Genialität vs. Geschmack

Wir haben einen jungen und sehr talentierten freien Programmierer, mit dem ich gerne jedes größere Projekt abwickeln würde. Seine Arbeitsgeschwindigkeit ist hervorragend, sein Know-how auf dem neusten Stand, seine Ideen und Vorschläge sind immer innovativ.
Nun habe ich am Donnerstag einen recht wichtigen Termin bei einem Kunden, zu dem ich diesen, meinen, Lieblingsprogrammierer gerne mitnehmen würde.

Problem dabei: der gute Mann hat kein Business-Outfit! Nix Anzug, nix schwarze Schnürschuh … er erzählt mir am Telefon etwas von schwarzem Kord-Anzug und meine ästhetischen Alarmglocken fangen leise an zu schrillen. Ein Kord-Anzug ist an sich nichts schlimmes, aber bei diesem einen Kunden ist dann doch die biedere Nummer gefragt.

Folglich werde ich mir morgen Nachmittag den Herrn Programmierer unter den Arm klemmen und erst mal shoppen gehen. In der Branche sollte man, egal welchen Job man inne hat, zumindest über ein Outfit verfügen, dass so richtig bieder und gradlinig ist.

Ich war früher schon immer sehr überrascht, wenn unsere sonst so legeren Programmierer für einen Termin plötzlich wie aus dem Ei gepellt in der Tür standen. Es gab aber auch den ein anderen anderen, da war der Schlüpfprozess ein wenig gruselig bis schockierend und es wurden noch schnell 3 Kleidungsstücke von Kollegen aus der Beratung zusammen geliehen.

Meiner Meinung nach sollte man sich immer dem Kundenklientel entsprechend kleiden.

Die Meinung, dass geniale und hochbegabte Programmierer, egal bei welchem Kunden sie vorstellig werden, in Jeans und Sneakers auflaufen können, teile ich übrigens nicht. So was geht auch nur in amerikanischen Kino-Produktionen erfolgreich aus.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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17 Gedanken zu „Genialität vs. Geschmack

  1. Nichts gegen feine Klamotten, aber in was für einer oberflächlichen Welt leben wir eigentlich, wenn man sich für den Erfolg verkleiden muss? Im Idealfall sollte jeder Mensch doch die Ideen des anderen Menschen sehen und nicht dessen Schnittstelle mit der physikalischen Welt. Ich weiß es gibt Gewerbe, da gehört dieser ganze Zirkus zum Spiel, aber ein schicker Anzug verändert keinen Menschen dieser Welt, außer daß man sich darin steifer bewegt und in der dauernden Angst lebt die Krawatte in der Tomatensuppe hängen zu haben.
    Ich bin für casual everyday!

  2. Ich habe viel mit Kunden zu tun, viele technische Gespräche, vorstellungen, etc. und kleide mich auch dem Kunden entsprechend, ist mir zwar zuwider aber was muss, das muss. :mad:

    Auch wenn ich das Programmierer Image ansonsten nur zu gerne Pflege :box:

  3. In einer Firma in welcher ich als Praktikant tätig war, kam der Projektleiter rein und meinte zu "meinem" Zimmerkollegen.
    "Herr *, wir brauchen sie nächste Woche zu einem Kundentermin. Und bitte gehen sie davor noch zum Friseur."
    Der arme Kerl hat vielleicht doof geschaut. :grin:

  4. Unsere ITs sehen immer so aus, als wären sie gerade unter den Pizzakartons hervorgekrochen und waren das letzte Mal für ihre Konfirmation (wahlweise auch Jugendweihe) beim Frisör gewesen.

  5. Wer jede Woche min. ein paar Stunden an ´nem Server ´rumschraubt, Patchfelder aufräumt oder mit Kaffee am Schreibtisch kleckert, der zieht schon aus praktischen Gründen keinen Anzug mehr an. Und Programmieren funktioniert ohne Kampfmontur und mit Metal-Shirt auch bedeutend besser. Liegt wohl an der besseren Durchblutung. :schnarch:

  6. *tztztz* Hat doch nie jemand verlangt oder behauptet, dass Programmierer ständig wie gerade aus’m Otto-Katalog gesprungen aussehen sollen. Nur ein einziger Anzug für mal nen Termin … das kann man doch erwarten?

    Im Anzug programmieren? Lustige Vorstellung :grin:

  7. : außer daß man sich darin steifer bewegt und in
    : der dauernden Angst lebt die Krawatte in der
    : Tomatensuppe hängen zu haben.

    Meine Erfahrung: und gerade darum sollte man sich hin und wieder den Anzug mal anziehen. Mal merken, wie er sich anfühlt, wie die Menschen reagieren, wie man sich anguckt, wenn man einem Spiegel oder einer Schaufensterscheibe vorbeikommt.
    Mal sehe, wie es ist, darin zu programieren.

