„Du blöde Mama!“

Und während wir so im großen Flur des Kindergartens herumalbernd, das Löwenmäulchen seine Kappe aufsetzt und ich den Quietschbeu auffordere schon mal seinen Rucksack zu holen, platzt es plötzlich und aus heiterem Himmel aus meinem großen Sohn heraus:

„Du blöde Mama! Geh weg!! Du Hexenmama!!!“

Dabei sieht er mich abgrundtief vernichtend an und seine Stimme ist unglaublich aggressiv und spitzt.

Ich stehe da regungslos, den Maxi Cosi in der Armbeuge, das Löwenmäulchen an der anderen Hand und starre meinen Sohn an. „Bitte?“, bekomme ich schließlich heraus und er wiederholt seine Aussage, noch lauter, noch krakeliger.

„Sowas sagt man aber nicht. Das ist ganz schön gemein“, erkläre ich um Fassung ringend, woraufhin er seinen Rucksack nimmt, mir diesen vor die Füße schmeißt und schreit „Trag Du den!“

Ich schüttle den Kopf. Erst langsam, dann bestimmter. „Nein, den trägst Du selber.“ – „NEIN!! DUU!!!“ Seine Stimme überschlägt sich und er kickt erneut nach dem Rucksack. Ich drehe mich um und gehe. Mit dem Löwenmäulchen an der Hand und dem Maxi Cosi in der Armbeuge.

Er schimpft, schreit und zetert mir hinter. Ich solle den Rucksack nehmen. Er wolle den nicht. Blöder Rucksack. Blöde Mama. Ich kämpfe mit den Tränen.

Ich habe gewusst, dass der Tag kommen wird, an dem ich eine blöde oder doofe Mama sein werde. Aber man rechnet ja doch nicht jeden Tag damit und wenn man die Worte dann das erste Mal hört, dann sind sie so ein bisschen wie ein Schlag in die Fresse. Sag ich jetzt mal so. Fühlte sich jedenfalls so an.

Der Quietschbeu ist seit genau einer Woche in der neuen Kindergartengruppe, in welcher er nun auch der jüngste Junge ist. Er erzählt mir häufig, dass der Mika gesagt hat, er dürfe dieses nicht und jenes nicht. Und der Nick hat „blöder Quietschbeu“ zu ihm gesagt. Das fand er nicht gut. Sagte es aber noch am selben Tag das erste Mal zu seinem Bruder. Schon da habe ich ihm erklärt, dass man das nicht sagt. Man könne sich über jemanden oder etwas ärgern, und auch mal sauer sein, aber man sagt trotzdem nicht, dass jemand blöd ist. So richtig verstanden hat er das wohl nicht.

Er ist wie ein Schwamm. Den Tag über, im Kindergarten, ist er lieb, freundlich und aufmerksam und am Nachmittag, zuhause, lässt er dann alles raus und präsentiert uns das aufgesogene Verhalten der großen Jungs in Reinform. Der Lauf der Dinge. Kindergarten eben.

Aber dennoch war ich verletzt, auch wenn ich mir sicher bin, dass er gar keine bösen Absichten hatte. Vermutlich wollte er einfach mal gucken, wie ich so reagiere und ob ich das auch so doof finde, wie er, wenn man mich blöd nennt.

Ich ließ ihn jedenfalls noch ein wenig hinter mir her toben und kreischen, ließ ihn ins Auto steigen und sprach erstmal nur das Nötigste mit ihm. Ich ordnete meine Gedanken und telefonierte mit dem Miezmann.

Irgendwann kam der Quietschbeu dann zu mir und sagte, er würde gerne mit mir reden. „Mama, ich will mit Dir reden.“ Womit er meinte, dass ich bitte wieder mit ihm reden solle. Ich fragte ihn, ob er denn wüsste, warum ich gerade nicht so gerne mit ihm reden wollen würde.

„Ja, weil ich nicht lieb war. Ich hab blöde Mama gesagt.“
„Genau, und das fand ich gar nicht schön. Das hat mich traurig gemacht.“
„Hm.“
„Wieso sagst Du denn, dass ich blöd bin?“
„Weiß gar nicht.“
„Findest Du denn immer noch, dass ich blöd bin?“
„Nein, Mama. Du bist gar nicht blöd.“
„Danke. Und was ist eine Hexenmama?“
„Na, eine Hexenmama. Wie bei Bibi Blocksberg!“

Da musste ich dann sehr lachen, nahm ihn in den Arm, drückte und küsste ihn. Anschließend haben wir gemeinsam mit der Holzeisenbahn gespielt und ein sehr cooles Bahnnetz aufgebaut. Trotzdem hallt das noch so ein bisschen nach.

