Hier steh ich nun, zwischen den Stühlen.

Ich bin ja so ein Medien- und Marketingmensch. Einer, der sich Gedanken darüber macht, was für Kunde X eine sinnvolle, vielleicht sogar innovative, Werbemaßnahme wäre, was ihn ins Gespräch bringt, vorrangig positiv und was ihn an seine Kunden, beziehungsweise seine Kunden an ihn, bindet. Das Übliche.

In diesem Gesamtwerk stecken, wer hätte das gedacht, eine gehörige Portion Psychologie und Soziologie. Nein, dafür muss man nicht studiert haben, mit einer Tasse kaltem Kamillentee und Birkenstocks über Büroflure huschen oder die grob gestrickte Wolljacke Gassi führen (letzteres wird diesen Winter übrigens wieder Mode – das nur am Rande – Prada macht´s vor).

Werbung, Marketing und ja, auch PR, basieren zunächst auf schnöden Basics, die man im Laufe der Zeit beigebracht bekommt, aufschnappt und selber erfährt. Dann gibt es die tiefgehenderen Faktoren, das Zusammenspiel von Kunde X und seinem Produkt, der Platzierung im Markt, Respektive in der Gesellschaft. Und natürlich das Image. Image ist nicht alles, aber alles was wichtig ist, meistens. Es gibt an sich keine allgemeingültigen Regeln um ein erfolgreiches Marketingkonzept auf die Beine zu stellen. Klar, sonst gäbe es ja nur noch erfolgreiche Unternehmen.

Aber, und nun kommen wir mal zum eigentlich Thema diese Beitrags, ich muss für mein Produkt in erster Linie den richtigen Kanal finden und damit meine ich nicht RTL, ZDF oder EuroSport. Ich brauche den richtigen Werbekanal, um mit Kunde X bzw. dessen Produkt seine Zielgruppe zu erreichen und so ein einigermaßen sicheres Standbein im Markt zu bekommen.

Welche großen Werbekanäle haben wir? Klar, das Fernsehen. Jeder der genug Budget hat und was auf sich bzw. sein Produkt hält, wird ein paar Sekunden zu möglichst viel versprechenden Sendezeiten buchen. Printmedien, ganzseitige, halbseitige Anzeigen, ist ein anderer Kanal. Und so weiter.

Und dennoch scheinen diese Kanäle eingeschlafen zu sein. Überreizung? Auch, sicherlich, aber das Problem ist meines Erachtend ein anderes.

Wir verraten dem Endkunden vorher schon was wir mit der Werbekampagne erreichen wollen, was wir in seinem Kopf auslösen wollen, dass wir mit seinen Ängsten und Wünschen spielen. Wir sind eine wissensdurstige Gesellschaft (auch wenn PISA etwas anderes sagt), die alles hinterfragen, googlen und wikipedien muss. Und wenn sich jemand nicht von alleine zu seinen Beweggründen und Zielen auslässt, dann drehen wir uns misstrauisch weg und ignorieren ihn und sein Produkt. Transparenz ist das Schlagwort.

Dummheit oder eher Nichtwissen macht hingegen empfänglich für Manipulation und Instrumentalisierung.

„Hier, kaufen Sie dieses Deo und die Frauen werden auf Sie fliegen. Egal, ob sie 30 Kilo Übergewicht, Haare auf dem Rücken, aber dafür keine auf dem Kopf haben.“

Meine Gedanken zum gestrigen „runden Tisch“ bei Edelmann gehen in eine ähnliche Richtung. Da wird davon gesprochen, die Bloggosphäre solle sich selber kategorisierbar machen oder vielmehr statistisieren lassen.

Wir schaffen einen neuen Kanal, einen neuen Markt und ihr, die Blogger, ihr seid doch bitte so lieb und zieht Euch dort drüber mal aus, damit wir euch hier hinten den Enddarm durchleuchten können und da vorne dann die Fingerabdrücke abnehmen können.

„Danke für ihre Bereitschaft ihre biometrischen Daten hier einzuwerfen“, könnte man an den Technorati-Briefkasten schreiben, das wäre wenigstens noch freundlich.