    Denn beim Kunden zu sitzen und sich schon vor dem eigentlichen Termin unwohl zu fühlen ist ja nun mit das ungeschickteste, was man so machen kann.
    Dafür ist doch der Hausprogrammierer des Kunden mit seinen unangenehmen Fragen da, dass man sich unwohl fühlt, das muss man doch gar nicht selbst in die Hand nehmen :wink:

  8. tulek, das hat nicht unbedingt was mit Oberflächlichkeit zu tun, sondern mit Respekt dem Kunden gegenüber. Ich muss täglich Anzüge tragen und es stört mich nicht. Zum einen sieht es gut aus, ist funktional und ich zeige dem Gegenüber meine Wertschätzung, indem ich nicht in Sneakers, Jeans und Sweatshirt dastehe. Oft geht es ja auch um eine nicht unerhebliche Summe Geld, und von daher ist eine angemessene Kleidung durchaus angebracht.

  9. Jetzt weiß ich, was ich noch schreiben wollte: mal ehrlich, ein schwarzer Anzug im Schrank schadet nicht, sei es für Beerdigungen oder wenns einfach mal sein muss.

  10. Was hat ein Anzug mit Geld zu tun? Ich kenne Programmierer die laufend mit Kunden zu tunb haben, und keinen Anzug im Schrank haben. Und ich habe Programmierer gesehen, geschniegelt wie noch mal was, die fast ganze Projekte in den Sand gesetzt haben. Ein Anzug sagt nichts über Kompetenz aus. Wertschätzung für den Gegenüber? Ich sage ja nicht man soll wie der letzte Mensch rumrennen. Mal abgesehen davon: würde ich z.B. mit Anzug und Kravatte ins Büro kommen, würden meine Kollegen mich auslachen. Und dann vielleicht hauen :grin:

  11. Ich muss nich wichtig aussehen. Es ist manchmal ganz erfrischend zu sehen, wenn manche Leute den Schlipsträgern tierische Kompetenz zutrauen. Die dann aber auf einen unscheinbaren Entwickler in der Ecke zeigen und meinen, dass dieser Herr dort das alles macht. Und nein, ich renn auch nicht in Lumpen rum, aber ich habe auch keinen einzigen Anzug :)

  12. Es kommt immer auf die Branche und den Kunden an. Oft weiß man, dass man nach dem Erstkontakt keinen Anzug mehr braucht. Aber es ist doch auch schön zu wissen und zu zeigen, dass man das auch kann.

  13. Nachtrag: Und aufs Alter. Fürher war mit Anzug auch nicht so wichtig. Aber wenn ich heute auf die Bank komme, dann erwarete ich da einen einwandfreiene Ton und ordentliche Kleidung des Personals. Denn ich lasse bei denen mein Bestes, mein Geld. Und da erwarte ich – wenigstens gehuchelten – Respekt. Der sich nunmal am einfachsten durch ein entsprechend seriöses Outfit vortäuschen lässt. Und selbst wenn es Show ist. Dann hat sich mein Gegenüber wenigstens Mühe gegeben.

  14. @Falco
    Das ist es ja gerade was mich stört, daß ein paar Meter Stoff als Wertschätzung in unseren Umgangsformen Einzug gehalten haben. Ich habe ja nichts gegen Anzüge ich trage die Dinger selbst gern.
    Aber Respekt sollte vom Menschen und nicht von seiner Kleidung erzeugt werden. Ein fester Händedruck, eine verständliche Aussprache, eloquente Wortwahl, gelebte Kompetenz das ist Wertschätzung, mir kommt es oft so vor, daß sich Anzugträger schon aufgrund ihrer Kleidung zu Höherem berufen fühlen und darüber vergessen, daß sie auch nur Menschen sind.

  15. Also ich prostituiere mich nicht für Kunden! Und so lauf ich mit Schlapperbutz, Cap und einem "we are porn" T-Shirt auf. Meine Wertschätzung erfährt der Kunde durch meine Arbeit. Und wenn ich gut drauf bin, unterlasse ich eventuell das Fluchen ;)
    Verdammt! Im Basketball Outfit (so sitz ich im Sommer hier) geh ich dann doch nicht zum Kunden. Da bin ich dann doch nicht so konsequent …

    Meine Lockere Art führt auch schon dazu, dass ich mich mittlerweile mit mehreren Kunden Duze. Macht das arbeiten erheblich angenehmer.
    Wahrscheinlich denken jetzt einige, dass ein bisschen Abstand nicht verkehrt ist, aber das kann jeder Individuell sehen…

  16. @Maetty: Wenn aber zu lockerer Umgang mit Fehlern bei der Kundenberatung zusammenkommen, fühle ich mich viel eher über den Tisch gezogen, als wenn da eine gewisse Distanz bestand.

    So hatte ich nämlich am Ende ein Blackberry, aber dass E-Mail <b>nur</b> über den zusätzlich zu bezahlenden Push-Service emfpangbar ist, wusste die locker beratende Trulla nämlich nicht. Und einem Umtausch keine 24h später oder Rücktritt wollte T-… nicht zustimmen. War ja alles einwandfrei. Ein Hauch mehr Kulanz und ich wäre noch Kunde.
    :evil:

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