Mama, wenn Du das hier liest: es tut mir leid, dass ich Dich damals auf der Straße vorm Bäcker angeschrien habe, Du wärst eine Rabenmama, weil Du mir kein Rosinenbrötchen kaufen wolltest. Ich hab das wirklich nicht so gemeint!

 

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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23 Gedanken zu „„Du blöde Mama!“

  1. Ja, so ist das. Tut weh. Tut auch beim hundertsten Mal noch weh.
    Aber man muss damit so umgehen, wie du es gemacht hast. Er wird noch oft ausprobieren, wie du auf manche Sachen reagierst, wird es faszinierend finden, wie Erwachsene auf einzelne Worte reagieren, die er gar nicht erfasst …

    Das gehört zum Mamasein dazu. Und der letzte Absatz auch ;o).

    Alles Liebe
    Luci

  2. Oh ja, es sit wie ein SChlag ins Gesicht. Und meiner geht nichtmal in den Kindergarten, die Worte die hier auf der Straße fallen und ins Zimmer hallen sind genug :/
    Auch ich wurde heute im Laden als Böse Hexenmama, Böses Monster betitelt.
    Das macht er momentan sehr gerne, das erstemal Tats richtig weh. Nur er ist noch nicht so weit wie dein QB das man ihn mit reden erklärt, jeder versuch scheitert. Hexen sind böse sagt er, ich bin böse, weil ich nicht tue was er sagt.

    Wie sehr wünschte ich mir das der Zwerg nur ein bisschen so ein Verständnis hätte wir der QB. Den momentan bin ich am verzweifeln. Er schlägt (mit der Faust) er Beißt und kratzt, wenn es ihn nicht gefällt.

    Ich habe schon angst vor der Kindergartenzeit =(

  3. Oh nein…jetzt hab ich Tränchen aufgrund des letzten Absatzes!! Da kann man sowas erst nachfühlen wenn man selbst Mutter ist…! Bin mal gespannt was meine Jungs irgendwann aus dem KiGa mitbringen…

  4. Du bist ganz toll damit Umgegangen. Ich weiss garnicht mehr wie es bei meinen beiden Jungs war als sie so klein waren. Ich weiss das es heute sehr schwer ist zu hören das sie mich blöd finden und keinen Kontakt wollen, aber das ist alles anders wie bei euch.
    Egal wann wo und wie man hört das man eine blöde Mama ist, es tut immer weh und beschäftigt einen.
    Du bist wirklich eine gnaz tolle Mama, kann ich immer nur wieder betonen. Ich wünschte ich hätte so ein bisschen von dir und deinen nerven und deiner Ruhe gehabt ale meine Jungs noch hier bei mir waren.
    Bleib wie du bist!

    LG

  5. siehste, hab ich doch gesagt, dass er sehr clever ist und es verstehen wird :-)

    (Aber verstehen werd ich den Schmerz wohl erst, wenn unsere Flocke in 2 Jahren vor mir steht und es das erste mal zu mir sagt, wie auch immer)

  6. Wow…. dieser Post ging mir durch aund an.. wirklich.
    Ich habe auch Angst vor diesem Moment, vom dem ich auch weiß das er kommen wird und meine Maus es dann nicht wirklich Wirklich so meinen wird (hoffentlich).
    Aber wie vernünftig und reif das er dann doch zu Dir kommt und sagt er möchte reden!.. wow… (halt damit dann du wieder mit ihm redest)
    Das ist wirklich sehr sehr weit für einen so kleinen Jungne finde ich.
    bibi Bloxberg Mama klingt lustiger als Hexenmama. ;-)
    Hach ja… *seufz*
    Mir fehlen die Worte.
    Das geht so ins Herz.
    GLG, MamaMia

  7. Ich bewundere, wie du die Fassung behalten hast. Irgendwann einmal, wenn es mir mit Babymädchen einmal so ergehen wird, erinnere ich mich bestimmt an diesen, deinen Post und ich hoffe, dass wird mir dann helfen :)

  8. Zuerst musste ich auch echt schlucken und wollte spontan beschließen, den Prinz niemals in einen Kindergarten zu geben. Aber die Sache mit Barbara Blocksberg is ja dann doch eher n Kompliment, oder? ;)

  9. so ein bisschen musste ich grinsen (sorry). Weil wenn so ein süsser drei- oder vierjähriger vor einem steht und einem als blöde Mama bezeichnet – na ja. Allerdings, und das muss ich auch sagen: der meinigte Lieblingssohn ist 17, und ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr an das erste Mal erinnern als ich als blöde Mama tituliert wurde. Blogs gabs damals noch keine, Tagebuch schreibe ich nicht. Nehme aber an dass es mich genauso getroffen hat wie das letzte Mal als ich einen ähnlichen Ausdruck von ihm hörte (vor ein paar Tagen: „du verstehst das nicht“ – Hallo, ich war auch mal 17).

