Therapeutisches Autofahren für die ganze Familie

Heute fuhr ich mit den Kindern eine Stunde Auto. Einfach so. Weil das der einzige Ort war, an dem sie still sitzen und zuhören, wenn ich etwas Wichtiges zu sagen habe. Weil sich keiner auf den Boden werfen oder Dinge zerstören kann, wenn ihm nicht gefällt, was ich sage. Und heute hatte ich was zu sagen!

Eigentlich war alles wie immer. Ich holte mit dem Großen die Kleinen vom Kindergarten ab. Die Kleine war bockig, weil sie noch nicht nach Hause wollte, der Mittlere, weil er seine Hausschuhe nicht wegräumen wollte. Der Große ermahnte den Mittleren, was Geschrei und Bockigkeit zur Folge hatte. Die Kleine verweigerte das Anziehen der Schuhe komplett, der Mittlere wollte getragen werden, was ich verneinte. Der Große hielt die Klein an, endlich Schuhe anzuziehen, was Geschrei und Bockigkeit zur Folge hatte. tbc.

Ich hab das schon an vielen, sehr vielen Tagen durchgespielt. Aussitzen. Manchmal bis zur Schließung der Kita. Klappt selten bis gar nicht. Einfach gehen funktioniert manchmal, führt aber zu noch mehr Tränen, was ich ja auch nicht will. Es ist momentan eine sehr komplizierte Situation. Seit der große Sohn nicht mehr in den Kindergarten geht, sondern nur zum Abholen mit in die Kita kommt, ist der Mittlere ihm gegenüber wirklich sehr gemein und ablehnend. Ich denke, dass Eifersucht da eine große Rolle spielt. Egal ob der Große für den Mittleren etwas aufheben oder seinen Rucksack tragen will (den er aus Prinzip nicht selber tragen will), es werden sofort Giftpfeile geschossen.

Also lud ich heute alle ins Auto, nachdem der Große noch fast von einem zurücksetzenden Auto angefahren worden wäre und wie ein Wahnsinniger kreischte und schrie. Zum Glück nur vor Schreck, aber ich musste erstmal richtig laut werden, bis er sich wieder halbwegs beruhigen konnte. Die Kleine weigerte sich, sich auf ihren Sitzt zu setzen und wollte lieber auf dem des Mittleren sitzen (Die Sitze sind gleichgroß. Es wäre im Grunde also egal). Dann verweigerte der Mittlere es sich anzuschnallen. Also saßen wir 20 Minuten auf dem Kita-Parkplatz und warteten. Letztendlich gab die Kleine irgendwann nach und der Große schnallte den Mittleren an.

Als wir los fuhren zankte man sich schon wieder um irgendwas. Ich drehte die Musik etwas lauter und wurde direkt vom Mittleren angekreischt, dass die Musik total doof sei und ich solle die sofort ausmachen, während der Große rief, die sei voll gut und ich sollte sie lauter machen.

Ich bog rechts statt links ab. Einfach so. Und fuhr drauf los. Nach wenigen Minuten fragte der Große zaghaft, wo wir denn hinfahren. „Nirgends. Wir fahren einfach so drauf los. Und ihr klärt, warum ihr euch ständig streiten müsst.“ Es vergingen weitere 5 Minuten den Schweigens. Dann begannen die Brüder miteinander zu reden. Sie flüsterten miteinander und ich verstand nur Wortfetzen. Irgendwann wurde es wieder still.

„Und? Wisst ihr jetzt, warum ihr euch ständig streiten müsst?“
„Weil Geschwister streiten. Oder?“

Ja, dieser bestechenden Logik konnte ich nicht viel entgegen setzen. Also hielt ich eine Rede darüber, wie wichtig Geschwister sind. Dass es mich stört, wenn der Große den Mittleren belehrt, maßregelt oder ihm Konsequenzen androht, die ihm gar nicht zustehen. Ich sagte, dass es mir wirklich gar nicht gefällt, wenn der Mittlere alle Hilfsangebote des Großen mit lautem Gekreische und Ablehnung quittiert, auch wenn er etwas nicht selber tun will oder kann. Ich erklärte, dass mit schon bewusst sei, dass jeder dem anderen zeigen will, wie groß, selbstständig und unabhängig er sei. Mir sei aber viel wichtiger, dass sie sich bewusst sind, dass es was ganz wertvolles ist, Geschwister zu haben. Dass es mir tausend Mal lieber wäre, sie würden sich gegen uns Eltern verbünden und gemeinsam in ihren Zimmern schmollen, als sich im Flur zwischen ihren Zimmertüren anzuschreien.. Ich redete und redete und redete. Gute 20 Minuten lang. Dann fuhren wir einfach schweigend weiter. Die Kleine schlief inzwischen, der Große starrte aus dem Fenster und der Mittlere wippte mit dem Fuß zur Musik mit.

