Oh, Beu! 2

Es ist etwas über ein Jahr her, dass ich hier von meinem kleinen Schutzengel und seinen Sorgen um mich berichtete. Die Rede ist vom Quietschbeu. An seinem Verhalten, wie ich es hier schilderte, hat sich nichts geändert. Nach wie vor ist er immer sehr darauf bedacht, dass es mir gut geht und dass ich mich nicht in Gefahr begebe. Aber dennoch ist er dabei viel größer, erwachsener, mental weitdenkender geworden. Er beeindruckt mich jeden Tag aufs Neue, mit seiner philosophischen Art und Weise zu denken, Dinge zu analysieren und daraus Schlüsse zu ziehen. Er kann kaum abschalten, weil er jeden kleinsten Reiz aufnimmt, verarbeitet, wiedergibt. Er redet so unfassbar viel. Jeden Gedanken muss er verbalisieren. Nichts bleibt unausgesprochen.

Er kann nicht lügen. Das fasziniert mich am meisten. Nicht mal winzigste Notlügen bekommt er hin. Er ist immer ehrlich, auch wenn er Fehler gemacht hat. Ja, vermutlich wird sich das eines Tages verwachsen. Bisher versucht er es nicht mal. Er sieht einem in die Augen und flüstert, wenn er etwas verbockt hat. Er gibt auch offen zu, was und wie er es getan hat. Betroffen. Aber ehrlich. Das bewundere und liebe ich sehr an ihm. Ich habe als Kind sehr viel gelogen und das erst als junge Erwachsene abgelegt, als ich begriff, dass die Menschen, die einen lieben, Dich auch mit Deinen Fehlern lieben.

Eine Zeit lang schwankte er stark in seinen Interessen und wollte jeden Tag eine andere große Sache wissen und verstehen:

„Wie baut man ein Haus?“ Angefangen von der Bauzeichnung bis zum fertigen Haus wollte er das ganz genau wissen.
„Wer war Kopernikus, wieso ist die Erde rund, was ist Schwerkraft und was ist Sauerstoff?“ Bei der Recherche der Antworten habe ich mehr gelernt, als im ganzen letzten Jahr zusammen.
„Wo ist die Mitte und wo das Ende von allem? Wie gelangt die Seele in den Körper und wohin geht die nach dem Tod?“ Man kann Stundenlang mit ihm über solche Dinge philosophieren. Ich habe mir abgewöhnt, auf solche Fragen zu antworten, sondern frage ihn viel lieber, was er denn glaubt. Er bringt mir nicht selten eine völlig neue Sichtweise auf die Dinge näher und erweitert meinen Horizont.

Neben all den wechselnden Themengebieten gab es bis vor kurzem aber nichts, das ihn wirklich dauerhaft fesseln konnte. Und dann kam Lego. Vom Minibausatz bis zum Großbausatz in wenigen Wochen. Er versteht die Anleitungen deutlich schneller als ich, hat eine beeindruckend starke 2D zu 3D Umsetzung und dabei noch ein rasantes Zusammenbautempo. Zuletzt baute er den Lego Star Wars Z-95 Headhunter in nicht ganz 2 Stunden zusammen. Er ist 5! FÜNF!

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Ja, klar, ich bin seine von Liebe geblendete Mutti, die jeden Pups, den das Kind lässt, lauthals bejubelt. Vielleicht bin ich auch nur so perplex ob dieser Leistung, weil ich selber nie der Lego-Typ war. Der Quietschbeu baut diese Bausätze nicht nur begeistert zusammen, er spielt auch leidenschaftlich gern damit. Den ganzen Tag. Abends baut er mit all seinen Fahrzeugen und Männchen „Szenen“, wie er sagt. Die sehen so aus, als würde man einen Film auf Pause stellen, um ihn dann am folgenden Tag weiterzugucken. Er macht das, damit er weiß, wo er morgen weiter spielen muss. Vielleicht fotografiere ich Ihnen so eine Szene mal. Es ist einfach großartig.

Ich liebe diese kreative Seite meines Kindes. Das Bauen nach Anleitung gehört da eben so zu, wie das freie Bauen und das anschließende Eintauchen in seine Fantasiewelten und die Rollenspiele, die er damit spielt.

Wenn er etwas neues zusammen gebaut hat, zehrt er mehrere Tage davon. Er ist ausgeglichener, zufriedener mit seiner Umwelt und generell kompromissfähiger. Seine sonst oft von Weltschmerz geprägte, ja, manchmal gar depressive Art ist dann wie weggewischt. Generell ist sein Wesen fröhlicher und positiver geworden, seitdem er die Legowelt für sich entdeckt hat. Etwas, was er gut kann. Etwas, was er gerne macht.

So oft es geht verdient er sich etwas Geld für seine Spardose dazu, damit er sich von seinem Taschengeld (1 Euro pro Woche) und seinem Ersparten weitere Lego Bausätze kaufen kann. Aktuell liebäugelt er mit dem großen Millenium Falcon. Da der aber in weiter Ferne seiner Spardose liegt, soll es erstmal das Bad Cop Auto aus Lego Movie werden. Gefolgt von diversen Batman-Fortbewegungsmitteln (Auto, Flugspezialdings, etc. pp.) und dem Star Wars X-Wing Starfighter.

