Sommer, Sonne, Sexgeschrei

Es war im letzten Sommer. Mein Kerl und ich waren grade in die neue Wohnung eingezogen und genossen noch all ihre Vorzüge, die man in den ersten Tagen und Wochen vor sämtliche Nachteile schiebt und diese somit erfolgreich verdrängt. Es war in der Wohnung relativ kühl, denn die direkte Sonneneinstrahlung belief sich auf die ganz frühen Morgenstunden, welche nicht ausreichten um unsere 3 Zimmer, Küche, Diele, Bad bis ins unerträgliche aufzuheizen. Die Zimmer waren entweder gefliest oder mit Laminat ausgelegt, was bei diesen heißen Außentemperaturen für ein angenehmes Fußbodenklima, begleitet von erhöhtem Blasenentzündungsrisiko sorgte. Abends saßen wir in unserem Arbeitszimmer, welches sich nach hinten zum Hof erstreckte. Da wir uns in unserem jugendlichen Leichtsinn („Parterre ist doch super – keine Treppen!“) für eine Erdgeschosswohnung entschieden hatten, hatten wir innerhalb der ersten 3 Wochen eine Rollo-Gardinen-Licht-Lösung montiert, welche es uns ermöglichte, möglichst viel Licht in unser Arbeitszimmer zu lassen, ohne dabei auch nur einem Nachbarn Einblicke in unser heiligstes – eben das Arbeitszimmer – zu gewähren.

Die Konversation zwischen uns belief sich an diesem Abend auf einen Grunz-Stöhner, den jeder von uns im 5 Minutentakt ausstieß, um seine Erschöpfung durch die Hitze zum Ausdruck zu bringen. Es hätte eine ganze Truppe Tutti-Frutti Erdbeeren durch die Wohnung marschieren können, oder gar ein leicht bekleideter Orlando Bloom mit harten Nippeln die diebisch unter einem halbtransparenten Stofffetzen hervorblitzen. Das hätte uns beide nicht im geringsten interessiert. Sex und körperliche Nähe gehörten an diesen Tagen für uns zu dem absoluten „No Go´s“, an die zu Denken schon einen Hitzschlag zur Folge gehabt hätten.

Plötzlich durchriss ein gellender Schrei unsere Lethargie: „Ja, ja, nimm mich! Mach’s mir!“ Wir sahen uns verdutzt an. War das jetzt schon die erste Halluzination oder wollte da jemand einen Spaß mit uns treiben? Es folgten eine Reihe „Uh, uh, oh“s und „Oh, oh, uh, jaaa!“s, dann ein spitzer Schrei, ähnlich dem Schrei bei einer Presswehe – dann wurde es schlagartig still. Mein Kerl sah mich stirnrunzelnd an und meinte:
„Wie kann man sich bei dem Wetter bloß ’nen Porno reinziehen?“ Auf die Idee, dass unser neuer Nachbar sich grade ordentlich die Gurke schrubbte, wär‘ ich gar nicht gekommen. Aus diversen „Heimat- und Liebesfilmen in denen zum Schluss doch nie geheiratet wird“ wusste ich, dass die Vertonung des soeben miterlebten Liebesspiels einfach zu realistisch war, um bei einer schlechten Videorama-Produktion in Hintertupfingen einen Höhepunkt zu simulieren. Noch dazu hatten die meisten Frauen in solchen Filmen eh nie einen guten Orgasmus, zumindest war klar, dass wenn sie ihren Partnern einen Höhepunkt so vorspielen würden, wie sie es in entsprechenden Filmen taten, dieser ihnen das nie und nimmer abnehmen würde. Aber zurück zu unserem Nachbarn.

