(Ein)Geständnisse #31

Wie sehr die Selbstwahrnehmung einem Menschen entgleiten kann habe ich rückblickend in den letzten 20 Jahren erfahren müssen. Ich war eigentlich seit der Pubertät zu dick. Habe ich geglaubt. Also tief verankert geglaubt. Inklusive drunter leiden, sich hässlich finden, schmales Selbstbewusstsein etc. Das ganze Programm eben. Und ich war früh in der Pubertät!

Ich wog immer so um die 60kg bei 163cm. Oh mein Gott, ich schreibe sogar Zahlen auf.

Dann wurde ich schwanger mit dem großen Beebie. Am Ende der Schwangerschaft wog ich 90kg auf 163cm. Ich habe mich so unglaublich unwohl gefühlt. Nicht, weil ich schwanger war, sondern weil mir mein Körpergefühl völlig entglitten war. Ich habe gefressen wie eine ausgehungerte Raupe kurz vor der Verpuppung. Ich hatte aber auch wirklich 9 Monate ununterbrochen Hunger!

Auch der kleine Beebie trieb mich wieder auf die 90kg Spitze.

Als ich all die Kilos wieder abgenommen hatte, fühlte ich mich unendlich schlank. Ich hatte zuvor all meine Klamotten in Größe 36 mit der festen Überzeugung, da nie wieder hineinzupassen, verkauft. Und erschrak ernsthaft, als mir die 36 plötzlich wieder ganz ohne Probleme, oder Kneifen und Zwicken passte.

Obwohl ich 60kg wog, die 60kg, mit denen ich mit seit meiner Pubertät fett gefühlt habe, war ich plötzlich schlank, passte sogar in eine 36. Und ich fühlte mich auch so. Was für eine Erfahrung!

Dann gingen einige Wochen ins Land. Ich gab das ewigen Wiegen dran, weil ich ja erreicht hatte, woran ich gar nicht mehr geglaubt hatte. Ich hatte 30kg abgenommen.

Als mir erneut die ersten kritischen Blicke im Spiegel begegneten, diese „Du bist dick geworden“, „Du hast bestimmt zugenommen!“, begann ich mich zu ärgern. Vermutlich hatte mich die Euphorie über die abgenommenen Kilos so zügellos werden lassen, dass ich mich wieder rund gefuttert hatte.

Ich schlich zwei Wochen um die Waage herum. Dann stellte ich mich drauf und … äh … hatte weitere 2 Kilo abgenommen.

Was ich mit diesem Beitrag sagen will: Selbstwahrnehmung ist ein Arschloch, dass die Gesellschaft in der Pubertät eines jeden jungen Mädchens unten ihren hämischen spöttischen Rufen zermalmt. Und die man leider nie wieder wirklich reparieren kann.

Traurig.

Ich bin tatsächlich schlank! What the Fuck!?!?

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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6 Gedanken zu „(Ein)Geständnisse #31

  1. Das stimmt leider, immer und überall werden „normal“ gebaute Frauen als dick bezeichnet (Doctors Dairy) und klar das sie junge Mädchen in der Pubertät da ein Beispiel nehmen, schade. Ich muss sagen das ich mich trotz fülle wohl fühle, aber auch nur weil ich mal mehr wog und ich nun wieder in Hosen passe was ich nie geglaubt habe. Deine 36 ist bei mir eine 46 und ich bin sehr stolz drauf. Trotzdem hätte ich gerne deine Disziplin um wenigstens noch 20-25 Kilos zu verlieren ^^ Hast du Tipps für mich lol

  2. Seit ich 14 bin ist mein Gewicht ein Auf und Ab.

    Ich hab jetzt auch seit der Geburt 33 Kilo abgenommen, das sind 13 kg weniger als ich vor der Schwangerschaft hatte.

    Ich hatte mit 15 aber auch schonmal noch 10 Kilo weniger und selbst da war ich nicht zufrieden.

    Ich fühle mich jetzt schlank. Aber so richtig schön noch immer nicht. Und der Hintern ist sowieso IMMER zu dick ;-)

    Wir sind toll und wunderschön und einfach großartig!
    So

  3. Ich habe früher (so mit 25) etwa 57kg auf 1,70m gewogen, entsprach einer 34er Hosengröße. Ich habe bei beiden Kindern etwa 15kg zugenommen und pendel jetzt bei 63-65kg umher. Das für mich ok – 5 kg weniger wären super, aber dann müsste ich auf all den leckeren Kram verzichten.
    Ich hatte aber mit 19 eine Zeit, wo ich gerade mal 52kg wog und mich immer noch dick fühlte

  4. Ich habe heute morgen nach fast einem Jahr mal wieder auf der Waage gestanden (angeschubst von diesem Eintrag) und siehe da, meine ‚Ich-bin-eine-kleine-Qualle‘-Gefühle kommen von 1kg+ , bzw. sie können und dürften davon gar nicht kommen… Heute wird geschlemmt – manchmal sind Waagen auch hilfreich.

  5. Hallo Pia,

    Frauen eben! Wir sind alle ein bißchen daneben was das angeht. Vielleicht erfindet mal jemand eine Brille mit der man sich im rechten Licht sieht oder ein Hologramm was man so sieht das es einem gefällt.
    Ja! Selbstwahrnehmung ist ein Arschloch! Ein ganz großes! Und ich vermute zu diesem Thema lesen wir Fortsetzung-irgendwann.
    Aber das wichtigste ist doch das Ihr Körper zwei tolle Kinder bebrütet hat!!!!! Das haben Sie doch toll gemacht! Und Ihre schönen inneren Werte brauchen eigentlich auch irgendwo Platz!
    Fremdwahrnehmung: Sie haben früher ja auch mal Fotos von sich gezeigt: Sie sahen immer gut aus!!!! Von Außen!!! Ehrlich!!!
    Herzlichen Glückwunsch zur 36- da kann man doch nix dran meckern.

  6. Wie wahr. Ich bin ebenfalls 163cm klein und habe derzeit mein Lebenshöchstgewicht von 57kg erreicht. Jeder anderen Frau mit den gleichen Werten würd ich sagen, sie hat einen Schatten, wenn sie sich zu dick hält. ICH bin aber nicht „jede andere Frau“. Bei mir setze ich ein anderes Maß als bei anderen. Ich würde gerne wieder so 53, 54kg wiegen. Einfach so aus Prinzip. Eigentlich ist man ja bescheuert und weiß, dass man immer noch schlank ist. Aber dieses kleine Monster im Kopf schreit immerzu, dass man t-o-t-a-l schwammig aussieht…

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