Mit Bravur gescheitert

Ich bin mit Sätzen wie „Mach Dich nie von einem Mann abhängig! Sei wirtschaftlich unabhängig. Lass Dich nicht zur Hausfrau machen. Sei emanzipiert!“ aufgewachsen. Ausgesprochen von einer Frau, die in einer anderen Zeit aufgewachsen ist, anderen gesellschaftlichen Konventionen unterlag und mit Sicherheit viele Hürden zu überwinde hatte, die heute keine mehr darstellen. Ich habe diesen Sätzen immer viel Gewicht beigemessen und mich nach allen Regeln der Kunst versucht danach zu richten. Auch wenn Bauch und Herz schon lange rebellierten, war da immer noch die Vernunft, die mich einen Weg gehen ließ, der mich zum Schluss an den Rand meiner Kräfte brachte. 

Wobei: nein! Das war nicht „der Schluss“. Es war ein Einbruch auf einer sonst so glänzend bestrittenen Etappe. Erschöpfung. Einbruch sämtlicher Leistungsfähigkeit in allen Bereihen. Ich habe nicht mehr genügt¹ und zwar in keinem der Bereiche, die mein Leben so hat: Job, Kinder Partner. Alles wurde zur Belastung. Die Lösung kam mir schnell in den Sinn, aber ich schob sie zur Seite, denn es wäre einem Scheitern gleich gekommen. Scheitern der seit frühster Kindheit eingebläuten Selbstständigkeit/Unabhängigkeit. Es hat mich viel Mühe gekostet zu erkennen, dass das wahre Scheitern darin bestanden hat, auf Teufel komm raus weiter zu machen, obwohl alle Beteiligten unter der Situation zu leiden hatten. So habe ich noch rechtzeitig die Reißleine gezogen, raus aus dem Job, rein in die Elternzeit. Seither kehrt meine Energie und meine Lust auf Kreativität und auf neue Projekte Tag für Tag ein Stück mehr zurück. Ich habe die beste Zeit mit meinen Kindern, an die ich mich überhaupt erinnern kann. Ich genieße die Zeit mit meinem Mann. Ich habe wieder viel mehr Freude am Bloggen. Mein Haushalt ist nicht mehr mein Feind, sondern eine tägliche Aufgabe. 

Tatsächlich habe ich mich seit Jahren nicht mehr so frei und unabhängig gefühlt. Ich bin so froh, diese Entscheidung getroffen zu haben.

Natürlich weiß ich, dass das keine Lösung auf Dauer ist. Ich kenne mich und das ziemlich gut. Wenn ich keine Projekte, keine Aufträge, keine To-Dos habe, werde ich nervös und unausgeglichen. Trotzdem werde ich mich nun erstmal voll und ganz auf Dinge konzentrieren, die ich tun möchte. Manche sind einfach für mein eigenes Seelenheil, andere haben einen Mehrwert für unsere Familie, den Kindergarten und für Sie da draußen.

Ich möchte gerne wieder an den Punkt kommen, an dem man sich, so wie man ist, rundum gut fühlt, weil man so ist, wie man ist. Und nicht weil die Anderen Applaus klatschen, weil man so ist, wie sie das gerne hätten. Ich möchte nicht über Begriffe wie „Working Mom“ oder „Hausfrau“ definiert werden. 

Solange ich denken kann, bin ich immer auf die Füße gefallen, egal wie schwer ich gestürzt bin. Ich bin Optimist durch und durch. Und ich glaube fest, dass da noch irgendwas kommen wird, was ich jetzt noch nicht absehen kann. Vielleicht doch ein Umzug? Ein großes Projekt? 

Wenn man das Überdenken und Geraderücken von festgefahrenen Denkmustern und dem bisherigen Lebensmodell also als Scheitern bezeichnen würde, dann möchte ich feststellen, dass ich mit Bravur gescheitert bin. Und total glücklich obendrein. 

— 
¹ Ein ganz wundervoller Artikel von Buntraum zum Thema „Ich bin genug

Print Friendly, PDF & Email
Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
Beitrag erstellt 4659

25 Gedanken zu „Mit Bravur gescheitert

  1. Hallo liebe Pia,

    was du schreibst, kommt mir sehr bekannt vor. Erst gestern kamen mir Gedanken zu ähnlichen Themen. Hör einfach auf dich und was dir gerade Spaß macht. Kommt ein neuer Spaß, Pferde satteln und los geht´s. Du machst das super. Vielleicht magst du mal bei mir vorbeischauen.

