„Na dut!“

Vor 476 Tagen schrieb ich zum ersten Mal über das Trotzmäulchen. Von der Steigerung dieses anfänglich zarten Trotzwesens, berichtete ich dann wiederum vor 337 Tagen. In dieser Zeit war viel los, im Leben des Löwenmäulchens. Da wurde seine Mama doch von Tag zu Tag dicker und war von Tag zu Tag weniger mobil. Da wurde eine neue kleine Schwester geboren, die ihn zum sagenumwobenen Sandwichkind werden ließ. Nicht ganz groß, nicht ganz klein. Das Löwenmaul irgendwo zwischen Kronprinz und Nesthäkchen. Die ganze Zeit über hatte ich sehr viel Verständnis für sein anstrengendes Wesen. Wir blieben ruhig, auch wenn sich unsere Zehnnägel schon auf dem Weg zum Nagelbett befanden. Wir zeigten Verständnis, wo sich Nackenhaare schon nicht mehr nur aufrichteten, sondern bereits selber epilierten. Und wir blieben trotz allen Verständnisses konsequent in unserer Be- und Erziehung. Familienregeln sind dazu da, das Leben miteinander harmonischer zu gestalten. Da muss sich auch ein wütendes, trauriges, enttäuschtes, hin und her gerissenes Löwenmaul dran halten. Und ich wage sogar die Behauptung aufzustellen, dass eben diese Regeln ihm Halt boten, wo er auf wackligen Beinen stand. Emotional gesehen.

Nach nun 476 Tagen traue ich mich nun öffentlich zu verkünden: Wir sind im Landeanflug einer 476 Tage andauernd Reise. Das hat ordentlich Kraftstoff gekostet, aber der Ausblick von da oben und die Vorfreude aufs Ziel waren es allemal wert.

Inzwischen ist es so, dass der kleine Herr Löwenmaul zwar immer noch 2 bis 20 Mal am Tag einen Trotz-Motz-Anfall erleidet, man ihn aber innerhalb kürzester Zeit (zwischen 1 und 5 Minuten) wieder abholen kann. Ganz oft hilft es ihm, wenn ich ihm erkläre, dass sein Trotzanfall ihn nun nicht zum gewünschten Ziel führt. Häufig sind die Auslöser, dass er etwas anders machen/haben möchte, als angedacht und ihm gar nicht erst in den Sinn kommt, das auszuformulieren. Ganz oft kann man ja auf seinen Wunsch und Willen auch einfach eingehen, Kompromisse anbieten oder auch einfach erklären, warum es jetzt nicht so geht, wie er sich das wünscht.

Ein Beispiel:

„Was möchtest Du heute in Deine Brotdose haben? Leberwurst, Fleischwurst oder Käse?“
„Wuaaääääh. IchwillabakainLedaworschfleischkäsebrot. Wuäääähhh.“ [insert lautes, kaum verständliches Weinen here]
„Männlein, wenn Du weinst verstehe ich Dich nicht. Möchtest Du kein Brot?“
[insert nach Luft japsendes, sich langsam beruhigendes Schluchzen here]
„Jetzt beruhig Dich erstmal und dann sagst Du mir, was Du gerne haben möchtest.“
[insert leises Schniefen here] „Na dut.“
„Geht’s wieder?“
„Ja.“
„Was möchtest Du in Deine Brotdose haben?“
„Müsli.“
„In Ordnung.“

Die alles entscheidenden Worte in dieser Konversation sind „Na dut.“ Das bedeutet soviel wie: „Ja, Mama, Du hast Recht. Ich beruhig mich jetzt erstmal … warte kurz … so … geht wieder.“

Er spricht inzwischen sehr gut. Mit doppelt unterstrichenem SEHR. Sätze mit 3 Nebensätzen sind kein Problem. Also für ihn jetzt nicht. Für mich manchmal schon. Er hat einen atemberaubend großen Wortschatz und kann Dinge, die nicht greifbar sind (Gefühle, Umstände) ebenso verbalisieren, wie greifbare. Ich denke, dass das ein wichtiger Schritt aus dem Trotz heraus war. Er lernt gerade, dass er seinen Willen formulieren kann und damit schneller ans  Ziel gelangt, als mit enttäuschtem Wutgebrüll. Natürlich schwingen da auch noch Stimmungen mit, die er nicht immer kontrollieren kann. Müdigkeit, Kränklichkeit, Wachstum, etc. Alles, was so einen kleinen Menschen eben in seiner natürlichen Entwicklung und Sein beeinträchtigen kann.

Aber, wie ich schon schrieb: wir sind im Landeanflug. Mit viel Gelassenheit und Ruhe kann man ihn wirklich schnell daran erinnern, dass er eigentlich nur sagen muss, was er möchte oder was ihn stört. Da bin ich sehr froh drum, denn nach 476 Tagen ist es doch so, dass man sich manchmal denkt: „Meine Herren, so langsam ist’s mal gut mit Trotz-Motz!“ Nun war der große Bruder leider auch nur ein Minimal-Trotzer. Also leider fürs Löwenmaul, das dadurch natürlich wie der Millennium-Trotzer mit Rückstoßantrieb wirkt.

Ich weiß, ich weiß. Da werden wieder schlimmere und auch wieder bessere Zeiten kommen. Sie sind ja immer irgendwie gerade in einer Phase. Aber diese unzufriedene und Nerven raubende „Oh, ich hab ja einen eigenen Willen. Hm, Mist, nur ausdrücken kann ich das nicht. Ach, warte kurz, ich schrei einfach!“-Phase, die findet gerade ihr Ende. Sie gehört zu ihm und macht immerhin mehr als ein Jahr seines kurzen Lebens aus. Und sie wird enden.

Was bleibt zu sagen, außer einem bedeutungsvollen:

NA DUT!

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
Beitrag erstellt 4659

7 Gedanken zu „„Na dut!“

  1. Liebe Mamamiez,
    ich verfolge seit einiger Zeit deinen Blog. Er ist wunderbar. Dein Schreibstil bzw. wie du Dinge in Worten zusammenfasst, sind toll.
    Danke dafür!

  2. Liebe Mama Miez,
    musste schon bei der Überschrift lachen, denn auch mein kleiner Mann (fast Drei) sagt bei jeder sich bietenden Gelegenheit ein süßes kleines „Na dut.“

    Schön, daß wir nicht allein sind!

  3. Wunderbar. Erstaunlich, dass ich etwas ganz Ähnliches gerade gestern dachte. Allerdings ist unser Trotzer im
    Landeanflug schon 4 und wir haben noch einen ,, in der Luft,,. Mit 18 Monaten ist der Minidickkopf zwar schon voll dabei aber dennoch erst an Beginn der Reise. :-) ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Ihr Meedchen sich etwas mehr Zeit lässt oder eher dem ganz großen Bruder gleichkommt.

  4. Ich muss immer so herzlich lachen, wenn du die Dialoge in „Kindersprache“ wiedergibst. Und überhaupt gefällt mir der Stil deines Blogs sehr gut!

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