    Was ich damit sagen will: Mama Miez, Deine Reaktion war sehr cool, und ja, das wirst Du noch oft hören, sehr oft. Sehr sehr oft. Und es wird jedes Mal wieder wehtun, und jedes Mal wirst Du Dich fragen ob Du einen Fehler gemacht hast. Ganz egal ob das Kind so klein ist wie der Q, der vielleicht tatsächlich einfach nachgeplappert hat was er gehört hat oder ausprobieren wollte wie Du reagierst oder ob das Kind grösser wird und damit signalisiert dass vielleicht einige Regeln überdacht werden sollten (nach dem Motto: „die anderen dürfen aber alle, du blöde Mama“ – nein, dürfen sie nicht!) Aber nachdenken ob diese spezielle Regel so noch sinnvoll ist lohnt sich.

    Entschuldige, bin abgeschweift, es ging ja hier nicht um Regeln sondern um des Qs Ausbruch – aber eben, solche Ausbrüche werden sich häufen. Und dann wird auch mal Diskussionsstoff rausschauen. Elterlicher, nicht elter-kindlicher.

  10. Jetzt erst? Das hat meiner schon mit nichtmal zweieinhalb gebracht… Kitakind halt. Leider konnte er das „o“ in „doof“ noch nicht so richtig sprechen. Und wie er da so vor mir stand und voellig aufgebracht „Dööfe dööfe Mama!!“ schrie…. da musste ich mir dann doch arg ein Schmunzeln verkneifen ^^

    Oder morgens, wenn ich ihn wecken muss, obwohl er noch muede ist: „Mama GEH WEG, geh zum Papa ins Wohnzimmer!!“ … ich kann das irgendwie nicht uebelnehmen.

    Was mich immer fasziniert ist, wenn andere Muetter schreiben, sie gingen einfach weg, wenn das Kind trotzt/haut/meckert/wasauchimmer. Ich halte das auch fuer eine hervorragende Strategie, die bei uns aber leider noch nie funktioniert hat, weil wir entweder in einer Situation sind, wo ich nicht einfach gehen kann (auf der Treppe, auf der Strasse, beim Baecker….) oder aber sich das Kind dabei an meiner Hose festkrallt.

  11. Ja, als Mutter lernt man, wie sich die eigene Mutter früher gefühlt haben mag. Aber es ist auch wichtig, dass man sich immer erinnert, wie man sich als Kind gefühlt hat. Wie hilflos manchmal, wie verzweifelt, wie wütend, dass Wünsche nicht erfüllt wurden (egal, ob sie aus gutem Grund nicht erfüllt wurden) – denn dann relativiert sich das alles, wenn man sich erinnert und man kann es besser einschätzen. Nicht so persönlich nehmen.
    Unser wunderbarer Kinderarzt sagte mal: „Wir sind der Punchingball unserer Kinder.“ Sie üben an uns. Das tut auch weh, aber gleichzeitig zeigt es, dass sie tiefes Vertrauen zu uns haben: Bei uns dürfen sie sich ausprobieren und auch mal aus der Rolle fallen, ohne dass sie unsere Liebe verlieren.

  12. Puh nun hab ich auch ein Tränchen (oder zwei) runterschlucken müssen. Ich habe deinen Kloß im Hals auf dem Weg zum Auto quasi gespürt und dann die Erleichterung und große Freude als der QB den ersten Schritt auf dich zu machte. Klasse vom QB – wahnsinn wie „reif“ er dann doch schon ist.

    …daran sieht man doch wie klasse du deine Jungs und nun auch Mädel erziehst! Ich hoffe ich bekomme das bei meinem SChmusebäckchen auf so gut hin… *seufz*

  13. der kindergarten. viele gute einflüsse, leider auch einige schlechte. bei uns ist schießen „peng peng“ gerade hoch in mode. aber auf den von dir geschilderten tag warte ich auch mit schrecken. schön, dass ihr noch zu einem versöhnlichen ausgang gekommen seid.

  14. Na sieh´s mal so: Du hattest das Baby in der einen Hand, dem LM setztest Du die Mütze auf und nur der arme arme QB sollte gaaaanz alleine den Rucksack holen gehen. Das fand er in dem Moment wohl schröcklich ungerecht, deshalb wohl der Ausbruch. Du musst Dir das doch nicht so zu Herzen nehmen, der sagte das doch nicht, um Dich zu verletzen. Ich find´s aber gut, dass und wie ihr darüber redet (in meiner Kindheit hieß das zuhause auch immer: „WIR sagen das nicht!“)

  15. Ich denke,du hast recht damit, dass er schauen will, wie du auf sowas reagierst. Denn dann weiß er, was er selbst machen kann, wenn die großen Jungs ihn ärgern. Einfach weggehen war doch eine gute Lektion.

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