Als wir nach einer Stunde zuhause ankamen, gingen die Jungs ohne Murren gemeinsam nach oben, bauten das neue Schachspiel des Großen auf und spielten Schach. Einfach so. Die Kleine schlief immer noch tief und fest.

Nein, ich glaube nicht, dass ich mit meiner heutigen Predigt viel erreicht oder verändert habe. Aber trotzdem war diese Stunde Autofahrt sehr befreiend. Für mich. Und selbst die Kinder schienen die Zeit genutzt zu haben, um einfach mal richtig runter zu kommen und abzuschalten.

Ja, es ist momentan oft sehr anstregend. So sehr sich die Drei lieben und brauchen, so sehr nerven auch ihre Machtkämpfe und scheinbar unsinnigen Streitigkeiten. Es geht nicht ohne, aber auch nicht miteinander. Leidtragende sind meist wir Eltern.

Und dann kommt man auf so komische Ideen, wie einfach mal ne Stunde durch die Gegend zu fahren. Therapeutisches Autofahren für die ganze Familie. Gibt’s da schon einen Ratgeber drüber?

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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13 Gedanken zu „Therapeutisches Autofahren für die ganze Familie

  1. Wenn hier Garnichts mehr geht weil die Kleine den Mittagsschlaf verweigert (aber totmüde ist), die Großen sich streiten, der Mittlere alle anpflaumt- fahren wir „einkaufen“ egal ob und was ich gerade brauche. Bis wir wieder zuhause sind ist die Kleine ausgeschlafen (im Extremfall: Hinfahrt, weiter im Einkaufswagen und die volle Rückfahrt :) ) und die beiden Großen haben sich beruhigt/ausgesprochen.
    Autofahren scheint da tatsächlich heilsame Kräfte zu haben…

    Liebe Grüße Sarah

  2. Wann hast du eigentlich den Quietschbeu, das Löwenmäulchen und das Miezmädchen gegen diese langweilige Groß-, Mittel-, Klein-Geschichte ausgetauscht? Wie schade!

    1. … finde ich ehrlichgesagt auch. ich fand die früheren namen total speziell und besonders! aber vielleicht sind die weg, weil auch das mama miez im blognamen weg ist?!

      1. Hallo – ich mag mich meinen Vorrednern anschließen, der Quietschbeu , das Löwenmäulchen und das Miezmädchen Namen, die Persönlichkeit ausdrücken, der Große, der Mittlere und die Kleine sind einfach nur austauschbare Bezeichnungen….
        LG

  3. Ich fahre stundenlang Auto, höre das Sams und stehe im strömenden regen vor einem edeka während 2 Kinder sich in frisch gebauten, glibschigen Lehmskulpturen verstecken… Alles um dem gestreite der Kinder zu entgehen. Es macht mich fertig raubt mir sämtliche Energien, also lasse ich mir – ebenso wie du- andere Dinge einfallen, um dem zu entgehen… Ich verstehe deinen Artikel so sehr, ganz liebe Grüße Caroline

  4. Ich kenne das nur zu gut! Wenn man nach der KiTa direkt auf den Spielplatz, zum Einkaufen oder sonst wohin geht, ist alles super, aber wehe, man betritt die eigenen vier Wände. Dann geht die Zanker- und Heulerei los. Ganz schlimm ist’s bei Regenwetter. Therapeutisches Autofahren werde ich mir auf jeden Fall merken :-) – im Auto kommen sie ja wirklich ganz oft am besten runter…

  5. Wenn ich mich zurück erinnere, muss ich zugeben, dass ich mich mit meiner Schwester auch ständig in den Haaren gehabt habe…sehr zum Leidwesen unserer Eltern! Heute verstehe ich, wie anstrengend sowas für Eltern ist und kann auch therapeutisches Auto fahren nachvollziehen… Übrigens verstehe ich mich mit meiner Schwester heute wunderbar :) Es wird also besser. Nicht stressen lassen!!!

  6. Ja, kenne ich auch. Meine haben (hätten) gestritten, bis der Notarzt kam…ständig. Ich habe dadurch Jede Menge Lebensenergie verloren.

  7. Und ich dachte, ich sei die Einzige ?
    Gut auch: Durch die Waschstraße fahren, Lollis und Auto aussaugen oder Drive in. Alles Erfindungen für Mehrfachmütter am Rande des Wahnsinns.

  8. Der Aufbau ihres Artikels gefällt mir. Das Chaos der Streitigkeiten kommt so sehr gut über. Aber die vielen Tipp-, Rechtschreib- usw.Fehler störten meinen Lesefluss stark. Manchmal führt sich die Autokorrektur leider wie ein Fehler-Teufelchen auf, so dass es etwas Zeit bedarf nochmal drüber zu schauen.
    Hoffentlich wird es bald wieder besser mit den Jungs. Vielleicht wenn der Mittlere auch in die Schule „darf“.

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