Ein Katzenabenteuer

Ich stand gegen 20 Uhr auf dem Balkon und telefonierte mit der liebsten Freundin. Ich war gerade bei der Berichterstattung über Kittys Verschwinden, als ich zwei Katzen im Nachbargarten schreien höre. Augenblicklich steht Pucca neben mir, maunzt und ich witzle noch ins Telefon, dass das bestimmt Kitty sei.

Dann sehe ich zwischen der Hecke zum Nachbarn hindurch weiße Pfoten. Mehr nicht. Ich rufe also kurzerhand. Einmal, zweimal. Einfach so und auf gut Glück. Dann erreichen die Pfoten das Ende der Hecke, es biegt der Rest des Körpers um die Ecke und da steht mein blondes Katzenmädchen und guckt mich an. Ich schreie hysterisch in den Hörer „Da, da, das ist Kitty! Ich ruf zurück!“, schmeiße das Telefon achtlos weg und renne in die Wohnung. Auf dem Weg zur Tür brülle ich den Mann an, der auf dem Sofa eingeschlafen ist und von meinem „Draußen steht Kitty!“ so erschrocken hochfährt, dass er halb über den Wohnzimmertisch fällt.

Ich renne also raus, auf die andere Straßenseite zum Grundstück des Nachbars und rufe immer wieder in meinem typischen Kittyrufton „Kittykittykitty?“ Die Nachbarn haben sich inzwischen daran gewöhnt. Doch es ist nichts zu sehen.

Ich gehe dann einmal um unser Haus. Wir wohnen ja direkt am Feldrand und an einer Pferdekoppel angrenzend. Genug Büsche, Sträucher, Fläche um sich zu verstecken.

Der Mann ruft vom Balkon, sie sei da und da ins Gebüsch gerannt und ich renne folglich 30 Minuten auf und ab, rufe nach meinem Mädchen und mache mich völlig zum Kasper mit Rufen wie „Komm zu Mama!“ Erst nach dieser halben Stunde komme ich auf die Idee, die Leckerchentüte zu holen und damit zu rascheln. Doch auch das bringt keinen Erfolg. Die Katz bleibt verschollen. Stattdessen stehen drei Nachbarskatzen mit erwartungsvollen Blicken vor mir. Kein Scherz!

Die ganze Zeit über steht Pucca auf unserer Gartenkiste, die Vorderpfoten auf dem Balkongeländer, und ruft nach ihrer Schwester. Doch keine Kitty zu sehen. Ich könnte heulen, ob der Verzweiflung des Schwarzkatz.

Irgendwann fängt es an zu dämmern und ich setzte mich enttäuscht auf die Schaukel im Garten und warte einfach. Doch es passiert nix. Schließlich gehe ich irgendwann wieder hoch, rufe die weltbeste Sero an, die mir in den letzten Tagen des Katzvermissens die größte Stütze war und berichte mein Leid. Wieso rennt meine Katze vor mir weg? Sie ist doch eine total Menschkatz? Und wieso reagiert sie auch nicht auf Pucca, die völlig verzweifelt über das Balkongeländer guckte und schrie, schrie, schrie. Sie tat mir noch am meisten leid.

Letztendlich stellen wir aber schon mal erleichtert fest, dass es dem Katz gut geht, denn rennen konnte es. Und sie würde sicher noch mal auftauchen. Vielleicht war sie nur von der Schlägerei mit dem Nachbarskatz verschreckt. Überhaupt gibt’s hier viele viele Katzen – Feldrand eben – die ihr Revier schon lang abgesteckt haben.

Nach dem Telefonat tippel ich noch mal mit den Fingernägeln an einen Blumentopf. Als Kitty und Pucca Babys waren, konnte man sie zum Fressen locken, indem man mit den Fingernägeln an ihren Napf tippelte. Und da kommt mir die Idee, dass ich es ja mal mit dem alten Napf versuchen könnte. Vielleicht liegt‘s ja am Ton?

