Machtkämpfe

Ihre Unterlippe zittert unaufhörlich in einem Takt, den ich bisher nur bei Nähmaschinen gesehen habe. Ihre Augen sind trüb, schauen geradeaus direkt in meine, aber sehen doch durch mich hindurch. Ihre Augen sind rot unterlaufen, das sonst so strahlende weiß von geplatzten Äderchen zerrissen.

Ein Anblick, der mir Angst macht, einen Schauer über den Rücken jagt und mir die Kraft nimmt, mich nach vorne zu beugen, nur wenige Zentimeter, und die Arme um sie zu legen. Ich hänge an ihren eingerissenen, blauen Lippen, ihrem flackernden Blick und den verklebten Wimpern. Der linke Nasenflügel zuckt ab und an hektisch.

Langsam streckte ich die Hand aus, öffne sie und berühre mit meinen Fingerspitzen ihre feuchten Wangen. Ich möchte ihr sagen, dass sie nicht weinen soll. Ich möchte ihr sagen, dass alles gut ist. Ich möchte ihr sagen, dass ich da bin.

Aber ich bleibe stumm. Ich habe noch nicht gelernt diesen Dämon zu bekämpfen und so sitzt er nun vor mir, sieht mich an und doch durch mich hindurch. Er weiß genau was in mir vorgeht.

Ich kneife die Augen zusammen, presse die Lippen aufeinander und ermahne mich still selber zu mehr Mut. Es dauert einen Augenblick bis ich merke, wie sich der Knoten langsam löst, die Anspannung weicht und der Nebel aus meinem Kopf verschwindet. Dann schau ich sie an, direkt in ihre glasigen Augen. Meine Stimme ist fest und bestimmend:

„Hör endlich auf zu flennen!“

Dann wache ich auf. Im Spiegel begrüßt mich ein lächelnder Mensch und ich zwinkere ihr zu. Nichts zu sehen von unterlaufenden Augen oder eingerissenen Lippen.

Nein, es war nicht der erste Kampf, den wir beide nachts ausgefochten haben. Und wahrscheinlich war es auch nicht der letzte.
Aber diesen einen, den habe ich gewonnen.

blinkende, fette Worte habe ich nachträglich wieder entfernt.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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22 Gedanken zu „Machtkämpfe

  1. Erschreckend real – ich wurde vor langer Zeit mit genau diesem Gesicht und diesem leeren Blick einer Bekannten konfrontiert, leider in der Realität. Als ich rausbekam wie das zustandekam hab ich mir das erste und einzige Mal irgendeine Waffe in Reichweite gewünscht…

    Der Schreibfehler im vierten Wort vom zweiten Absatz fürt irgendwie zu Verwirrung… :)

  2. So ist das eben, wenn man alle Leserstämme befriedigen will. Nur leider beschleicht mich inzwischen das Gefühl, dass die fette, blinkende deutlich größer ist.

    Kann man eigentlich als Züchter einfach die Rasse wechseln?

  3. Auf Hundefutterverpackungen gehören eigentlich auch keine Abbildungen von Brüsten. Der Verkauf wird zwar sicherlich angekurbelt, führt aber auch dazu, daß der eigentliche Inhalt nur noch zweitrangig ist.
    Der Kunde ist zufrieden und der Futterhersteller hat den Inhalt umsonst hergestellt.

    Wie auch immer: Für die Restbestände gibt es gerade im heutigen Zeitalter mehr als genügend Auffangstellen, bei denen der Inhalt zur Verpackung passt.

  4. Ich bitte den Kommentar von mir zu entschuldigen. Ich habe nur alle Leute aus meiner alten Blogroll informiert da mich fast alle gebeten haben Ihnen den Link zu geben.
    Ich hoffe Sie und Herr H. verstehen das…

  5. @Herr H.: Sehen Sie sich Garfield 2 an – was Jennifer Love Hewitt da so präsentiert ist für einen Kinderfilm eigentlich auch unnötig – genauso wie der Ausruf des „bösen“ John Cleese „Ich habe ein Monster in meiner Hose“… – man befriedigt halt gerne en passant noch ein paar neben der ZIelgruppe vorbei. Ist wohl menschlich.

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