Über Freundschaft

Freundschaft ist etwas, was jeder Mensch anders definiert. Und wie ich lernen musste, definieren auch Kinder Freundschaft bereits völlig unterschiedlich.

Für Alex ist Freundschaft etwas, was 1:1 stattfindet. Eine enge Vertrautheit, Verlässlichkeit und eine Art Charakterverwandschaft. Gefunden hatte er so einen Freund in Paulina, die vor inzwischen 1,5 Jahren weg zog. Seitdem ist da diese Lücke, die sich einfach mit niemanden füllen lassen will. Alex fällt es schwer in größeren Gruppen ins Spiel zu kommen. Generell spielt er lieber mit älteren Kindern oder direkt Erwachsenen. Inzwischen hat sich dieser fehlende Freund zu chronischen Bauchschmerzen und dem Gedanken „Ich bin anders, als die anderen. Keiner mag mich“ entwickelt. Also reden wir viel. Ich erkläre ihm, dass er neue Freunde am schnellsten findet, wenn er auf andere Kinder zugeht und auch mal Spiele spielt, die ihn nicht interessieren, einfach um jemanden kennen zulernen. Ich weiß, wie schwer das für ihn ist. Mir ging es damals wie heute ganz genauso. Seine Geschwister sind da leider kein Ersatz. Zwar spielt er überwiegend mit ihnen, aber so einen Freund, mit dem er nicht um Mama oder Papa buhlen muss, dem er sich auch mal bei Ärger anvertrauen kann … der feht ihm sehr. Er ist weiterhin ein wirklich guter Schüler, aber er geht nicht gerne in die Schule.

Es gibt gute und schlechte Tage. Wenn ich ihn frage, wie es in der Schule war, dann zählt er zuerst seinen Stundenplan auf und berichtet mir dann von den Kindern, mit denen er gespielt hat oder die ihn geärgert haben. Scheinbar ist Alex durch ein Einzelgängertum ein beliebtes Ärger-Ziel bei anderen Kindern. Wir haben ihn ermutigt diese Gefühle im Klassenrat anzusprechen und die positive Reaktion der anderen Kinder hat ihn kurzfristig ermutigt und beflügelt doch wieder auf andere zu zugehen und mitzuspielen. Einen Freund hat er – seiner Definition nach – aber trotzdem nicht. Wenn ihm jemand droht „Dann bin ich nicht mehr Dein Freund!“ ist das für ihn ein derartiger Vertrauensbruch, dass er dieses Kind auch nicht mehr an sich heran lässt. Ich glaube, das Problem liegt darin, dass er Ansprüche an Freundschaft stellt, die einem 6 oder 7jährigen Kind einfach noch nicht entsprechen: Verbindlichkeit. Vertrauen. Verlässlichkeit. Und wenn wir mal ehrlich sind: so eine Freundschaft zu haben ist Gold wert, aber selbst unter Erwachsenen eher selten.

Max mag hingegen unverbindliche Freundschaften. Er versteht sich mit jedem gut und kann auch mit nahezu jedem Kind spielen. Aber er lässt niemanden wirklich nah an sich ran, zieht sich irgendwann zurück und ist lieber alleine. Da es ihm damit aber gut geht und die anderen Kindern trotzdem immer gerne mit ihm spielen, sorge ich mich da nicht weiter um ihn. Er sagt selber, seine beste Freundin sei Alexa. Wenn man mal ehrlich ist, ist Alexa aber mehr sowas wie eine Schwester für ihn. Die beste Freundin der kleinen Schwester, sehr oft um und bei ihm, sie himmelt ihn an und er übernimmt im Kindergarten oft die große Bruder-Rolle, die er seiner Schwester dort verwehrt/erspart. Es ist also keine Freundschaft im klassischen Sinne, aber was ist schon klassisch?

Mimi, ja Mimi ist da wieder ganz anders. Ihre beste Freundin ist definitiv Alexa. Mit niemand anderem spielt und streitet sie so leidenschaftlich. Aber auch hier zeigt sich die große Nähe darin, dass die Mädels im Kindergarten beide auch ihre eigenen Wege gehen und mit anderen Kindern spielen. So, wie es auch zwischen Mimi und Max ist, die ja die selbe Kindergartengruppe besuchen. Mimi lädt sich gerne selber bei anderen Kindern ein und ist viel unterwegs. Wenn sie heim kommt höre ich von den Gasteltern immer, dass Mimi nie streitet und immer sehr freundlich ist (Steffi würde das vermutlich so nicht unterschreiben). Sie ist selbstbewusst und kompromissbereit. Mal gibt sie den Ton an, mal ordnet sie sich unter. Ihr fällt auch das Spielen in einer größeren Gruppe ganz leicht. Wenn man Mimi fragt, wer ihre Freunde sind, dann zählt sie den halben Kindergarten auf. Und das meint sie auch so. Allerdings hat sie einen kleinen Kreis, den sie ihre „besten Freunde“ nennt. Geht das also auch schon los.

