Das große Turnen

Gestern waren wir das erste Mal beim Eltern-Kind-Turnen und da der Mann gestern noch Urlaub hatte, habe ich ihn kurzerhand genötigt mitzukommen. Wobei das natürlich nicht stimmt. Er ist höchst freiwillig und gerne mitgekommen. Mir nahm das sofort so ein bisschen Druck und die Angst, das nicht gewuppt zu bekommen. Moralische und physische Unterstützung bei Begehung von Neuland ist ja nie verkehrt (und auch wenn man mir das hier nie glauben will: ich bin in unbekannten und mir neuen Grüppchen furchtbar schüchtern und unsicher).

Ich habe schon mehrfach darüber nachgedacht, ob es meine Unsicherheit ist, die den Quietschbeu in ihm unbekannten Umgebungen so introvertiert, schüchtern, ja, manchmal sogar ängstlich, sein lässt. Seit gestern weiß ich, dass das nicht der Fall ist. Es ist einfach sein Wesen (was ja nicht allzu verwunderlich ist, wenn man mal bedenkt, dass der Apfel ja nie weit vom Stamm … und so).

Als wir in der Turnhalle ankamen war der Quietschbeu schon von den vielen Kindern und Erwachsen arg eingeschüchtert und griff nach meiner Hand. Das Löwenmäulchen hingegen konnte seine Schläppchen gar nicht schnell genug anhaben und wuselte direkt davon (das nächste Mal dringend einen Wiederfinde-Pieps-Sender am Kind anbringen! Der Mann kann da bestimmt was basteln …).

Die Grundproblematik ist folgende: eigentlich ist das Eltern-Kind-Turnen ab 2 Jahren und wie uns die Mathematik der ersten Klasse bereits gelehrt hat: eineinhalb ist weniger als zwei. Das Löwenmäulchen durfte ich dennoch mitbringen, da er als Geschwisterkind ja nicht auf dem Parkplatz angebunden werden kann. Wir waren auch bei Weitem nicht die Einzigen sondern trafen sogar den kleinen F. aus der Löwenmäulchen Kindergartengruppe mit seiner großen Schwester. F. ist 3 Tage älter als das Löwenmäulchen.

Aber zurück zum Thema. Ich kann das Löwenmäulchen solange mitbringen, wie ich ihn hat auch im Auge behalten kann. Es sind einige sehr coole Hindernisse aufgebaut, die zwar alle abgesichert sind, aber doch beachtliche Höhe aufweisen. Und das Löwenmäulchen kann zwar alles erklettern, steigt aber auch gerne einfach mal vom 120cm hohen Kasten seitlich einfach wieder ab, weil er noch keine Höhen einschätzen kann.

Der Quietschbeu hingegen hatte erst mal vor jedem Hindernis Angst. Ganz besonders vor Höhen. So ließ er sich mit viel gutem Zureden schließlich dazu überreden eine schräge Sprossenleiter bis auf einen Kasten hinaufzuklettern, bekam jedoch auf der vorletzten Sprosse jedes Mal Angst und wollte runter gehoben werden. Eigentlich wollte er nur ununterbrochen meine Hand halten und schrie jedes Mal ängstlich „Nein!“, wenn ich fragte oder aufforderte, ein anderen Gerät auszuprobieren.

Schließlich fand er aber doch Gefallen an einer Treppe aus unterschiedlich hohen Kästen, an deren Ende man auf eine dicke Matte springen musste. Wenn ich ihm eine Hand reichte, sprang er immerhin im Sitzen vom Kasten auf die Matte, machte auf der Matte gelandet aber die tollsten Purzelbäume, so als sei er aus 5 Metern Höhe gesprungen. Einmal überwunden war diese Kastentreppe dann das Gerät. Alles andere war doof und uninteressant und folglich sprang er eine halbe Stunde lang vom Kasten. Immer nur aus dem Sitzen und immer nur mit meiner Hand als Sicherheit.

Das Löwenmäulchen wuselte derweil umher, fuhr Rollbrett, krabbelte über Matten, die in Wellenform ausgelegt waren und kletterte auf Bänke und Kästen. Der Miezmann hatte ganz schön zu tun da mitzukommen.

Aber ich sprach ja von einer Problematik, zu der ich dann auch mal langsam kommen will. Im Normalfall wird der Miezmann nicht in der Lage sein uns zu begleiten. Die Stunde geht von 16 bis 17 Uhr und da muss er natürlich arbeiten. Ich müsste also mit den Jungs alleine zum Turnen gehen, womit ich prinzipiell kein Problem habe. Leider muss das Löwenmäulchen ununterbrochen im Auge behalten werden, da er wirklich noch keine Risiken einschätzen kann und auch keine Ängste kennt, wohingegen der Quietschbeu dauerhafte Ansprache, Zuspruch und Sicherheit benötigt.