Eine Minute später hab ich das alte Ding aus dem Schrank gepflückt, stehe mit Pucca, die beim Anblick ihres Babynapfes in helle Freude ausbrach, auf dem Balkon und klappere mit den Nägeln. Und so schnell wie das Geräusch des Klappern entsteht, so schnell höre ich mein Katzenmädchen aus dem Gebüsch rufen. Leise, ein bisschen zaghaft und ängstlich, aber eindeutig mein Katzenmädchen.

Ich bin erneut in Aufruhr, rufe nach ihr und nun antwortet sie mir auch. Aber sie kommt nicht aus dem Gebüsch. Erneut stürze ich rein, rufe dem Mann zu, er solle auf dem Balkon mit dem Napf klappern, während ich diesmal ruhig und langsam runter gehen werde.

So halb ruhig und halb langsam stehe ich dann also vor dem Gebüsch, aus dem mein Katzenmädchen kräht. Und es kräht nun ausdauernd. Ich werfe mich auf die Knie, krieche halb unter den Busch und sehe das weiße Gesichtchen mit den großen Augen und den riesen Ohren ängstlich zwischen ein paar Ästen hervor gucken. Alles locken nützt nix. Sie antwortet zwar auf jeden Satz und jedes Wort, aber sie kommt nicht heraus. Dann ist es plötzlich dunkel und ich sehe nichts mehr, außerden den leuchtenden Augen.

Kurzerhand klopfe ich bei der Nachbarin ans Fenster, frage nach einer Taschenlampe und liege dann erneut im Gebüsch. Ich komm an die Katz einfach nicht heran. Zu tief hat sie sich verkrochen. Ich strecke meine Hand aus, und sie reckt ihr Näschen entgegen, scheint mich am Geruch zu erkennen und versucht sich mir entgegen zu schieben, schafft es aber nicht. Ich rutsche also noch weiter ins Gebüsch, schrabbe mir dabei die Beine auf, packe die Katz im Nacken und zerre. Dabei rede ich beruhigend auf sie ein. Doch als ich sie endlich draußen habe schießt eine Nacharskatz auf uns zu, das Mädchen rudert und windet sich, ich lasse los und …. weg ist sie. Fünf Meter weiter taucht sie erneut ins Gebüsch ein und ich höre eine fremde Katze fauchen.

Den Tränen nahe werfe ich mich also fünf Meter weiter wieder auf den Boden, krieche wieder unter Büsche und locke, was das Zeug hält. Diesmal dauert es eine Weile, bis sie mir wieder antwortet. Und ich muss diesmal erkennen, dass sie nun so tief im Wurzelwerk eines Busches sitzt, dass ich keine Chance habe, an sie heranzukommen. Weil es inzwischen stockdunkel ist wage ich mich so tief kriechend in das Gebüsch, wie es mir möglich ist. Ich will gar nicht wissen, welche Tiere dabei auf mich drauf und um mich rum klettern, krabbeln, schwirren. Was man nicht sieht, ist auch nicht da … versuche ich mir einzureden. Ich fluche leise und drohe der Katz ein qualvolles Ende an, solle das jetzt alles umsonst sein. Ein qualvolles Ende für sie!

Dann antwortet sie mir plötzlich nicht mehr, es knackt aber im Gebüsch und urplötzlich schießen gleich zwei Katzen mit lautem Gebrüll aus dem Gebüsch. Vorneweg das blonde Katz.

Ich stöhne, stampfe wütend auf und möchte die Verfolgerkatz am liebsten lynchen. Ich weiß zwar, in welche Richtung beide liefen, aber ich kann nicht mehr ausmachen, wo sie genau hin sind. Und das Katzenmädchen antwortet mir nicht mehr. Shit!