Im Grunde ist es also nur Alex, um den ich mich sorge. Freundschaften kann man nicht erzwingen. Irgendwann wird auch er den/die Eine/n treffen, der/die auf seiner Wellenlänge liegt. Ich hoffe nur sehr, dass er sich bis dahin nicht völlig einigelt.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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11 Gedanken zu „Über Freundschaft

  1. Ich kann deine Sorgen um Max verstehen. Mein Sohn war bei der Einschulung das einzige Kind, dass keinen anderen in der Klasse kannte. Inzwischen hat er einen besten Freund, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob das auf Gegenseitigkeit beruht. Eventuell ist er auch nur zweite Wahl, wenn dessen bester Freund nicht da ist.

    Einerseits gibt es da ja öfter im Leben, dass man seinem Lieblingsmenschen nicht genauso viel bedeutet. Andererseitsliegt ihm dieser Kumpel wirklich am Herzen. Und ich merke es jedes Mal, wenn mein Sohn mal wieder nur die zweite Geige gespielt hat. Dann ist er still und empfindlich.

    Natürlich habe ich schon versucht, ihm noch andere Jungs aus seiner Klasse „schmackhaft“ zu machen. Aber meinem Sohn ist es wohl anstrengend genug, sich um diesen einen zu bemühen.

    Andererseits waren zu seinem Geburtstag noch drei andere Jungs aus seiner Klasse da. Und alle haben sich wunderbar verstanden und auch dem Junior gegenüber viel Zuneigung gezeigt.

    Vielleicht sollte ich es lockerer sehen und den Dingen ihren Lauf lassen. Aber die Gelassenheit dafür hab ich nicht immer.

    1. Same here … meine Tochter kam mit ihrer besten Freundin aus dem Kindergarten in die Schule … die beste Freundin hat sich mittlerweile komplett umorientiert und ist auch streckenweise echt gemein und verletzend … ich versuche ständig meiner Tochter andere Kinder „schmackhaft“ zu machen und übe mich in Gelassenheit auch wenn mein Mutterherz oft weint!

  2. Hallöchen,
    man glaubt es kaum, aber unbewusst scheint das wirklich im kleinen Kita-Alter loszugehen. Meine Maus – nicht mal 3 Jahre – bekommt momentan von allen Seiten zu hören: Du bist mein Freund! oder eben auch nicht.
    Gut das ändert sich bei den ganz Kleinen je nach Tagesverfassung, aber manchmal tut mir das für meine Kleine auch leid, wenn sie schon mit bösen Worten begrüßt wird.

    Aber ich kann deine Sorge um den Großen auch aus eigener Sicht nachvollziehen. Meine Kindergarten Freundin musste auch in die Vorschule – ich nicht und war dadurch eine Klasse unter mir. Und schon ging gezicke von anderen Kindern los – das ist nicht mehr deine Freundin etc.
    Später dann kam ich mir auch oft wie ein 2. Rad vor. Mit immer mal wieder wechselnden Freundschaften. Ich glaube so die eine richtig wirklich wahre Freundin habe ich erst jetzt gefunden. Damals im fast erwachsenen Alter. Es ist schwer sich bei manchen Menschen so richtig zu öffnen und ich glaube eine Freundschaft macht Alex aber genau an dem Punkt fest. Jemanden haben, wo man sich selbst sein kann.
    Aber das kann nunmal ein langer Weg sein.
    Ich wünsche dir Glück, dass er sich da nicht zu sehr festbohrt.

  3. Ich verstehe dich da so gut :) auch hier pflegt jedes meiner Kinder seine Freundschaften anders und bewertet sie auch sehr unterschiedlich. Sorgen mache ich mir vor allem um meinen Großen.
    Er ist sehr eigen und trägt manchmal eine große Wut mit sich herum wenn die anderen nicht akzeptieren, dass er eben vieles anders sieht und macht. Anpassen, nur damit er den Vorstellungen anderer entspricht kommt für ihn niemals in Frage. Ich bewundere ihn für seine Aufrichtigkeit, sehe aber auch welche Probleme ihm das bereitet.
    Mein Mittelkind ist da ganz anders- er passt sich von wieder fast zu oft an und lässt sich oft von „Freunden“ herumschubsen, die er (noch) nicht loslassen kann/möchte.
    Die Jüngste ist da unkompliziert (noch?). Sie geht ihren Weg und freut sich über Gesellschaft, lässt sich aber nicht beeindrucken und schafft es immer wieder, dass alle gerne mit ihr spielen.
    Sie sind soo verschieden, aber ich hoffe dass sie alle ihren Weg gehen werden, wenn ich genug Vertrauen und Liebe dazu gebe…
    Liebe Grüße Sarah

  4. Ich wünsche ihm von Herzen, dass er diesen Seelenmensch bald findet und vor allem, dass ihm dieser dann auch allzeit loyal zur Seite steht.