    LG Bine

  2. das ist doch eine schöne und befreiende Erkenntnis!
    Damit hat man doch auch wieder neue Energie neuen Wegen zu folgen wie auch immer die sein werden.
    Und wenn man so eine Erkenntnis erlangt finde ich immer, dass man auch immer noch mal einen neuen Blick auf die eigenen Kinder bekommt und selber hofft nicht auch versehentlich solche „Mantra“ ähnlichen Denkweisen zu erschaffen die dann in 30 Jahren den Kindern das Leben schwer machen.

    Ich hab auch so ein ähnliches Lebensgefühl für mich (wahrschenlich rheinländisch- et is noch immer jot jejange und et kütt wie et kütt) irgendwie hat am Ende alles einen Sinn, auch wenn man den mitten im Umbruch nicht erkennt. Mit Offenheit und Mut und Stärke und eben auch einer Portion Optimismus wird sich am Ende alles in ein positives Gesamtkonzept fügen.
    Man kann ein Leben eben nicht wirklich Planen. Manchmal macht das Leben dann unerwartete Schlänker.

    Liebe und herzliche Grüße

  3. Ein weises Sprichwort begleitet mich jetzt schon eine lange Zeit: „You never fail until you stop trying.“ – darum würde ich das Wort scheitern nicht negativ sehen.
    Ich wünsche Dir, dass Du zur Ruhe kommst und herausfindest, was Dir und der Familie gut tut. Ganz langsam wird sich das alles wieder rund anfühlen, Du wirst Dich gut fühlen und dann werden auch die großen Berge nur noch kleine Hügel sein.
    Liebe Grüße, Simone

  4. Liebe Pia, ich ziehe meinen Hut vor Dir. Ich kann nachvollziehen wie es Dir geht oder ging. Ich war an dem selben Punkt und habe auch einfach die Reißleine gezogen. Ich bin zurzeit nicht arbeiten, lerne aber für das Fernstudium und mache viel für den Blog, aber eben alles in Ruhe und so wie ich dass will. Ich muss sagen, ich merke wie langsam die Energie wieder zurückkehrt und wie sehr ich diese Auszeit gebraucht habe. Nicht jeder ist gleich belastbar und manche Menschen haben durch Ihre Vergangenheit auch schon ein schweres Päckchen zu tragen. Es ist immer besser mal eine Pause zu machen, anstatt irgendwann durchzudrehen oder die Beziehung scheitern zu lassen, nur weil man so funktionieren muss und will wie es sich eben gehört. Behalte Dir bitte diese wunderbare Lebenseinstellung, denn diese Lebens-Sichtweise haben nicht viele Menschen und lassen ihr Leben voller Hektik und Stress an sich vorbei ziehen. Mit besten und lieben Grüßen Nina

  5. meinen Glückwunsch zum vermeintlichen Scheitern!

    Es gehört eine Menge dazu diese Fragen zuzulassen und noch einmal mehr auch die notwendigen Schlüsse daraus zu ziehen.

    Matze

  6. Ein spannendes Thema, das du hier aufgreifst. Ich kenne das sehr gut, war trotz meiner beiden Kinder auch immer (viel) arbeiten und habe versucht, unabhängig zu bleiben. Erst durch unseren Umzug nach Istanbul dieses Jahr für den Beruf meines Mannes bin ich gezwungenermaßen etwas kürzer getreten. Was soll ich sagen?!- Ich geniesse die Zeit zu Hause wahnsinnig und die Tatsache, genügen Zeitfenster für all meine „Aufgaben“ zu haben. Auch die Zeit für mich selbst ist mir ganz neu. Ich lade meine Akkus wieder auf und es geht mir von Tag zu Tag besser. Ich spüre, wie ich wieder ausgeglichener werde und mehr und mehr Lebensfreude zurückkehrt.
    Und jetzt mal ganz ehrlich: Komplett „unabhängig“ sind wir doch sowieso fast nie. Ich kenne (leider!) keine alleinerziehende Mutter, die wirklich sorgenfrei im Alleingang für den Lebensunterhalt ihrer Familie aufkommen kann (ohne sich dabei kaputt zu machen). Und eigentlich sollte das doch auch nicht der Sinn der Familie sein. Diese funktioniert in der Regel eben nur optimal, wenn die zahlreichen Aufgaben zwischen allen Mitgliedern aufgeteilt werden.