Es vergingen rund 3 Stunden und inzwischen lagen wir auf unserem Bett, schauten irgend ein schlechtes Freitagnacht-Programm und philosophierten darüber, in welchem Winkel unser Ventilator wohl am effektivsten für uns beide arbeiten würde. Plötzlich hörten wir, wie etwas im Takt anfing zu klacken bzw. klopfen. Erst hörte es sich an, als ob jemand an unsere Schlafzimmerwand klopfen würde, dann als ob jemand den Bass seiner Anlage zu hoch gedreht hatte, dann kamen quietschende Höhen hinzu und schließlich schwoll das ganze in einem Stampfen an. „Boah, kann der da oben mal dieses schrecklich Techno ausmachen! Affenmusik!“ Ich sah meinen Kerl grinsend und gleichzeitig verblüfft an. „Was ist denn mit Dir?“ Er antwortete entrüstet: „Na, ist doch wahr. Es sind 2 Uhr und nur weil der Typ wegen der Hitze nicht schlafen kann, muss der uns ja noch lang nicht so beschallen.“ – „Hör doch mal genau hin, was glaubst Du sind diese unregelmäßigen Aussetzer im Takt? Mensch, da hat wer ganz ordinären und dreckigen Sex!“ – „Nee, meinst Du?“ Seine Frage wurde umgehend durch einen weiblichen grellen Schrei, der einen grandiosen Höhepunkt einzuleiten schien und sich 10 Sekunden zog, beantwortet. Wir nickten uns anerkennend zu – der Mann hatte es wohl ziemlich drauf und man konnte sich nun sicher sein, dass der Gute nicht nur mit einem Stapel Schmuddelvideos auf dem Sofa saß.

Am folgenden Wochenende wurde unser Haus zu einer wahren Lusthöhle für alle Nachbarn im Umkreis von 100 Metern, wenn es spät abends war und keine Autos mehr fuhren auch bis zu 500 Metern. Unser Nachbar legte einen wahren Leistungsmarathon ein und zeitweise rätselten wir, ob er vielleicht einer Nymphomanin zum Opfer gefallen war, da man von ihm nichts sah und hörte, aber permanent spitze Schreie und Anfeuerungen seiner Freundin vernahm. Auch wenn wir jedes Mal gespannt lauschten, wie lang es diesmal wohl dauern würde, welche schmutzigen Wörter der Guten noch alles einfallen würden und ob man doch noch ein Geräusch von ihm wahrnahm, wirklich erregend waren diese Intermezzi nicht. Einmal erntete ich böse Blicke von meinem Kerl, als ich nach erneutem lautstarkem Höhepunkt ihrerseits klatschte und laut „Bravo!“ rief. Sein Groll verschwand aber, als er einen unserer nicht-nymphomanischen Nachbarn im Hof stehen sah, mit offenem Mund, dem Geschrei und Gebrüll folgend zum ersten Obergeschoss hoch starrte. Als sie „fertig war“, zwinkerte der vor unserem Fenster erstarrte Nachbar zweimal – wahrscheinlich um zu prüfen, ob er träumte – dann hörte man von etwas weiter weg eine piepsige Kinderstimme: „Papa? Was war das? Tut da jemandem etwas weh?“ – „Ja Lisa, da hat sich bestimmt jemand gestoßen.“ Wie recht er doch hatte, auf die ein oder andere Weise.

An einem dieser Samstage, als es gerade mal wieder heiß her ging, rannten wir sogar auf die Strasse und wühlten völlig ohne Grund in unserem Auto rum, um den Nachbarn durch die Blume mitzuteilen, dass wir es nicht waren, die Sie um die Mittagszeit ihren Kindern gegenüber in Erklärungsnot brachten.

Es waren inzwischen gut 3 Wochen vergangen und das Sexpensum unseres Nachbarn hatte sich auf 4-5 Mal am Tag eingependelt. Einmal gegen 10 Uhr, dann gegen Mittag, also um die 12 Uhr. Gegen 13 Uhr verließen sie beide in der Regel das Haus. Wann sie wiederkamen bekamen wir nie mit, aber spätestens um 17 Uhr ging´s in die nächste Runde, welche ihren letzten Abschluss gegen 22 Uhr fand. Ab und an folgte dann noch der 3 Uhr-Fick, dieser jedoch – Gott sei Dank – nicht täglich, denn ein normaler Mensch muss ja auch mal schlafen, was uns seit einigen Tagen, auf Grund des anschwellenden Lautstärkepegels zu nächtlicher Zeit, schwer fiel. Es war kurz vor 22 Uhr und mein Kerl machte sich noch schnell auf zur Tankstelle, Zigaretten besorgen. Gerade als er die Haustür hinter sich ins Schloss fallen lässt und ich noch in der geöffneten Wohnungstür stehe, setzte eine Stöhn-, Schrei-, Anfeuerungswelle ein.