Ich kann mich doch nicht allen ernstes hinstellen, solch ein Gespräch suchen, in dem ich zwar durch die Blume, aber dennoch sehr deutlich, sage: „ja, wir wollen die Bloggosphäre instrumentalisieren“ und – das ist der Knaller überhaupt – dies dann auch noch veröffentlichen.

Transparenz gut und schön, ich bin auch Blogger und freu mich, dass man mir zumindest vorher sagt, dass man mich instrumentalisieren und zum Teil eines neuen Marktes machen will, weil ich dann selber entscheiden kann, ob ich das mit mir machen lasse oder nicht. Aber ich bin auch so ein Medien- und Marketingmensch und aus dieser Position muss ich sagen:

Sorry, nee, also, das war gar nichts.

Demnächst in ihrem Supermarkt: „Kaufen sie diese Schokolade hier. Die hat extra eine goldene Verpackung, damit ihr Besuch, dem sie diese Süßigkeit anbieten, denkt: ‚Boah, wie edel. Der muss ja Kohle haben‘.“

Nur blöd, dass ihr Besuch im selben Supermarkt einkauft und lesen kann.

Jens Schröder am runden Tisch:

The blogoshpere is no market, it is communication, they are people […].

Amen.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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14 Gedanken zu „Hier steh ich nun, zwischen den Stühlen.

  1. Man kommt sich ein wenig vor, wie bei der Erschließung eines neuen Kontinentes. Jeder will ein Stück des Kuchens bzw. des Landes für sich. Des Weiteren könnte man auch den Eindruck bekommen, wenn man keinen Markt hat, dann macht man sich halt einen selber. Wenn man dann keinen Kunden hat, dann Angelt man sich welche. Nenn man so was Big-Business? Gucken wir mal gespannt weiter, wohin die Reise geht.

  2. ich denke [sehr subjektiv], der ganze blogkwatsch wird marketingtechnisch jenseits der pornoseiten völlig überschätzt. das ganze internet wird marketingtechnisch völlig überschätzt. ich habe jedenfalls noch nie irgendeine werbung wahrgenommen [ja, jetzt kommen wieder die überschlauen werbepsychos mit dem unterbewußtsein], geschweige denn, daß ich sie geklickt hätte …

  3. Im Internet funktionieren aus meiner Sicht nur Werbemaßnahmen für virtuelle Dinge. Höchstens noch Sachen für die ich nicht den Bildschirm verlassen muss. Versandhäuser sind da für mich der Grenzpunkt.

  4. Jaja, ich erinnere mich da an so eine Opel-Aktion, an der sich auch diverse Blogger beteiligten. Warum hat Opel das wohl gemacht. Bestimmt nur weil sie den Bloggern was gutes wollten und bestimmt gar nicht, damit sie ganz toll darüber bloggen…..Äh wo war noch gleich der Unterschied zu obigem Artikel?

    „The blogoshpere is no market, it is communication, they are people […].“ Genau und da diverse Blogs stark frequentiert sind, ist es natürlich besonders toll, wenn sich jene positiv zu einem Produkt äußern bzw. in diesem Falle die Aktion eines Herstellers bejubeln. Kommunikation ist eben alles! Eine wesentlich effektivere Form der Mund-zu-Mund-Propaganda. Welche Form von Werbung ist besser?!

  5. Kess: Ich glaube, Du hast den Sinn meines Beitrages nicht richtig erfasst. Natürlich geht es hier um Werbung, Werbekanäle und Märkte. Was der Kunde/die Marke sich von Werbung/Erwähnung erhofft, ist klar.

    Sich als Agentur aber hinzustellen und zu sagen: wir wollen, dass die Bloggosphäre als Markt repräsentativer ist und dafür sollen die Blogger bitte selber sorgen … das ist mutig. Und dumm, wie ich finde. Jedenfalls in einem „Kommunikationszusammenschluss“ wie der Bloggosphäre.