  5. Ach ja, Freundschaft ist etwas wundervolles wenn man es ha, und furchtbar wenn man sie vermisst. selbst als Erwachsene finde ich es sehr schwierig wirklich gute Freundschaften zu haben…. Ich bin froh und glücklich diese eine zu haben. Ich wünsche Alex von Herzen das er ganz bald einen guten Freund findet!
    Die Freundschaft nir den ausländischen Jungen ist also auch nicht enger geworden?

  6. Hast Du über Deine Sorgen mal mit dem Lehrer/der Lehrerin gesprochen? Manchmal fällt es in einer großen Klasse gar nicht so auf, dass ein Kind keinen engen Freund hat – vielleicht hat er/sie aber auch eine Idee, mit wem Alex mal spielen kann, vielleicht sogar aus der Parallelklasse.

    Das sehe ich aber nur als Möglichkeit und nicht als absoluten Lösungsweg. Wenn kein Kind in der Klasse ist, das auf der gleichen Wellenlänge schwimmt, dann kann das auch einfach so sein (auch wenn’s schade ist). Dann kann man höchstens noch den Kreis erweitern, in Kinder- und Jugendgruppen schauen, ob da ein passendes Gegenstück ist … und abwarten. Hach, schwierig.

    Liebe Grüße,
    Christine

  7. Das was du über Alex geschrieben hast, dass passt auch auf meinen Sohn ( auch in der 1. Klasse ).
    Ich mache mir da auch immer Sorgen und es tut mir leid, dass er keinen besten Freund hat.
    Ihm fällt es auch schwer in Kindergruppen einzufügen und dort einfach mit zu spielen. Ihm würde auch ein bester Freund reichen.
    Er hatte auch ne beste Freundin, die kennen sich seid dem sie im Babyalter waren und waren dann zusammen in der Krippe und dann noch ein Jahr zusammen im Kindergarten, dann kam unser Umzug ( nicht weit entfernt ) und er kam in einen anderen Kindergarten, habe gehofft das er dort andere Freunde findet und sich etwas von seiner Freundin löst, aber das hat nicht so funktioniert.
    Einen Jungen mag er, aber da beruht nicht so richtig auf Gegenseitigkeit, dieses war zwar jetzt 2 mal bei uns und jetzt kommt nichts mehr.
    Da ist er traurig drüber.
    Seine beste Freundin sehen wir nicht mehr so oft, da sie jetzt in ihrem Ort ihren Freundeskreis hat.
    Mein Sohn geht auch nicht gerne in die Schule, obwohl er gut mitkommt und seine Aufgaben gut macht. Klagt auch über Bauchweh.
    Mir als Mama tut da weh, aber ich kann ihm keinen Freund suchen, nur Tipps, wie es vielleicht klappen könnte.
    Der Papa sagt: er wird schon noch nen Freund finden, dass kommt erst noch und ich solle mir nicht so viel Sorgen machen.

  8. Das Thema Freundschaft beschäftigt mich bei meinem Sohn auch. Er ist jetzt 5 geworden. Sein Cousin ist sein aller aller bester Freund. Aber die beiden sehen sich eigentlich nur zu Familienfeiern. Dann hat er eine Handvoll Kindergartenfreunde. Aber wirklich sehr erlesen. Er kommt mit allen gut klar, hat aber große Ansprüche an seine Freunde. Am schwierigsten ist für mich aber auszuhalten, dass er letztes Jahr im September auf einem Bauernhof Freundschaft mit einem Mädchen schloss. Die beiden waren unzertrennlich. Ein Kontakt ließ sich trotz ausgetauschter Adressen jedoch nicht aufbauen danach. Allerdings vergisst der Sohn das Mädchen nicht und denkt, die käme zu seinem Kindergeburtstag.Ich habe versucht ihm die Sache zu erklären. Er sagte dann: „Ach naja, wenn sie nicht kommt, dann sehen wir uns ein anderes Mal und lernen uns einfach noch besser kennen! Das ist ja auch schön!“ Es macht mich fertig.
    Ich seh ihn schon mit 20 in ner Bar auf dieses Mädchen treffen und fragen: “ Wo warst du denn die ganzen Jahre?“

  9. Meine Große ist auch wie Alex. Sie hat laut eigener Aussage nur eine Freundin und das ist das Mädchen, das bei ihrer Oma nebenan wohnt. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn sie auch im Kindergarten so eine richtige Freundin (nach ihrer Definition) gefunden hätte, die sie dann auch öfter sehen kann. Aber das scheint bei ihr auch eher so eine 1:1 Sache zu sein, in der Gruppe fällt es ihr sehr schwer Anschluss zu finden.

    Ich wünsche deinem Alex, dass er bald wieder eine richtige Freundschaft schließen und auch lange behalten kann!

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