  7. Das kenne ich gut, diesen Wunsch (und Pflicht ;) ), unabhängig zu sein, als Frau und Mutter. Aber ich habe auch gemerkt, dass das nicht immer geht – und das ist ganz ok so! Ich bin trotzdem eine unabhängige Frau, auch wenn ich mal eine Zeitlang vom Geld meines Freundes lebe. Ich finde es wichtig, Kompromisse zu machen – also nicht entweder 40 Stunden arbeiten oder gar nicht, sondern auch mal 10 Stunden, je nach Situation.
    Ich finde es schön, wie ehrlich du hier berichtest, Pia! Das hilft uns anderen, uns normaler zu fühlen… ;)
    Liebe Grüße,
    Katharina

  8. Wie ist das bei Euch nun geregelt wenn ich fragen darf? Du bist ja krank geschrieben worden. Wie lange? Und was passiert danach? Und wie ist es mit der Kinderbetreuung derweil? So lange Du krank geschrieben bist, bekommst Du (anteilsmässig?) noch Lohn und kannst sie bezahlen aber was passiert danach? Mich interessiert es einfach… bei uns sind ja die Betreuungskosten immens höher und krank geschrieben erhält man den vollen Lohn nur begrenzt, danach könnte der/die Betroffene wahrscheinlich für die Kita nicht mehr aufkommen weil es meist eh fast oben-aus endet Ende Monat, sprich Lohn geht fast vollständig für Kita-Kosten drauf…

  9. Liebe Miez,

    vielen Dank für Ihren Post. Mir geht es ganz genauso, nur dass ich die Reißleine früher gezogen habe. Ich bin auch aus einem geliebten Job noch mal in die Elternzeit (ohne neues Kind) gegangen und zur Zeit so glücklich und ausgeglichen wie lange nicht. Ich finde es richitg, dass es zunehmend eine Dabatte darum gibt, ob wir uns die „Vereinbarkeit“ tatsächlich weiter aufhalsen lassen sollten, ob sie überhaupt möglich ist. In meinem Fall war es möglich, aber nur auf meine Kosten und um den Preis einer dauerangespannten Mutter/Partnerin. Ich finde, Sie ermutigen durch Ihre Offenheit andere Familien, diesen Weg zu gehen, vielelicht auch bevor die totale Erschöpfung zuschlägt. Ich wünsche Ihnen alles Gute auf Ihrem Weg.

    Herzlichen Gruß
    Tess

  10. Juhuuuu! Das freut mich sehr für dich, dass sich dein Denken da zurechtgerückt hat.

    Ich bin Hausfrau und ich liebe es und ich freue mich darauf, wieder zu arbeiten. Oje, ich passe damit in kein Schema! Man darf doch nur das eine oder das andere und es sind feindliche Lager! Wie das NERVT!

  11. Daaaaaanke! Liebe Frau Miez, ich bin gerade dabei, meine Familie davon zu überzeugen, dass ich nicht mehr so weitermachen kann wie bisher.
    Ich denke über Neuanfänge, VerÄnderungen, neusortierung nach.
    Im Moment noch sehr schwierig, mir Gehör zu verschaffen, weil ich eigentlich immer funktioniere. Aucb mein Berufsstand, das Beamtentum, verhindert weitreichende Akzeptanz. Ich bin docb „die sichere Bank“

  12. Ich wünschte, ich wäre auch schon soweit. Hänge aber noch in der Spirale aus „keinen klaren Gedanken fassen können“ und „versagt zu haben“. Du machst das schon genau richtig, nämlich zuzulassen, dass das was sich richtig anfühlt, auch genau das richtige ist. LG Anika

  13. Wieso scheitern? Wo bist Du gescheitert? Der Mensch ist doch kein Arbeitsroboter, der immer auf allen Bereichen gleich funktioniert. Klar, dieses „sei immer unabhängig, selbständig, komme ohne Hilfe klar etc“ blahblah, das hört sich so unheimlich gut an. Aber spätestens wenn man Kinder hat, dann fällt ziemlich schnell auf, dass man das nicht immer durchhalten kann. Außer, man hat Nerven aus Stahl, eine Rundumkinderbetreuung, einen Tag mit möglichst 48 Stunden oder einen Job der auch in Teilzeit viel Kohle bringt – oder einfach von Haus aus selbst schon unheimlich viel Kohle.

    Von daher – da ist doch gar nichts gescheitert. Menschlich ist das, und sonst gar nix ;-)

    (Sagt jemand, der eine ähnliche Lektion auch schon lernen musste. Ist mir ebenfalls extrem schwer gefallen… ;-))

  14. Ach ja, nochwas: Genieße diese Zeit. Ich kenne Leute (mich eingeschlossen), die sich so eine Auszeit schlicht aus finanziellen Gründen nicht leisten können (bei uns ist’s der Hauskauf, ich muss jetzt mit ran, egal ob ich will oder nicht). Von daher – nutze es aus, dass das bei Euch momentan wohl geht und tanke die Kraft, die Du nachher sicher wieder brauchen wirst. Und hab ja kein schlechtes Gewissen dabei :-)

  15. Liebe Pia, mir ging es lange Zeit ganz genauso wie dir. Mein eigener Anspruch an mich selbst, immer finanziell unabhängig zu bleiben, hat mich über Jahre zögern lassen, meinen alten Job endlich an den Nagel zu hängen und meinen Herzensweg zu gehen. Irgendwann habe ich es dennoch geschafft. Und was soll ich sagen – es war die beste Entscheidung meines Lebens.