  6. Pia: Das ist nicht nur mutig, nicht nur dumm – das ist sogar schlichtweg unverschämt. Ich meine, wenn ich einen neuen Werbekanal erschließen will, kann ich mich nicht einfach hinstellen und sagen „Wir wollen euch benutzen, macht mal was, dass wir’s auch können!“

    Dass gewisse Werrbetreibende die Blogs instrumentalisieren und gezielt für Werbung nutzen wollen, dürfte ja schon länger bekannt sein – nicht erst seit den Opel-Bloggern. Und dadurch, dass durch den „Kommunikationszusammenschluss“ Blogosphäre der Werbekanal nicht mehr so offensichtlich zu sehen ist, ist eigentlich der einzige Grund, warum Blogs als Werbekanal erschlossen werden wollen. Blogs wirken authentischer, als wenn ein Werbespot im Fernsehen läuft, ein Produkttest in einer Zeitung steht oder jemand auf der Straße die Vorzüge seines Produktes anpreist. Denn, und das wurde schon angesprochen: Blogs implizieren „Mund-zu-Mund-Propaganda“. Wenn mir ein Blogger (oder auch Podcaster) ein Produkt ans Herz legt, dann würde ich ihm eher glauben als wenn ich einen Artikel in einer Zeitschrift lese, z.B.

    Nichtsdestotrotz sollte man doch, egal welchen Medien- oder Kommunikationskanal man nutzt, eines immer tun: kritisch hinterfragen. Allem vorerst misstrauen, was mir serviert wird. Wenn ich immer alles glaube, dann habe ich über kurz oder lang einen Bildungsstand, wie es mir die BILD-Zeitung servierfertig auftischt – sowohl was Nachrichten als auch was Werbung angeht. Mein Haus würde von „Volks“-Produkten nur so überquellen – weil angeblich ja jeder sowas braucht. Also: Augen auf und Hirn an, statt alles hinzunehmen. Auch bei Blogs.

  7. Blaustrophobiker: Ich stimme Dir zu, aber …

    Bloggs sind auch nur so lange authentisch und glaubwürdig, bis der Leser weiß, dass man über ein Produkt nicht aus eigenem Antrieb schreibt. Ob der Blogger dabei seine eigene Meinung wiedergibt oder nicht ist dann nicht mehr relevant. Und DAS ist wiederum sehr schade. Denn initiierte Mund-zu-Mund-Propaganda kann an sich auch in der Bloggosphäre funktionieren.

  8. Pia: Da sprichst du natürlich auch einen wichtigen Punkt an, den ich mit „kritisch hinterfragen“ wohl schon etwas angeschnitten habe. Ich denke, das Problem ist, dass wenn jemand nicht mehr aus eigenem Antrieb über ein Produkt schreibt, dass diese Person eher dazu geneigt ist, Vorgefertigtes wiederzukäuen. Klar, das ist mit Sicherheit nicht allzu häufig der Fall (bei der Opel-Blogger-Geschichte, z.B., will ich mal davon ausgehen, dass ihr tatsächlich alle eure eigenen Eindrücke geschildert habt, statt auf Opel-eigene Texte zurückzugreifen) – aber das Problem ist, dass man das als einfacher Leser, der vielleicht sogar zum allerersten Mal ein bestimmtes Blog besucht, nicht genau feststellen kann. Ich bin in diesem Bereich zuerst dazu geneigt, Misstrauen an den Tag zu legen und das entsprechende Blog erstmal eine Weile im Auge zu behalten – meist, gebe ich zu, ist mein anfängliches Misstrauen dann verflogen, da Blogs in der Regel halt dann doch glaubwürdig sind bzw. mir glaubwürdig erscheinen.

    Natürlich hast du damit mehr Erfahrung als ich, da du schließlich auch schon „auf der anderen Seite“ standest, ich kann hier halt eben nur meine eigene (eingeschränkte) Sicht der Dinge schildern.

  9. Mit „nicht aus eigenem Antrieb“ meinte ich übrigens nicht, dass man selber keine Ambitionen dazu hat, sondern, dass man von alleine vielleicht einfach nicht auf die Idee gekommen wäre. Konzepte wie bei der Opel-Aktion – „Hier, wir geben die vier Woche unser Auto. Sag mal, was Du davon hältst!“ (mehr war es tatsächlich nicht) – sind großartig und genau die Dinge, die in der Bloggosphäre werbetechnisch funktionieren KÖNNEN. Wenn überhaupt Werbung, dann bitte so.

    Ich finde es schade, dass es nicht noch mehr Firmen gibt, die den Mut beweisen ihr Produkt in den Raum zu werfen und den Autoren/Bloggern völlig freie Hand zu lassen. Gut, zu glauben, dass wir wirklich absolut keine Rahmenbedingen bei der Berichterstattung mitgegeben bekommen haben, scheint dem ein oder anderen heute noch schwer zu fallen.

    Aber das war ja jetzt auch eigentlich gar nicht das Thema.

  10. Das „nicht aus eigenem Antrieb“ habe ich schon insoweit verstanden, wie du es mir hier noch einmal geschildert hast, Pia. Aber das Ding ist ja, dass du immer noch auf der einen Seite sagen kannst „Warum bin ich nicht von selbst drauf gekommen“ und enthusiastisch zu schreiben beginnst, auf der anderen Seite aber auch meinen kannst „Naja, ist zwar nicht mein Ding, aber gibt Kohle dafür“ und so Pressetexte in eigenen Worten wiederkäust. Bisher ist ja (fast) immer nur Ersteres in der Blogosphäre passiert, und das finde ich positiv weil glaubwürdig – eben wie eure Opel-Blogger-Geschichte (mit der ich mich wohl wesentlich mehr beschäftigt hätte, hätte ich zu der Zeit Interesse an einem neuen Auto gehabt). Ich denke, unsere Meinungen driften da nicht gerade weit auseinander ;)

    Aber um den Bogen zum eigentlichen Thema mal wieder zurückzubekommen: in diesem Fall kamen die Unternehmen ja zu einzelnen häufig gelesenen Bloggern und baten sie um eine Partnerschaft – im Vorfeld haben sie aber schon selbstständig recherchiert, wer denn in Frage käme aufgrund von Reichweite, Zielgruppe und nicht zu vergessen natürlich auch Schreibstil. Das ist legitim weil immer noch ein Haufen Arbeit. Jetzt aber hinzugehen und von den Bloggern unentgeltlich(!) eben diese Arbeit zu verlangen (wie ich obigen Text interpretiere), damit die Unternehmen einfacher Werbung treiben können, ist schlichtweg eine Unverschämtheit. Unabhängig davon, dass man Blogs als Werbekanal nutzen will – aber dann sollen die Unternehmen sich doch bitte auch selbst die Arbeit machen, wer denn in Frage käme und wieviel Erfolg die Kampagne hätte. Ich arbeite zwar nicht im Marketingbereich, aber gehört das nicht auch zum Marketing dazu? Vergib mir, wenn ich da was falsch sehe, aber für mich gehört auch die Auswahl des Kanals (und damit im konkreten Fall auch des passenden Bloggers) zu einem guten Marketingkonzept.

    Vielleicht bin ich aber auch einfach nur dumm, naiv und weltfremd – ich lasse mich da gern eines Besseren belehren ;)

  11. Ich mag ja inzwischen nicht mehr an Umfragen in Einkaufszentren etc. oder entsprechenden (ev. sowieso nur getarnten) Telefonumfragen teilnehmen. Ich habe immer das Gefühl ich erkläre denen, wie sie mir noch besser das Geld aus der Tasche ziehen können. Das sollen die man schön selber herausfinden.

  12. Die Opelblogger-Geschichte hat doch gezeigt, wie es geht. Man darf das Blogdings gerne um seine Meinung fragen, aber man darf es nicht ärgern oder reizen – sonst hat man „die Meute am Hals“. Die Blogbeiträge waren dann auch so aufregend wie das Auto und so richtig gelohnt hat es sich vermutlich erst durch die TV-Sendung. Mit ein wenig Phantasie konnte man sich ausmalen, dass es einer der Blogger zu Raab (oder sogar Schmidt?) schafft oder die ganze Sache völlig in die Hose geht, wenn mit den Autos irgendwas passiert wäre oder irgendein Skandal durchs Blogdorf getrieben wird – da reicht im Ernstfall ein durchgerosteter Kadett. Also: Wenn Werbung wieder richtig spannend sein soll, dann sind Weblogs und Podcasts durchaus eine geeignete Plattform. Ich bin gespannt und hoffe auf aufregende Blogbeiträge über aufregende Autos;-)

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