„Du bist mein bester Freund!“

Weil in den Kommentaren zum letzten Blogpost häufiger die Frage nach der Rivalität unter den Jungs gestellt und die Theorie genannt wurde, dass Löwenmaul fühle sich von der Leistung des Quietschbeus unter Druck gesetzt, möchte ich heute gerne mal eine kleine Geschichte festhalten, die für mich schon eine Menge über die tatsächliche „Rivalität“ der Jungs aussagt. 

Natürlich habe ich mich schon öfters gefragt, ob das Löwenmaul als Zweitgeborener das Gefühl hat, neben seinem großen Bruder „unterzugehen“. Wie bewusst ist ihm, dass der Quietschbeu nicht nur älter, sondern auch größer und stärker ist? Bezieht er das auf sein eigenes Können? Fühlt er sich dadurch minderwertig? 

Auf der anderen Seite stellt sich dann automatisch die Frage, ob der Quietschbeu sich überlegen fühlt, vor dem kleinen Bruder prahlt und dessen Können abtut. 

Letzteres kann ich ganz klar verneinen. Ganz im Gegenteil ist der Quietschbeu jemand, der das Löwenmaul immer wieder ermutig Dinge auszuprobieren, die nicht sofort klappen. Er sagt Sätze wie: „Das konnte ich vorher auch nicht gut. Da hab ich viel üben müssen.“ oder er lobt ihn – ja, tatsächlich! – z.B. für seine Kunstwerke, auch wenn diese gerade bei Kopffüßlern angekommen sind und der Quietschbeu selber schon länger detailreiche Bilder malt.

Als ich letztens mit dem Quietschbeu alleine unterwegs war, fragte ich ihn, was er besonders gut könne. Also er, der Quietschbeu.

„Ich kann super Lego bauen und basteln! Und rennen. Ich bin ganz schön schnell.“

„War das alles?“

„Ja.“

„Und was kann das Löwenmaul besonders gut?“

„Der kann super ausmalen. Der malt fast nie über die Linien. Das krieg ich nicht hin. Und der kann viel schneller Weben als ich. Und der ist viel mutiger als ich. Und er hat im Kindergarten nie Streit mit den anderen Kindern. Jeder mag ihn. Er kann viel besser Freunde finden, als ich.“

Den letzten Satz murmelte er halblaut und mehr zu sich selber, als zu mir. Ich ließ das so stehen und stellte bei nächster Gelegenheit dem Löwenmaul dieselbe Frage.

„Ich kann super ausmalen und puzzeln. Und super schnell Laufrad fahren. Ich kann schon duschen mit Wasser von oben und ohne weinen. Ich kann ganz schnell einschlafen.  Ich trau mich schon alleine in den Keller zu gehen, um Milch zu holen. Ich kann das Meedchen trösten. Und ich kann im Stehen Pipi machen!“

„Du machst Pipi im Stehen?“

„Ja, manchmal im Kindergarten. Wenn keiner guckt.“

„Oha! Aber bitte nicht zuhause ja? Da setzt Du Dich hin, okay?“

„Hmmm.“

„Und was kann der Quietschbeu besonders gut?“

„Der kann super mit Lego bauen. Und das Meedchen und mich beschützen. Und spielen. Dem ist nie langweilig. Der weiß immer, was er spielen soll.“

„Und Du weißt das manchmal nicht?“

„Nein. Aber, weißt Du Mama, das ist nicht schlimm. Dann frag ich einfach den Quietschbeu was wir spielen sollen.“

Unterm Strich zeichnet sich in diesen Gesprächen exemplarisch ab, was ich schon lange so wahrnehme: Das Löwenmaul hat deutlich mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, als der Quietschbeu, der sein Licht oft unter den Scheffel stellt. Wenn er den kleinen Bruder betrachtet, zieht er viel häufiger „kann er besser, als ich“-Vergleiche. Das Löwenmaul nimmt sich selber ganz anders wahr. Dinge, die er seiner Meinung nach gut kann, sind meist die Dinge, die vor kurzem noch nicht so gut geklappt haben oder vor denen er Angst bzw. Respekt hatte. Er ist sein eigener kleiner Maßstab, nachdem er sich richtet und an dem er wächst. Leider steht er sich so auch ganz oft schrecklich im Weg. Ein bisschen häufiger nach links und rechts zu schauen täte ihm sicher gut.

Aber um zum Thema zurück zu kommen: Einen Tag später saßen wir alle gemeinsam am Esstisch, als ich den Jungs dieselbe Frage stellte, diesmal aber im Beisein der Geschwister. Ich war gespannt, ob die Antworten die gleichen sein würden und so war es dann auch. Als der Quietschbeu dann sagte: „Das Löwenmaul kann besser Freunde finden!“, diesmal laut und deutlich, reagierte das Löwenmaul empört: „Das stimmt doch gar nicht. Du hast den Ma. und den Me. Ich hab gar keinen richtigen Freund.“

„Aber Du streitest nie im Kindergarten. Der Ma., der Me. und ich, wir streiten ganz oft.“

„Aber wir streiten doch auch oft! Und Du bist mein bester Freund!“

„Du bist auch mein bester Freund!“

Und dann überschütteten sie sich gegenseitig mit Komplimenten, wer was wie am besten, schnellsten, tollsten könnte. 

Mit gewärmtem Muttiherz schlürfte ich meinen Kaffee und seufzte in mich rein. Geschwister sind so toll! Macht mehr Kinder!

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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17 Gedanken zu „„Du bist mein bester Freund!“

  1. Wunderschön geschrieben. Ich beobachte bei meinen Jungs (knapp 2 und knapp 4) gerade auch voller Glück und Liebe, wie sie zu einer Einheit werden. Der Kleine lernt gerade sprechen, und seit er endlich den (für ihn schwierigen) Namen des Bruders sprechen kann, wird mir überdeutlich bewusst, wie oft er ihn ruft, ihm etwas zeigt, nach ihm fragt, ihn sucht…. Der Große seinerseits will gradezu platzen vor Stolz, wenn er seinem Bruder ein neues Wort entlockt hat. „Mama-aa, der Pepe hat BAUM gesagt! Pepe, dass hast du aber toll gemacht. Pepe, sag nochmal BAUM….“ … <3 Soviel Liebe. Geschwisterliebe.

  2. Das ist sooo herzwärmend. Ich finde es auch immer schön meinen Kinder zuzusehen- und zu hören. Der liebevolle Umgang von Geschwistern ist schon etwas ganz besonders Schönes! <3
    Bei uns ist der Altersunterschied der beiden Großen (8 und 6) zur Kleinen (2) etwas größer. Ich finde es immer wieder faszinierend wie die Großen auf die Kleine und ihr Handicap eingehen und mit ihr umgehen.
    Miteinander sind unsere Jungs zwar sehr lieb und unterstützen sich gegenseitig, reiben sich aber auch viel aneinander. Da der Altersunterschied hier nur 18 Monate sind versucht der Jüngere ständig mit dem Großen gleich zu ziehen. – Er stellt da sehr hohe Ansprüche an sich und ist auch sehr frustriert, wenn es nicht so klappt wie er sich das wünscht. Sein Bruder unterstützt ihn da wo die eigene Geduld aufhört – und umgekehrt sieht der Große dass es o.k. ist nicht immer alles gleich perfekt zu können (er ist da seeehr ungeduldig mit sich). Geschwister zu haben ist schon toll!

  3. Macht mehr Kinder! Eine wunderschöne Aufforderung. Wir mussten leider viel, viel zu lange auf unser 2. warten und unsere Tochter gestand uns zur Geburt ihres Brüderchens: Mama, ich habe jeden Tag für ein Geschwisterchen gebetet, ich habe die Hoffnung nie aufgegeben. Diese beiden Kinder zu haben, diese wundervolle Liebe zwischen den zwein zu beobachten – das ist das größte Geschenk überhaupt. Heute ist unsere Tochter 17 Jahre und unser Söhnchen 15 Monate. Ich kann auch nur sagen: macht mehr Kinder, denn dieses Geschenk kann nicht übertroffen werden.

  4. Die Aussage „Macht mehr Kinder!“ hat mich jetzt schmunzeln lassen.
    So schön geschrieben, ich hoffe bei uns ist das irgendwann auch mal so. Also jetzt ist die Zaubermaus erst 3 Monate und noch Einzelkind, aber bestimmt nicht mehr sehr lange :-)
    Geschwisterliebe ist doch was Tolles <3