4 mal Sex täglich an 5 Wochentagen, an den Wochenenden 5 Mal täglich, 3 Wochen lang – das sind gut und gerne 90 Mal Sex, jedes Mal lautstark, bei denen wir gelacht, geschmunzelt, mit den Augen gerollt, die Augen verdreht und genervt geguckt haben. Und eben jetzt, bei diesem neunzigsten Mal, machte es in meinem Kopf *zosch* – die humoristische und akustisch-voyeuristische Überreizung setze ein und ich verkündete mit einem lauten Brüll quer durchs Treppenhaus: „Meine Fresse, es ist jetzt gut. Wenn ihr ficken wollt, wie die Kaninchen, dann such Euch ’nen anderen Fickstall!“ – meine Güte, so ordinär und aggressiv hatte ich mich noch nie erlebt. Ich schlug die Hand vor den Mund und schloss übereilig die Tür, die auch noch mit einem lauten Knall ins Schloss fiel. Totenstille im ganzen Haus.

Seither haben wir unseren Nachbarn und seine Freundin nie wieder gehört. Ob er sich nach meinem moralischen und nicht minder lautstarkem Kurzstatement von ihr getrennt hat, oder sie nur noch außer Haus „richtig hart ran nimmt“ weiß ich nicht und ehrlich gesagt, es ist mir auch egal.
Fakt jedoch ist, dass bei uns, seitdem wieder Ruhe eingekehrt ist, richtig die Post abgeht, denn das akustische Kopulieren anderer wirkt bei übermäßigem Konsum wie ein Antiserum für den eigenen Sexualtrieb. Lassen Sie sich vergleichsweise mal den ganzen Tag – also vom Aufstehen bis zum Zubettgehen – von einem Hardcore-Porno berieseln. Nach zwei Tagen haben Sie vielleicht „noch“ Schwielen, aber nach 4 Tagen sind sie um jeden Anruf Ihrer Schwiegermutter froh, weil sie zumindest während dessen den Ton ausstellen müssen.

preisbloggen
Print Friendly, PDF & Email
Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
Beitrag erstellt 4659

20 Gedanken zu „Sommer, Sonne, Sexgeschrei

  1. Unmöglich! Erst die Geschichte mit dem Höschen und jetzt das!

    Langsam werde ich rot :)

    Das kann nur noch durch ein neues Starschnitt-Teil getoppt werden ;)

    auch ein Rot-Punkt äh H.

  2. Jetzt weiß ich wie es meinen Nachbarn immer gehen muss hrhrhr.
    Nee, im Dieter.. äh ernst, sowas muss jeder mal durchmachen. Ist genauso nervig wie ein schwerhöriger Opi, der um fünf Uhr morgens den Fernseher bis zum Anschlag aufdreht. Hatten wir bei meiner Verflossenen. Jede Nacht ist einer runter und hat geklingelt. Nicht das er jemals die Tür aufgemacht hätte. Aber die Glotze hat er sofort leiser gedreht – der wusste schon was er ausgefressen hatte…

  3. Das is ja fast wie der Witz mit den blinden Piloten. Wenn die Passagiere anfingen zu kreischen, zogen sie den Steuerknüppel an und hoben ab, kurz bevor sie über das Ende der Startbahn rausjagten.

  4. Ich vermute, man glaubt nicht, dass das andere das so gut hören – machen ja schließlich nicht alle.
    Ein Kollege erzählte mal von Nachbarn über ihm, die dafür das offene Fenster entdeckt hatten. War wohl auch eher laut als animierend.

  5. Genau so – unser Nachbar wohnt auch „über uns“ und wir sind uns noch nicht endgültig sicher, ob das plötzliche Verstummen seiner Freundin nur daran lag, dass es kälter wurde und das Fenster wieder geschlossen wurde, oder an meiner kleinen Showeinlage im Flur. Allerdigns haben wir auch in den vergangenen Tagen nichts gehört und ich denke, wer jetzt mit geschlossenen Fenster poppt, kann sich auch in den Backofen setzen – bei Umluft und 200 °C.

  6. hach wie gut das ich oben wohne und da nehme ich auch die treppen in kauf … nicht das ich hier so etwas machen würde … aber was ja nicht ist, kann ja noch werden *grins*

  7. ich bin mir sicher, den Grund der „Verstummung“ der beiden zu kennen: die wohnen jetzt bei mir im Haus, seit einer Woche. Er ist immer noch stumm wie ein Fisch, ganz im Gegensatz zu ihr; und damit Sie wieder unbreitbeinig laufen kann, haben sie sich geeinigt auf: wochentags nur morgens und abends, am Wochenende höchstens 4mal/Tag. Ich nähere mich einer DailyPia-esken Brüllattacke.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben