Mit der einen Hand streiche ich Dir Dein schwarzes und leicht verfilztes Haar aus den Augen. Du hast wunderschöne braune Kulleraugen und das flüstere ich Dir auch leise zu. Mamas Stimme zittert, als sie mich bittet, das nicht zu sagen. Ich denke, ihr tut diese Wahrheit in diesem Moment nur zusätzlich weh, weil sie weiß – ebenso wie ich – wie sehr wir Deine Kulleraugen vermissen werden. Deine Nase zuckt leicht. So, wie sie es schon immer getan hat, wenn ich Dir die Haare aus der Stirn gepustet habe. Du liegst ganz still da, erwiderst meinen Blick und versuchst immer wieder den Kopf zu heben. Dein Herz klopft so stürmisch und schnell, wie ich es lang nicht mehr hab schlagen sehen. Aber Du fiepst nicht, Du brummst nicht oder winselst. Du bist ganz ruhig, schaust uns an, wie wir mit glasigen Augen immer wieder durch Dein dichtes Fell streichen.
Ich erinnere mich noch genau, wie Du damals bei uns eingezogen bist. Ich war vierzehn Jahre alt und Du meine treuste Gefährtin in all den folgenden Jahren. Zu Beginn sahst Du aus, wie ein großes, flauschiges Wollknäuel, bei dem man Das Vorne nicht vom Hinten unterscheiden konnte. Mit der Zeit wurdest Du kräftiger, bekamst dickes lockiges Fell und sahst im Winter wie ein Bär aus. „Bärchen …“, flüstere ich leise und kraule Dich hinterm Ohr, was Du immer ganz besonders gemocht hast.
Dann kommt der Arzt herein, schert das Fell an Deinem linken vorderen Lauf ab und sticht eine Nadel in die Vene. Du spürst das wahrscheinlich schon gar nicht mehr, siehst mich aber weiterhin an. Deine Nase zuckt immer noch. Dreimal zieht die Helferin die Spritze auf und dreimal injiziert der Arzt Dir diese klare Flüssigkeit, die Dich immer schläfriger macht. Bis zum Schluss siehst Du mich an, bis zum Schluss spüre ich Deinen Puls unter meiner Hand durch Dein dichtes Fell pochen. Mama flüstert Dir zu, dass Du gleich bei Maxin bist und dass es Dir dann besser geht. Dann wird Dein Puls langsamer, langsamer, langsamer … ich drücke mein Gesicht in Dein verfilztes Fell, weine laut und weiß, dass ich Dich in dieser Sekunde gehen lassen muss. Es tut so weh und dennoch weiß ich, dass es so besser ist.
Ich löse Dein Halsband, schließe es wieder mit zitternden Fingern und sehe in Deine braunen Kulleraugen, die mich weiterhin ansehen – jetzt aber leer und kalt. Ich weiß nicht, ob Du mir vorwirfst, später so selten dagewesen zu sein. Ich werfe es mir jedoch selber vor, in diesem Moment.
Als wir im Auto sitzen, die Leine und Dein Halsband in der Hand, flüstern wir uns zu, dass Du jetzt bei Maxin bist und ihr endlich wieder zusammen sein könnt. Seit Maxin gegangen ist, hast Du jeden Tag ein bisschen mehr abgebaut. Erst wolltest Du nicht mehr Spazieren gehen, dann nicht mehr Fressen … zum Schluss hast Du weder getrunken noch gefressen. Du konntest vor Schmerzen nicht mehr aufstehen und bist oft eingeknickt und umgefallen. Der große stämmige Bär, der früher soviel Kraft hatte und manchmal kaum zu halten war. Das warst Du zu Schluss nicht mehr. Jetzt bist Du bei Maxin und Mama und ich lachen leise, als ich flüsternd feststelle, dass ich mir nicht sicher bin, ob Maxin sich darüber freut oder eher um ihre Ruhe und ihren Frieden jammert. So oft hast Du sie geärgert, ihr in die Beine geknufft und ihr letztendlich doch wieder versöhnlich die Ohren geleckt.
