Tausendmal Du.

Mein Kind,

heute hast Du mich mal wieder sehr überrascht. Als ich Dich vom Kindergarten abgeholt habe, hatte ich so die Befürchtung, dass Du heute das „Du blöde Mama!“-Ding von gestern noch einmal ausprobieren würdest. Normalerweise machst Du nämlich alles zwei Mal, bis Du meine Grenze akzeptierst. Dass das gestern aber doch ein bisschen anders gelagert war, als die sonstigen Grenztests, zeigte Dein heutiges Verhalten.

Du warst sehr lieb, man musste Dich maximal 2 Mal um etwas bitten, bis Du es getan hast und klappte es einmal mit dem Hören so gar nicht, nahmst Du daraus folgende Konsequenz („Heute gibt es KEIN Fernsehen.“) ohne großes Tamtam hin. Wir aßen sehr gemütlich zu Abend, Du erzähltest von den vielen Kindern in Deiner neuen Gruppe und wen Du davon magst und wen nicht.

„Die Marie, die mag ich auch gern. Ich glaub, die ist auch meine Freundin.“

Nach dem Essen hast Du ohne Murren und Knurren mit Deinem Bruder gemeinsam das Wohnzimmer aufgeräumt und warst äußerst kooperativ, als es ins Bett ging.

Als ihr beide dann in Euren Betten lagt und ich mit Euch gemeinsam La Le Lu gesungen hatte, haben wir noch kurz ein bisschen geredet.

„Mama, ich bin lieb, oder?“
„Ja, mein Schatz heute warst Du super lieb.“
„Ich mag nicht frech sein.“
„Ja, das weiß ich. Manchmal ist das aber halt so. Ich weiß ja, dass Du das nicht machst, um die Mama zu ärgern.“
„Hm. Ich mag Dich gar nicht ärger.“
„Hm.“
„Du, Mama?“
„Ja.“
„Ich mag mit Dir reden. Es ist doof, wenn Du gar nicht mit mir redest. Dann tut auch mein Bauch weh.“
„So wie gestern?“
„Ja.“
„Jetzt muss Dir der Bauch gar nicht mehr wehtun.“
„Nein, jetzt tut mein Bauch auch gar nicht weh.“
„Ich hab Dich so lieb, mein Schatz.“
„Ich hab Dich so lieb, meine Mama.“

Es tut mir leid, dass es Dich gestern anscheinend so sehr mitgenommen hat, dass ich Dich ignoriert habe, dass Du Dich sogar übergeben musstest. Ich dachte zuerst, Du hättest zu wild gespielt oder zu viel gegessen. Eigentlich hattest Du aber weder das eine, noch das andere.

Dann fiel mir ein, dass ich als Kind auch auf jeglichen Stress mit Bauchweh und Übelkeit reagiert habe. In der Pubertät habe ich mich regelmäßig übergeben müssen, wenn mich etwas seelisch belastet hat.

Ob es nun der anstrengende Kindergartentag oder unser Streit und das Ignorieren war, was Dich so stark belastet hat. Es tut mir leid. Du bist ein kleiner Kerl und ich weiß um Deine Sensibilität und Empfindsamkeit. Aber auch ich muss erst lernen, richtig zu reagieren und richtig mit Dir umzugehen, so wie Du erst lernen musst, was man im sozialen Miteinander machen kann und was nicht. Wir lernen gemeinsam, miteinander und aneinander. Und eigentlich ist das eine verdammt gute Sache, dieses miteinander und aneinander lernen und wachsen.

Ich liebe Dich wirklich sehr, Captain Chaos, Quietschbeu, Rumpelstilzchen, mein Herz. Das alles bist Du. Tausendmal Du.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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13 Gedanken zu „Tausendmal Du.

      1. Haha! Als wenn DU nicht wüsstest, wie es geht. Dein gerade mal 3jähriges Kind spricht schon besser über sich und seine Gefühle und meistert solche Situationen als VIELE Erwachsene. Klar ist das auch einfach ein tolles Kind. Aber es braucht auch das richtige Umfeld, und das hat es offenbar!

        (Ich finde ja auch, das sind gerade auch die guten Elternratgeber. Wo die Schreiber nicht so tun, als hätten sie die Weisheit mit Löffeln gefressen. Haben sie schließlich alle nicht.)

  1. Liebe Mama Miez,

    schön geschrieben – wie immer. ;-) Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung als Kind sagen, dass ich meiner Mutter heute noch vorhalte (aber mit einem Lächeln), dass das Ignorieren ihrerseits als Strafe, auch die Schlimmste für mich war. Nur war ich da keine 3 wie der QB sondern ging schon zur Schule, also so ab dem 7. Lebensjahr. Ich habe da aber auch öfters richtigen Bockmist gemacht, jedoch nie mit Absicht. Ich war eben ein „tollpatschiges“ Kind. Ich habe eben auch Fehler gemacht und nicht über Konsequenzen meines Handelns nachgedacht. Meine Mutter wusste nicht anders zu reagieren, als Tage-/Wochenlang nicht mit mir zu reden. Eben nur das Nötigste. Ansonsten wurde ich konsequent ignoriert. Ich hatte permanent einen Kloß im Hals und fühlte mich wirklich schlecht. Habe kaum etwas gegessen.

    Wenn ich mit meiner Mutter heute darüber rede, dann sagt sie sehr oft, dass sie es heute alles besser, anders machen würde. Das sie im Grunde genommen nicht wusste, wie sie damit umgehen soll und das sie sich auch im Nachhinein zu unreif fühlte und es ihr leid tut, dass sie nicht wusste, wie es mir wirklich damit geht. Ich weiß heute noch, wie ich nehmen ihr hergelaufen bin und sie von unten her angeschaut habe und immer gesagt habe, sie solle doch bitte, bitte wieder mit mir reden und sie einfach weiterlief.

    Ich habe davon keinen Schaden genommen. Mir geht es super und meine Mutter ist meine beste Freundin, wenn man das so nennen mag. Sie wusste es nicht besser. Ich bin ihr nicht böse. Sie musste eben auch lernen.

    Was ich sagen will, hast du eigentlich schon selbst geschrieben. Man muss eben aneinander, miteinander lernen. Es ist super, dass der QB dir auch offen sagt, wie er sich dabei/danach fühlte. Und es nicht mit sich ausmacht. Er vertraut dir sehr. Das zeigt eben auch deine gute Mutterqualität.

    LG

  2. das hast Du wirklich toll geschrieben. :) und ich finde es super, dass Du Dich entschuldigen kannst, da ja auch Erwachsene nicht alles richtig machen. Leider geben nur die wenigsten das auch zu…

  3. Hallo,

    ich bin neu hier :D ( das klingt wie in einer Selbsthilfegruppe, tschuldige :D )
    Ich wohne ganz in derNähe von euch ( Bonn ) aber das tut nix zur sache ( wollte das nur loswerden ).
    Ich mag deinen Blog so gerne weil ich meinen Bruder vermisse er ist heute 9 ( ich 20 geworden und wohnt 100km entfernt leider kann ich aus vielen traurigen Umständen ihn nicht so oft sehen. Und der QB errinert mich immer so sehr an Ihn das ich dann ein kleines bisschen das Gefühl habe er wäre hier. Einerseits macht es mich traurig andereseits ist es manchmal sehr sehr tröstlich und ich hoffe wenn ich mal Kinder bekomme das ich ein bisschen was von dir gelernt habe und auch so liebvoll mit meinen Kindern umgehen. Und sollte ich schwager werden und hier noch wohnen nehme ich deine Wochenbetthilfe gerne an :)

    Liebe Grüße
    Isabella

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