    Schön, dass es dir wieder besser geht.
    Dein Artikel ist mal wieder ehrlich und authentisch geschrieben. So, wie man es von dir kennt.
    Liebe Grüße, Nina

  16. Liebe Pia,

    diese Gedanken kommen mir sehr bekannt vor. Wie schön, dass Du sie einmal offen aussprichst. Ich selber habe eine 3 Monate alte Tochter und denke schon seit vor der Geburt darüber nach: Wie lang nehme ich Elternzeit? Wann fange ich wieder an zu arbeiten? Wie viele Stunden will ich wieder arbeiten? Wo kommt meine Tochter dann hin? etc – der reinste Stress. Auch mich hat meine Mutter gewarnt vor einer weiblichen Abhängigkeit (wir sind aus dem selben Jahrgang) und wenn ich mir meinen Rentenbescheid anschaue, ist da sicher auch was dran. Aber es kann ja irgendwie nicht richtig sein, was einem so viel Stress bereitet. Oder wie bei Dir an den Rand aller Kräfte führt. Schön, dass Du darüber so offen schreibst.
    Liebe Grüße,
    Daniela

  17. Liebe Pia,

    ich stehe ebenso grad an diesem Punkt. Leider geht das mit dem abhängig machen bei uns gar nicht. Aber ich lote grad mal meine Möglichkeiten aus. So kann es jedenfalls nicht weitergehen. Dein Artikel schubst mich jedenfalls noch ein bisschen in die richtige Richtung ;-)

  18. It´s never to late to change your mind!
    Ich habe in den letzten zwei Jahren, seit ich also Mutter bin, so viele neue Gedanken und Ideen gehabt, mich ganz neu und besser kennengelernt und eine völlig neue Perspektive gewonnen. Klar ändert man da auch in manchen Dingen seine Meinung.
    Ich denke mittlerweile, dass das jedem so geht, wenn er sich auf die Elternschaft einlässt, denn die Prioritäten verschieben sich einfach.

    Sei froh, dass Du das erkannt hast und das Label Hausfrau – pfff… lasse reden.
    Liebe Grüße
    Julia

  19. Über dieses Thema denke ich auch schon länger nach, liebe Pia. Ich habe zwar (noch) keine Kinder, aber bin ebenfalls die Tochter einer Mutter, die mir immer wieder solche Sätze vorgebetet hat, gerade auch, weil sie sich für ihre Biographie nicht erfüllt haben und sie das glaube ich tief in sich drin phasenweise bereut. Ich bin im Ländlichen mit ziemlich schlechter Kinderbetreuung und ohne innerfamiliäre adäquate Alternative (Großeltern etc.) aufgewachsen, sodass meine Mutter mehr oder minder keine Alternative hatte, als zu Hause zu bleiben. Als ich mit 3 in den Kindergarten kam, bot dieser natürlich auch keine Nachmittagsbetreuung an.
    Ich selbst habe dieses Warnen lange sehr stark verinnerlicht und als für mich richtigen Weg empfunden, habe dann meine Berufspläne noch einmal komplett über den Haufen geworfen und da ich nun als Frühpädagogin keinen klassischen Karrierejob habe und immer wieder erlebe, wie viele tolle Momente Eltern von Zeit zu Zeit auch mal „verpassen“, weil schon Einjährige acht Stunden betreut werden müssen, dann hoffe ich wirklich sehr, dass ich die Chance habe (man weiß ja nie, wie es finanziell so aussieht, wenn es soweit ist…), zumindest bis zum zweiten Lebensjahr mit meinen Kindern zu Hause zu bleiben und dann in ein Arbeitsverhältnis zu finden, dass mich nicht überlastet.

    Ganz liebe Grüße – fühl dich gedrückt!
    Mirka

  20. genauso ist es… keine Definition, einfach Frau sein! Die Ziele der anderen den anderen überlassen (inklusive der eigenen Mutter), in sofern bin ich auch mit Bravur gescheitert.
    Herzliche Grüße
    Denise

Schreibe einen Kommentar zu steffi Diekmann Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben