Ausstieg in Fahrtrichtung links

Ich bin ein wenig aufgeregt, als ich den Dom sehe und an diesem Morgen die Deutzer Brücke Hohenzollernbrücke mit der Linie 12 überquere. Wie so oft. Ich fahre morgens meistens mit einer der S-Bahn Linien, weil diese länger für die Strecke brauchen und ich somit mehr Zeit zum Lesen, Musik hören oder Schreiben habe. Als die Bahn am Gleis 11 des Kölner Hauptbahnhofs hält hole ich noch einmal tief Luft und betrete den Bahnsteig.

Und tatsächlich. Heute fühlt es sich anders an. Schmunzelnd flüstere ich mir selber ein „Auch mal wieder hier?“ zu und tapse vorsichtig auf die Stufe der Rolltreppe, welche sich vor mir gerade aufbaut. Meine Handtasche vor und zurück schwingend laufe ich an meinem Lieblings Zeitungsladen vorbei, in welchem ich mir immer die Neon kaufe. Auf der anderen Seite, schräg gegenüber, liegt 7th Main Street. Der Laden ist so schrecklich hip, dass ich mir schon so manche Wartezeit mit dem Plattdrücken meiner ohnehin schon großen Nase verkürzt habe. Natürlich auch mit der Ausgabe des ein oder anderen Euroscheins, das soll hier aber gar keine Erwähnung finden.

Wiederum schräg gegenüber ist LeCrobag. Ich weiß, dass ich in der Vergangenheit bereits über diesen Laden geschrieben habe, ebenso wie 7th Main Street hier schon Erwähnung fand. Ich ordere gähnend ein Thunfisch-Vollkornbaguette und lasse die Eurostücke klirrend in das Schälchen auf der Theke fallen. „Und, Bist Du noch gut nach Hause gekommen?“
Verwundert schaue ich auf, während ich das Rückgeld in meinem Portmonee verschwinden lasse. Der Typ, der mir mein Thunfischbaguette reicht und breit grinsend vor mir steht, treibt mir tatsächlich die Schamesröte ins Gesicht. Mir. Unglaublich. Ich erinnere mich, dass ich ihm Samstag Nacht, gegen 3:30 Uhr, zugezwinkert habe, als uns nach bereits einer Stunde Warterei bewusst wurde, dass die nächste Bahn nach Hause nicht um kurz vor 4 Uhr kommen würde, sondern erst um 4:41 Uhr. Die Laune ist weder bei Herrn H. die Beste gewesen, noch bei das liebe Sero oder gar mir. Wären wir nicht so unaufmerksam gewesen, hätten wir die Bahn, die keine zehn Minuten vor unserem Eintreffen am Kölner Hauptbahnhof Richtung Troisdorf aufbrach, noch erwischt. Aber so …

Ich grinse also zurück und nicke. „Ja, bin ich. Danke.“

Der Kölner Hauptbahnhof ist nachts so anders, als er am Tag erscheint, auch wenn die Beleuchtung die selbe ist. Die Atmosphäre, die Ruhe, das monotone Surren der Reinigungsmaschine, die ihre Kreise zieht. Ich bin gerne am Kölner Hauptbahnhof, ich liebe die kleinen Geschäfte, die Fressbuden und weiß, wo man dort den günstigsten und wo den besten Kaffee bekommt. Ich mag es, dass die Mädels bei Starbucks meinen Vornamen auf meinen Kaffeebecher schreiben, ohne mich vorher danach fragen zu müssen und ich mag es, dass der Typ bei LeCrobag mir jeden Tag zuwinkt, zuzwinkert und mich anlächelt, auch wenn ich nur vorüber eile und nichts kaufe. Ich mag es, dass die Dame im Zeitungsgeschäft die Neon schon in der Hand hat, sobald sie mich entdeckt und ich mag es, den Kölner Hauptbahnhof zu mögen.

Nachdem nächtlichen und nicht ganz freiwilligen Aufenthalt fühlt es sich sogar ein bisschen anders an, aus der Bahn zu steigen, die Rolltreppe runter zu fahren und durch das Gewühl an Menschen zu laufen. Ein wenig vertrauter.

Ich stecke mein Thunfisch-Baguette in meine Tasche, grinse noch einmal über die Theke und antworte auf das gelachte „Bis Übermorgen!“ des LeCrobag-Verkäufers mit einem Zwinkern.

„Bis Übermorgen.“

[Aus der Kategorie: und hier dann der Fotobeweis.]

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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16 Gedanken zu „Ausstieg in Fahrtrichtung links

  1. Eine schöne Geschichte, und sehr richtig. Besonders wenn man HBF und Eigelstein vor der „Reinigung“ kannte. Allerdings stimmt die Brücke in der Einleitung nicht. Die Deutzer Brücke ist die zwischen „Deutzer Freiheit“ und „Heumarkt“, wo die KVB-Linien 1,7,8, und 9 fahren. Du meinst vermutlich die Hohenzollernbrücke.

  2. Ich bin mir ja immer unsicher, ob es ein gutes Zeichen ist wenn mich Verkäufer wiedererkennen und schließlich meinen Namen wissen. In einigen Fällen ist es klar ein Vorteil, weil beipielsweise der Buchhändler vielleicht eher ein Buch zur Ansicht bestellt als sonst. Aber als ich beim Metzger in der Stadt die ehemalige Metzgerin von um die Ecke traf, war mir das seltsamerweise gar nicht so recht. Und als die Kassiererin im Supermarkt neulich mich mit Namen verabschiedete, dachte ich auch, dass ich dort wohl zu oft einkaufe.

  3. das mag ja etwas semi-off-topic sein, aber: meinereiner war ja sehr enttäuscht, als er das erste mal Köln Hbf war und dann direkt rüber zur Dom-Platte ist. Nur, falls jemand meint etwa zu verpassen. Aber das „Hotel im Wasserturm“ war seht geil, das schönste eigentlich. Nur, falls jemand wirklich mal planen sollte in dem Kaff zu übernachten! ;)

  4. Die NEON ist auch eine klassische Bahnlektüre. Aus zweierlei Gründen: Zum einen habe ich eigentlich nur in der Bahn Zeit, mich mit den langen Artikel ausführlich zu beschäftigen, zum anderen sagt eine Zeitung/Illustrierte etwas über ihren Leser aus. Das möchte ich mit der NEON auch erreichen. Ich hatte schon sehr interessante Unterhaltungen deswegen.

    Dass man an einem Hauptbahnhof namentlich bekannt ist, ist… naja, wenn Du es nicht wärst, Pia und ich es besser wüsste… man könnte Schlimmes vermuten. ;-)

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