Heute Abend fragte er mich, ob er seine Playmobil Rettungsstation, die er zu Weihnachten bekommen hatte, verkaufen dürfe, um sich von dem Geld dann Lego zu kaufen. Mir stand der Mund offen. Nach kurzer Rücksprache mit dem Miezmann habe ich ihm die Bitte dann gestattet. Morgen werden wir alles von der Rettungsstation zusammen suchen und sie zum Kauf anbieten. Mich faszinierte diese Bitte, die seiner Leidenschaft einfach nur Nachdruck verleiht, so sehr, dass sie mich dazu antrieb, mal wieder über meinen Quietschbeu ein wenig stärker zu reflektieren.

Er ist und bleibt eine Überraschungspaket. Jeden Tag. Wundervoller großer Kerl. Oh, Beu! Ich liebe Dich.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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12 Gedanken zu „Oh, Beu! 2

      1. Bitte, gern, ihr beiden :)
        Noch eine kurze Anmerkung: falls man sich garnicht von einem Set trennen kann, besteht die Möglichkeit , es vergünstigt abzukaufen.
        Meine Jungs freuen sich immer auf „ihre Post“ ;)

    1. DAS ist doch mal eine tolle Idee!
      ich hab die Seite direkt mal an eine Freundin mit einem legobegeistertem Kind weitergeleitet.
      Vielen Dank für den Link

  1. Der Star Wars X-Wing Starfighter ist zwar toll und groß, aber durch die beweglichen Teile manchmal etwas schwierig zum spielen- es fallen gerne mal Teile währenddessen ab. Das gab beim Sohn hier schon mal etwas Frust. Aber es geht noch irgendwie.
    Gar nicht geht der Tie-Fighter, die Flügel sind eigentlich den größten Teil der Zeit einfach AB. :-(
    Lego ist aber ansonsten ein TOLLES Hobby und sehr unterstützenswert :D

    (Und seit dem Lego Movie will mein Großer seine Sachen auch nicht mehr zusammenkleben, welch ein Glück *gg*)

  2. Oh wie toll. Und ich lese fasziniert, wie andere Jungs so in dem Alter sind. So ganz anders als mein Sohn, der auch 5 ist. Im Gegensatz zum Quietschbeu hätte er nie diese Ruhe und Geduld (und das Verständnis) solche Bausätze zusammenzubauen. Er ist grundsätzlich kein Spielzeugtyp, dh, er braucht es einfach nicht. Er spielt Rollenspiele und klettert auf Bäume etc. Viele Kinder kommen mit seiner fantasievollen Art nicht mit und er bedauert das dann immer. Lange habe ich mir Gedanken gemacht, weil er auch keine Lust zum Malen hat. Er malt lustlos. Er hat kein Interesse an Buchstaben – viele Kinder können ja schon ihre Namen schreiben. Auch Zahlen etc. interessieren ihn nur mittel. Er ist fasziniert von Tieren und kennt sich in der Fauna sehr gut aus. Lange war ich traurig, weil er in diesen „LERNDINGEN“ im Vergleich zu Altersgenossen so schlecht abschneidet. Aber er ist ein begnadeter Sportler. Schwimmen hat er innerhalb von 2 Wochen gelernt. Er springt mit 5 vom 3-Meter-Bett und macht einen Salto vom 1-Meter-Brett. Er spielt Fussball mit doppelt so alten Kindern. Er kann auf den Händen laufen und FlicFlac.Er hat eine unglaubliche Körperspannung und Körperbeherrschung.
    Er guckt sich Dinge ab und kann sie blitzschnell umsetzen – im Sportbereich. Er holt sich seine Glücksgefühle über den Sport. Sicher spricht da jetzt auch wieder mein von Liebe gefärbter Blick auf meinen Sohn. Was ich aber nur sagen wollte ist – wie unterschiedlich, wie toll, wie einzigartig jedes unserer Kinder ist. Liebe Grüße

  3. Ich kann seine Leidenschaft verstehen <3 ich habe als Mädchen auch Lego geliebt, vorallem aber Lego Technik. Ich hätte auch alles verkauft um mir neue Bausätze zu leideten *g* aber in den alter hatte ich noch gar nicht so das wissen von verkaufen und kaufen, toll wie er da schon nachdenkt.

    Ich musste feststellen das selten ein kind mit beiden intensiv spielt, entweder lego oder playmobil. irgendwie komisch, bei uns kindern war es lego, palymobil war uns zu langweilig. hier ist es playmobil, noch, mal sehen ob es auch noch zu lego umschwingt, den schon jetzt baut er playmobil auseinander um es irgendwie (uns wenn mit gewalt :/ ) zu was neuen zusammen setzt, ich gaube wir probieren das mal mit Lego

  4. Lego, Lego- wenn man doch nur Aktien kaufen könnte :)
    Mein Großer war schon legobegeistert, aber Nr. 2 toppt alles- aber Großbausätze im Alter von fünf aufzubauen ist schon einfach großartig!!!
    Lass ihn bauen, meinen Zweiten rettet es in schwierigen Lebenslagen immer – dann ist er verschwunden und konzipiert einen Schwerlasttransporterirgendwas mit 2500 Teilen um und ist wieder glücklich…Lego ist einfach großartig.
    Und Du bist keine geblendete Mutti – was Quietschbeu da fabriziert mit seinen jungen Jahren, ist außergewöhnlich
    (und die wirklich ins Detail gehenden Fragen kenne ich auch – Sohn Nr. 1 fragte mich mal, wie man, wenn man doch nicht in die Sonne schauen dürfe, dann die Protuberanzen erkennen könne – da bin ich mal ins Schwitzen geraten)

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