  5. Ich verzweifle ganz oft an meinen beiden Monstern (2&5), denn sie streiten sich oft so lautstark! Kaum ist mein Großer aus dem Kindergarten zurück, schon geht das Gezanke los. Und dann gibt es Tage, wie heute, an denen fällt dem Großen ein lustiges Wort ein und er läuft direkt zur kleinen Schwester, um es ihr beizubringen. „Sag mal, Dingsbums, Nase. D-i-n-g-s-b-u-m-s!“ Und dann kringeln sie sich Beide vor Lachen. Oder ich erinnere mich an eine Situation, da war die Schwester etwas über einem Jahr, konnte gerade sicher laufen und lief also dem Großen überall hinterher. Der ging ganz lässig ins Wohnzimmer, mit einem großen Schritt auf unsere damals sehr niedrige Couch, um auf dem anderen Ende wieder runterzuspringen. Seine kleine Schwester immer hinter sich wissend, drehte er sich dann um. „Spring, Nase! Sei mutig, du schaffst das! Ich bin hier!“ Und genauso ist es seither „Wenn du mutig sein willst, ich bin hier. Wenn du traurig bist, ich bin hier. Du willst Blödsinn machen? Ich bin bin hier!“ Das Beste daran: die kleine Schwester fängt nun auch schon an, ihren Bruder tröstend in den Arm zu nehmen oder bei neuen Herausforderungen anzufeuern.
    Und lautstark streiten können Sie auch ganz toll.

  6. Sehr schön geschrieben. Trotz allem gibt es aber eine Rivalität unter Geschwistern. Und die verstärkt sich noch bei Gleichgeschlechtlichen. Mal ist sie ganz stark da, mal ist sie weg. Aber sie ist da. Hinzu kommt noch, dass man (unbewusst) beide vergleicht. A konnte schneller dies und das, B konnte schneller dies und das. Zudem ist das LM ein „Sandwichkind“, welches sich nach oben und unten „behaupten“ muss bzw. seine Rolle finden muss. Das ist Klischee höre ich, aber es gibt genauso Klischees über Einzelkinder oder „spießige“ 4-köpfige Familien :-)

  7. Oh das ist wirklich süß…bei uns gibt es (noch) kein Geschwisterchen, aber ich hoffe, dass sie – wenn es mal soweit ist – gute Freunde werden oder zumindestens mehr oder weniger friedlich coexistieren.

    Ich sehe immer bei meiner Schwester und ihren beiden Kindern, wie es eben auch schlecht laufen kann. Da sagt meine Nichte, nachdem sie mal 15 Min. friedlich NEBEN ihrem Bruder gespielt hat, dass sie noch nie so lange friedlich mit ihrem Bruder gespielt hat. :( Die Frage ist, wie sehr kann man das beeinflussen bzw. was kann man als Eltern machen, damit es besser wird?!

    Allerdings waren meine Schwester und ich auch immer wie Feuer und Wasser…heute sind wir ein Herz und eine Seele (ich glaube wir haben nur die räumliche Trennung gebraucht :D – es wurde immer besser als meine Schwester mit 18 auszog).

    Liebe Grüße
    Julia|Stoffkrümel

  8. Liebe Pia,

    das ist herzerwärmend geschrieben. Ihre Kinder sind fantastisch und es macht Spaß so schöne Sachen über sie zu lesen.
    Ich selber habe auch 3 Kinder (4,3 und 7 Monate) und so anstrengend es auch manchmal ist, ist es dennoch wunderschön zu sehen, wieviel (Geschwister-)Liebe in so kleinen Personen steckt!

  9. Süß Deine beiden Jungs!
    Welcher Gedanke mir da aber bzgl dem Löwenmaul noch kam: vielleicht weigert er sich auch beim Schwimmen, weil seine eigenen Ansprüche an Sich zu hoch sind? Ist bei meiner Maus (die sich sehr ähnlich) verhält, das Problem…..
    Evtl kannst du ihn ja Filmen beim Sport, damit er sieht, was er alles kann und wie sehr er sich durch die Lehrerin nochverbessert?

  10. Ach, wie schön. Da krieg ich feuchte Äuglein. An deiner Stelle hätte ich da kurz den Raum verlassen müssen. ;)
    Schön!
    Mein Mann und ich sind Einzelkinder und ich finde es jeden Tag traurig. Ich hätte auch gern drei Hüpferchen. Na, immerhin sind es derzeit zwei, wenn auch mit großem Abstand. Aber sie sind auch so toll zusammen.
    Schön mit anzusehen!

  11. Finde die Geschichte auch total schön und wenn man liest, dass die beiden sich als beste Freunde bezeichnen, geht doch das Herz auf. Und dann auch noch so nebenbei, wenn man es vom Gesprächsverlauf eigentlich gar nicht erwartet. Ich hoffe, ich habe bald auch Kinder, die sich gegenseitig unterstützen und mögen, bei all dem Gezanke, das es natürlich auch gibt. Das kenne ich ja selbst noch von früher mit meiner Schwester. Aber grundsätzlich hat man sich eben doch lieb, egal ob man sich mal zofft.

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