Ich war gestern Abend dementsprechend traurig und enttäuscht und schon der Meinung, dass ich das alleine nicht gebacken bekommen würde. Das war einer dieser seltenen Momente, in denen ich mich Frage, ob ein größerer Altersabstand nicht besser gewesen wäre. Aber auch das hätte ja am Wesen des Quietschbeus nichts geändert. Ich war sehr lange, bis in meine Pubertät, so verschüchtert und habe mich standhaft geweigert alleine Neues zu probieren, so dass mir viele schöne Dinge, Kurse, Sportarten und vermutlich auch Freundschaften entgangen sind. Und weil ich ihn weder zwingen noch ins kalte Wasser schupsen möchte, werde ich ihn begleiten müssen.

Es war die liebe Alexandra, die mir gestern Abend via Twitter doch noch den Mut gab, es dennoch noch einmal – dann alleine – zu versuchen. Ich sollte beim nächsten Mal einfach mit dem Löwenmäulchen mitgehen. Da der Quietschbeu ohnehin wie ein Kaugummi an mir klebt geht der ja nicht verloren und wird mit der Zeit ganz sicher auftauen und das ein oder andere Hindernis versuchen. Außerdem kann man ihm ja suggerieren, er würde auf den kleinen Bruder mit aufpassen müssen, was ihn sicherlich mächtig stolz macht. Und wenn dem nicht so ist, dann können wir das Thema Eltern-Kind-Turnen immer noch auf einem späteren Zeitpunkt verschieben.

Vorläufiges Fazit: der Quietschbeu war trotz anfänglicher Verschüchterung schwer begeistert von der großen Turnhalle, den Hindernissen, den vielen anderen Kindern und will da unbedingt nochmal hin. Das Löwenmäulchen sowieso (Rampensau, habe ich nicht anders erwartet). Ich selber fand es sehr sehr voll und zeitweise zu wuselig, kann dafür aber wunderbar in der Masse untergehen und stehe  nicht im Fokus (ich hasse es tatsächlich von tiefstem Herzen, im Fokus zu stehen, wenn ich nichts zu sagen habe. Im Job, bei Präsentationen, Lesungen oder Moderationen ist das wieder was anderes).

Nach vorläufiger Resignation und „Geht nicht“-Gejammer werden wir nächste Woche einen erneuten Versuch unternehmen. Ich bin ein bisschen traurig, dass meine Schwester nicht ums Eck wohnt oder ich eine Freundin in der Nähe habe, die Zeit und Lust hätte, mich zu begleiten. Aber auf der anderen Seite sind das ja nun meine Kinder und ich muss allein ihnen zur Liebe lernen, über meinen Schatten zu springen, Angst und Scheu abzulegen und einfach mal zu machen!

Mit Kindern lernt man auch jeden Tag ein bisschen mehr über sich selber.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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14 Gedanken zu „Das große Turnen

  1. Die Jahreszeit bzw. das Regenwetter bringen es mit sich, dass die Turnhallen gefüllt sind. Das ändert sich je mehr es Frühling und Sommer wird. Dann ist es wohltuend leer in den Hallen. ;-)
    Ich finde, die Lösung klingt gut! Alles Gute für den nächsten Versuch/Besuch!

  2. ?

    Auch ein Altersabstand von 2 Jahren und drei Monaten machte das damals nicht viel einfacher.
    Du hast beide Kinder bei Dir und hast zwei Arme um beide aufzufangen. Und bis das Maimiez soweit ist, kann das kleine Löwenmäulchen sich perfekt über die Schulter abrollen, oder sogar fliegen :)

  3. Wir gehen ja schon seit geraumer Zeit zum Kinderturnen, also seit ca. 15 Monaten. Sportstadt bleibt Sportstadt, der Bayer bietet Kinderturnen ab 12 Monaten an und hat sogar einen Babygruppe ab 6 Monaten. Mit 2 Colins wäre es alleine nicht möglich daran teilzunehmen aber ich kenne einen Jungen (vom Pekip) der mit seiner Tagesmutter und noch 2 Kindern kommt. Die bekommt das locker hin. Ein Wuselkind und zwei ruhigere machen es möglich. Sollte der QB aber sehr bald auftauen und genauso umherquirrlen wie zu Hause, wird es vermutlich sehr stressig, denn zwei Wuselkinder in verschiedenen Turnecken kann man eben nicht gleichzeitig vor Gefahren schützen. Bei uns wird das Kinderturnen auch wochenends angeboten, damit Väter auch mitkönnen. Gibt es das bei Euch nicht?