Sehr wütend renne ich also wieder nach oben, pöble da ein wenig heiße Luft an, nehme schließlich den Napf mit runter und klopfe ziemlich aufgebracht mitten auf dem Hof an das Porzellan. Und sofort erhalte ich wieder eine Antwort, die mich diesmal zu den Mülltonnen führt, wo Kitty sich in hinterster Ecke verkrochen hat, so dass ich keinerlei Chancen habe, an sie heran zu kommen. Ich locke sie wie ein Weltmeister. Erfolglos. Stattdessen bemerke ich aus den Augenwinkeln im diffusen Schein der kleinen Taschenlampe einen riesigen Berg Magen an den Biomülltonnen, neben denen ich unmittelbar stehe. Ich ziehe mich also etwas zurück, locker weiter und klopfe an den Napf. Eine gefühlte Stunde. Dann kommt der Mann raus, sagt, er müsse langsam ins Bett, wie der Stand der Dinge sei.

Ich bitte ihn mal zu rufen und zu locken, setze mich der weilen auf vor die Haustür und klappere weiter mit dem Napf, um sie möglicherweise zumindest bis zur Haustür zu locken. Irgendwann kommen unsere Nachbarn Heim und erklären mir erstaunt es sei bereit 23:30 Uhr, als ich erwähne, dass ich seit 20 Uhr die Katz locken würde. Innerlich habe ich für diesen Tag schon abgeschlossen. Morgen wieder, denke ich und sage noch, dass wir nun auch ins Bett gehen würden … als der Mann mit einer wild zappelten und schreienden Kitty in den Händen auf uns zu gerannt kommt.

„Schließ auf! Schließ auf!“ Kitty strampelt und zappelt um ihr Leben und wir sind Gott froh, dass ich ihr die Krallen schneide. Die Unterarme des Mannes danken es mir ganz besonders.

Erst in der Wohnung lässt er sie los und sofort rennt das Mädchen von einem Raum in den anderen, gefolgt von Pucca, guckt, schnuppert, maunzt und reibt sich im vorbei laufen immer wieder laut schnurrend an unseren Waden. Dann endet ihre „alles beim alten?“-Tour vor der Küchentür.

Kitty frisst eine ganze 400 Gramm Dose auf ex und trinkt dazu einen ganzen Napf Wasser! Kitty hat noch nie getrunken, egal wie heiß es war. Pucca war die, für die man Wasser hinstellen musste.

Beim anschließenden Schmusen entdecken wir eine blutige Verletzung am Auge. Heute Abend werden wir damit zum Tierarzt gehen, aber ich denke, dass sie ansonsten in Ordnung ist.

Nur Pucca ist nun etwas verwirrt. Seit heute Morgen faucht sie Kitty an, wenn sie ihr zu nahe kommt. Nicht böse, mit buschigem Schwanz oder so … sondern einfach warnend. Eben hat sie auch kurz mit eingezogenen Krallen nach ihr gehauen, als Kitty an ihr schnuppern wollte. Ich denk, Pucca muss sich nun auch erst mal an ihre verwirrte Schwester gewöhnen und Kitty muss sich ein paar Tage beruhigen können.

Seit ihrem Ausflug maunzt sie ganz anders. Tiefer, herzhafter. Woher hatte sie ein sehr zartes Piepsstimmchen, jetzt ist sie mehr fordernd. Zum Beispiel nach Gesellschaft. Sobald ich außer Sichtweite bin beginnt sie ein sehr lautes und verzweifeltes Kreischkonzert, bis ich mit Rufen ansage wo ich bin oder wiedekomme.

Im Moment liegt sie neben mir auf dem Stuhl und schläft. Pucca kommt immer mal wieder rein und guckt mit Distanz, ob sie auch noch da ist.

Ein aufregendes Katzenabenteuer geht zu Ende … und auf den Balkon dürfen die Katzenmädchen nun jedenfalls nicht mehr!

Endlich wieder zuhause! Das zugekniffene Auge ist das verletzte. Aber sonst geht es ihr gut :)
Endlich wieder zuhause! Das zugekniffene Auge ist das verletzte. Aber sonst geht es ihr gut :)
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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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