„Ein Tier…“, werden sie sagen „Es war doch nur ein Hund.“
„Ja“, werde ich antworten. „Ein Hund. Aber nicht nur, sondern für mich auch viel mehr.“
Ich fühle mit dir Pia, musste das auch schon durchmachen. Seit meiner Geburt hatte mich unser Hund begleitet doch als ich 9 war mussten wir ihn ebenfalls einschläfern lassen. Meine Eltern konnten das nicht machen und so schickten wir eine geliebte Nachbarin zum Tierarzt…das Gefühl als Sie mit der leeren Decke wiederkam werde ich nie vergessen…
Bleib stark…
Pia, das tut mir sehr leid.
Du hast es so schön geschrieben, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Loni hat es sicher verstanden, warum Du nicht mehr so häufig da warst. Und Du hast sie sicher in guten Händen gelassen.
Niemals „nicht nur“.
Ein Hund ist nicht „nur ein Hund“!
Sowas kann nur jemand sagen, der noch nie einen Hund hatte.
Wenn Dich ein Hund dein halbes Leben begleitet und Du Dich dann von ihm verabschieden mußt, vorbereitet wie in Deinem oder unvorbereitet wie in meinem Fall, dann ist das nicht weniger schlimm, als wenn Du einen Menschen verlierst!
vor ein paar Jahren musste ich meine Katze, die ich 17 Jahre hatte, einschläfern lassen. Du hast die Tränen zurückgebracht und ich kann gut nachvollziehen wie du dich fühlst :-(
Ich weine mit Dir. Aus tiefstem Herzen. :´(
auch wenn das mehr als traurig ist, sie schreiben immer so schön, das ich mitfühlen und mur auch ein tränchen wegwischen muss.
ich drücke sie ganz doll und fühle mit ihnen!
Mein herzliches und aufrichtiges Beleid.
Ich weiß noch genau wie es am 20. April 2006 war als ich mit meiner Katze Candy aus dem gleichen Grund beim Tierarzt war …………..
Unsere beiden neuen Miezen werden Candy zwar nicht aus der Erinnerung vertreiben – aber sie sind ein guter „Ersatz“ (unpassendes Wort, mir fällt aber gerade nichts besseres ein)
Oh man, ich mußte auch heulen, als ich das gerade gelesen habe.
Ich fühle mit Dir!
Ich hab zwar mein Leben lang Katzen gehabt, aber deren Tod ist nicht weniger schlimm.
Ich hätte einen Exfreund wirklich erschlagen können, als er anstatt mich zu trösten kalt sagte: „Es ist doch nur eine Katze“. Da war mein lieber Kater nach 13 Jahren inniger Freundschaft gestorben.
Sowas kann wirklich nur jemand sagen, der keine Ahnung von Tieren hat.
Ich finde es schön, daß Ihr das so seht, daß er jetzt bei seinem „Kumpel“ ist. Ich bin sicher, daß es so ist!!!
Sie hätte keinen schöneren Abschied von dieser Welt haben können als diesen, ganz einfach weil Du bei ihr warst und sie so lieb begleitet hast…und sie ist sicher bereits mit Maxin am Rumtollen *ganzfestdranglaub*
Ich dank Euch allen sehr für Eure lieben Worte :)
Mein Beileid.
Ich hätte das nicht können – wäre wahrscheinlich selbst einen grausamen Psycho-Tod gestorben.
Hi, Pia!
„…bis einer heult“ heißt es bei Dir, Du hast es geschafft! Hocke hier vorm Rechner und flenne. Denke an unseren Hund, der meine Kindheit und Jugend begleitet hat und dann wie Loni gehen musste und Nelson, den kleinen Rotzlöffel, den wir heute haben und der hoffentlich noch lange, lange bleibt.
Allen Schwätzern, die Deine Gefühle nicht verstehen, kann man nur mit einem Zitat von (ich glaube) Heinz Rühmann begegnen:
„Man kann ohne Hund leben – aber es lohnt sich nicht!“
In diesem Sinne, herzlichste Grüße aus Neu-Ehrenfeld, Siv
vielleicht toben sie jetzt zusammen … engel müssen fliegen … ein wunderschöner text, danke dafür und dass ich mich auf einmal mit meinem abschied nicht mehr so allein fühle