    1. Wir wohnen ja in einer eher kleinen Stadt. Hier gibt es Turnen Montags und Freitags. Vielleicht ist das Freitagsturnen eine Alternative, da hat der Mann häufiger mal früher frei. Ich versuche es aber erst nochmal an einem Montag.

  4. So, hier jetzt mein versprochener Kommentar ;)

    Auch wenn der Altersabstand es bei uns wunderbar entspannt macht (Finn geht inzwischen alleine, Krabbelturnen ist freitags vormittags), so habe ich natürlich auch ein paar Eindrücke sammeln können, damals, in unserer Anfangszeit :D

    Was Claudia sagt, stimmt – die Jahreszeit bringt es mit sich, dass die Hallen im Moment rappelvoll sind (und das Turnen dann auch weniger Spass macht, so empfand ich das immer)
    Als wir angefangen haben mit Turnen, war Felix noch nicht mal in Planung. Trotzdem gab es auch immer wieder das ein oder andere kleinere Geschwisterkind, das dabei war. Das bleibt ja auch gar nicht aus. Meine Erfahrung ist, dass viele Mütter auch auf andere Kinder ein Auge haben. Das soll jetzt nicht heissen, dass das etwas ist, worauf man sich verlassen sollte, aber das weisst Du sicher… Aber es gibt wenigstens für den kleinen Moment ein bißchen Gelassenheit, wenn der QB gerade Deine Hand braucht, während das LM sich ins Abenteuer stürzt. Ich habe es auch immer so gehalten, wenn ich mit Finn irgendwo turnte und da war ein Kind, das gerade alleine turnte, weil die Mama mit dem Geschwisterchen beschäftigt war (oder einfach gerade nicht guckte), dann habe ich halt kurz aufgepasst, dass nichts passiert

    Was den „Rest“ angeht, bin ich mir auch sehr sicher, dass sich das finden wird. Der QB wird immer weniger ängstlich werden, das LM immer mehr lernen – und für die Zwischenzeit ist Deine „Lösung“ doch zumindest einen Versuch wert.

    Alles Liebe
    Nike

  5. Das hört sich doch alles in allem sehr gelungen an für beide Partein. :)

    Die Idee es Montag nochmal alleine zu versuchen, klingt gut. Vielleicht verhalten sich die Kids anders, wenn der Papa nicht dabei ist?

    Wir haben 21 Monate Altersunterschied und es klappt wunderbar. Beim 1. gemeinsamen E-K-T war der L. 7 Monate und krabbelte mutig umher. Dank Mama-Klebe-Funktion aber immer in Reichweite und dank anderer toller Eltern hatte immer jemand ein Auge auf den L. so dass ich mit T. auch mal ein anderes Hinderniss versuchen konnte. Und jetzt mit 3.5 bei der T. und fast 2 bei der L. haben beide das Gefühl entwickelt, was sie sich zu trauen können und was nicht und holen mich oder den Papa, wenn sie wollen, aber doch merken, dass es ihre Fähigkeiten übersteigt.

    Bei uns ist es jetzt sehr entspannend! :)

    Drücke ihnen die Daumen und wünsche genauso viel Spaß wie es uns macht!

  6. Tja, schwierig. Ich kenn das ja im Moment nur aus der Sicht der Mutter mit einem schüchternen Kind, das da ähnlich wie der Quietschbeu ist. Am Anfang war ihm das alles so sehr zu viel, dass er sich nur auf meinem Arm verkrochen und geweint hat.

    Da ich auch selbst sehr unsicher immer bin und Probleme damit habe auf andere zuzugehen etc. habe ich uns gezwungen.

    Irgendwann wurde es schlagartig besser, ob das nun am Kinderturnen lag sei dahingestellt (wir machen auch noch jede Menge andere Sachen mit Menschen, ich zwing mich halt dazu bzw. denke gar nicht mehr drüber nach, das ist mir halt wichtig und wird einfach gemacht) aber mittlerweile ist er zwar immer noch sehr vorsichtig, aber traut sich schon viel mehr. (Seine Hand halten muss ich immer noch.)

    Bei unserem Kinderturnen sind drei Mütter, die sich abwechseln mit dem Kommen, d.h. jede Mutter hat dann immer drei Kinder dabei und die anderen Mütter haben frei. Es steht bei uns eigentlich an jedem Gerät immer mal jemand (der Vorteil davon, dass es so wuselig ist, mir ist es auch oft zu viel) und dann guckt jeder mal mit, was mit den Kindern ist.

