versinken und mich gleichzeitig über jeden entwicklungsschritt den unser schatz macht, freuen und platzen vor stolz.

    ich lebe eigentlich immer mit dem gefühl „du genießt nicht genug, du genießt nicht genug“, dabei versuche ich auch ganz viele kleine und große momente im kopf und vor allem im herzen zu konservieren.

    ja – viel wehmut und viel vorfreude auf das was noch kommt

  6. ach mama miez, schreib doch nicht sowas. da muss ich tränchen verdrücken. wie wahrscheinlich fast allen eltern geht es mir genauso.
    lg

  7. mir kommen gleich die tränen, wenn ich das lese. so schön u so wahr. erst gestern saß ich mit meinen beiden beim Abendessen u konnte es kaum fassen, wie selbstständig sie inzwischen sind. quasi gestern noch in mamas bauch u heute mit 10 bzw 28 Monaten so groß, so weit, manchmal so frech u launisch… wir sortieren auch gerade wieder Babysachen aus (wippe, spielebogen) und geben sie weiter u irgendwie tut es weh zu wissen, dass nun diese zeit vorbei ist, auch wenn ich mich auf die nun kommende zeit freue. hach ja. diese Gefühle können wohl nur mütter verstehen :)

  8. Hach du sprichst mir aus dem
    Herzen. Ich hab einen fast 1jährigen hier und einen fast 3jährigen. Das verbindet irgendwie alles. Die Babyzeit die sich langsam aus dem
    Staub macht und die Kindheit mit ihren Eigenarten die einzieht.
    Hach ja. Manchmal müsste man sich zurück oder vor beamen können.

  9. Schnieeeeef, so schön und so wahr! Genieße auch alle Momente mit meinem „Baby“ der auch schon 15Monate ist, wobei er doch letzte Woche erst geboren wurde….und mein großer ist schon 4! Die Zeit vergeht viel zu schnell und man ist viel zu oft genervt oder mit dem Haush beschäftigt, anstatt einfach diese ganz besondere Zeit zu genießen…

  10. Oooh hier auch Pipi in den Augen. Wir sind gerade in einer ähnlichen Situation, dass die Babysachen endlich weg sollen aber irgendwie finde ich es auch schwierig. Das hat was Endgültiges. Sehr schöner Artikel! Danke!!

  11. Das kann ich nur unterschreiben. Bei uns hat es dazu geführt, dass nach den zwei “ Großen“ (6 und 5 Jahre alt), doch nochmal ein Kleines ( 8 Monate) hinterherkommen durfte. Und diesmal können wir alle es so richtig genießen: die Geschwister, weil die Kleine Ihnen aufgrund des großen Abstandes Ihren Platz nicht streitig macht, auch erleben sie so mit, wie sie selbst aufgewachsen sind (…) und wir, da wir wissen, wie schnell schöne, aber auch anstrengende Phasen vorbei gehen. Danke Mama Miez für die berührenden Worte, überhaupt peppen mir Deine Bloggereien täglich den Alltag auf… Danke!

  12. Total toller Blogpost. Wahre wahre Worte, in jeder Zeile erkenne ich mich wieder. Dieses Abschiednehmen… das steht uns noch bevor. Ein bisschen erleben wir es gerade und es schmerzt, dass die Zeit so schnell vergeht. Unsere große Maus kommt nun in den Kindergarten und es fällt mir unsagbar schwer sie gehen zu lassen, weil sich doch alles irgendwie verändern wird… aber das muss es eben und neue tolle Dinge warten auf uns, wie tolle neue Wörter, die sie aus dem Kindergarten nach Hause bringt ;-)

  13. Ich habe auch Tränen in den Augen, bin ganz zufällig auf deinen Artikel gestoßen…
    Unsere kleine (das erste Kind) ist gerade 4Monate alt und ehrlich gesagt kann es mir nicht schnell genug gehen, dass sie größer wird, aber wenn ich deinen Artikel lese, sollte ich die Zeit wohl doch mehr genießen….
    Aber die ganzen schlaflosen Nächte, viele Sorgen, all das lässt einen wünschen, dass sie bald größer wird…. Dabei hSt du recht, es ist etwas wundervolles einen so kleinen Menschen beim groß werden begleiten zu dürfen und wahrscheinlich sollte man alles was dazu gehört genießen, auch die Sorgen und schlaflosen Nächte!
    Danke für den tollen Artikel….
    julia

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