    Das kriegt ihr bestimmt irgendwie hin!

    Ich finde es gerade bei deinen beiden so faszinierend zu sehen, dass eben so viel angeborenes Temperament anscheinend dazugehört und es nicht an der Erziehung liegt, wie viel sie sich trauen und wie offen sie auf andere zugehen.

  7. Ich bin zwar Einzelkindmama, aber ich war lange genug in einem Eltern-Kind-Turnen, um mitzubekommen, wie das andere Mütter gehandelt haben. Mein Tipp ist es mit dem kleineren Kind, das ja bei Ihnen praktischerweise auch das wildere ist, mitzugehen und das größere Kind wird eh am Rockzipfel hängen. Und notfalls ist doch immer eine Gruppenleiterin dabei, die mal eine Hand reichen kann, anfangs. Mit der Zeit spielt sich das eh alles ein. Der Große wird mutiger werden und kann bestimmte Sachen auch alleine machen. Meine Freundin ist übrigens phasenweise mit 4 Kindern ins Turnen! Der Kleine wurde anfangs im Tragetuch auf den Rücken geschnallt und die anderen wuselten halt so rum. Notfalls habe ich dann mal eine Hand ausgeliehen oder andere Mütter. Viel Spass dabei! Du schaffst das schon! LG Frau Zausel

  8. Liebe Frau Miez,
    vielleicht ergeben sich ja nach einiger Zeit zu den anderen teilnehmenden Müttern/Vätern so verlässliche Kontakte, dass man allgemein ein Auge auf die kleineren Mitkomm-Geschwister haben kann? Zumindest in der Turngruppe, in der ich mit Lisa (3) letzten Winter war, hat sich das so geregelt.
    Ich wünsche Ihnen viel Freude und ganz selbstverständliche Sicherheit,
    LG, Spit

  9. Ach, das machst Du schon!
    Versuchs einfach wie schon geraten, und vielleicht öffnet der QB sich ja der Turnlehrerin gegenüber?
    Nicht verzweifeln, einfach ausprobieren. Wenn DU davon überzeugt bist, dann überträgt sich das auch.
    Ansonsten ein halbes Jahr warten und dann mit beiden hingehen. Oh, da kommt ja Nr.3 oder?
    Na, die kann ja dann im Maxicosi/Tragetuch/Ergo dabei im größten Chaos schlafen ;)
    LG Eva

  10. Hatte anfangs beim Kinderturnen ein ganz ähnliches Problem. Auch mein Sohn ist eher ängstlich, besonders beim Turnen, und brauchte noch viel meinen Zuspruch/meine Hand. Töchterchen war zwar als Baby nicht akut verletzungsgefährdet, war aber oft unglücklich in der Turnhalle, brauchte ebenfalls Aufmerksamkeit. Baby Björn half auch nicht. Ich habe dann für die eine Stunde (ebenso für die Musikschulstunde einmal die Woche) eine Babysitterin für die kleine Schwester genommen und fand das eigentlich sehr schön, mich dann bei diesen zwei Aktivitäten auch ganz auf Söhnchen konzentrieren zu können. Wäre das noch eine Idee? Ansonsten hatte ich auch immer den Eindruck, dass alle Mütter ein bisschen mithelfen, wenn Geschwisterkinder sich selbständig machen. In unserem kleinen Kaff kennt man sich aber auch irgendwie schnell, dann ist es ja auch einfacher, eine andere Mama zu bitten, mal eben ein Auge auf das Zweitkind zu werfen. Ich bin sicher, Du machst das schon. Alles in allem hört es sich ja doch nach Spaß an.
    Liebe Grüße
    RALV

  11. Bin eben zufällig auf deine Seite gestoßen, macht mich grad zum glücklichsten Menschen im Universum, ganz im Ernst…. Bin in der 29. Ssw mit Hexe Nr.2, Teufel 1 ist grad 17 Monate, hab das Gefühl du schreibst über mein, unser Leben…. Immer hört man schwanger sein ist sooo toll…. Klar Kurzatmigkeit, Schmerzen und Sodbrennen sind so toll, dazu noch ein Kleinkind, dass für mich ohne Grund schreit und haut… Hab mich schon so schlecht gefühlt. Mein Teufelchen und der Bauchzwerg sind mein Ein und Alles… aber manchmal AAAAAHHHHH!!!! Danke für diesen Blog, finde es herrlich, lustig und entspannend. Tut einfach gut!!! Alles Liebe und bitte- MEHR DAVON

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