Gastbeitrag: Schimpfwörter

jademondIch bin Ramona, Leitwölfin eines 5 köpfigen Rudels bestehend aus mir, meinem Mann, der Tochter (11), dem Wolf (5) und dem Sterngucker (1). Ich schreibe auf jademond.de über unseren Alltag, unsere Ernährung, Familienleben und was sich sonst noch bewegt in mir drin und um mich herum. Grad gab mir der Wolf den Impuls, doch mal bisschen über Schimpfwörter nachzudenken.

Neulich stand der Wolf vor mir, versuchte angestrengt die Finger seiner Hand zu koordinieren und streckte mir dann den Ringfinger hin: „Mixer! Schimpfwort.“

Natürlich musste ich mir arg das Lachen verkneifen, war ich doch vom letzten Elternabend im Kindergarten schon auf dieses Schimpfwort, allerdings mit ,W‘ ,schon vorbereitet. Es ist nicht das einzige, was seinen Weg über den Schulbus, mit dem er täglich in den Kindergarten fährt, zu uns nach Hause findet. Über das schon fast harmlose ,A*loch‘ bis hin über ,F* dich‘ ist es nur eine weitere Ergänzung im kreativen Vokabular der Toilettensprache.

Beim ersten Mal schmunzeln wir vielleicht noch drüber. Weil die Situation noch nicht so passt oder das Wort falsch ausgesprochen wird. Irgendwann ist es aber nicht mehr lustig und dann fühlen wir uns hilflos. Das geht nicht nur uns so. Im Kindergarten wurde das zu einem Elterngesprächskreis thematisiert.

Warum benutzen Kinder Schimpfwörter?

Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen sind es Worte, die sie aufschnappen, deren Bedeutung sie aber meist noch nicht kennen. Sie benutzen sie also nicht der Worte wegen, sondern der Reaktion wegen, die sie (bei uns Erwachsenen) auslösen. Also probieren sie gleich an der nächstbesten Person aus, welche Vielfalt an Reaktionen so ein Schimpfwort auslösen kann. Zuerst unter sich, dann auch mit größeren Geschwistern und Kindern im Bus. Und weil sie in dem Alter die Rollen im sozialen Umfeld noch nicht sicher unterscheiden können, auch schon mal an den Eltern und wildfremden Personen.

Abgesehen von der Experimentierfreude sind Schimpfwörter natürlich ein ganz neuer Kanal, um Wut und Hilflosigkeit zum Ausdruck zu bringen ohne gleich alles kurz und klein zu schlagen. Also weg vom körperlichen Ausdruck hin zum verbalen (ist doch eigentlich ein großer Schritt, oder?). Oft tritt das auf, wenn Kinder in ihrer Selbstbestimmung verletzt werden. Durch die Benutzung von Schimpfwörtern ist es möglich, daß sich das Machtverhältnis, so will ich es mal nennen, verschiebt. Das Kind, was sich in der Situation machtlos fühlt, benutzt Schmipfwörter: Zum einen als Kanal seiner Wut, zum anderen aber kehrt es damit das Machtverhältnis um. Es merkt, daß wir gegen die verbalen Ausbrüche machtlos sind (und hat einen kleinen Minitriumph in der Tasche). Warum machtlos? Wir werden selbst wütend, können wir doch nichts wirklich gegen die verbalen Angriffe machen. Zurückschimpfen? Aufs Zimmer schicken? Es läuft auf ein Machtspiel hinaus. Ich spinne an dieser Stelle die Spirale mal nicht weiter, sondern frage mich:

Wie können wir damit umgehen?

Zugegeben sitzen wir oft genug ratlos da und wissen nicht recht, was genau die ideale Herangehensweise wäre. Ich rede jetzt nicht vom Fluchen, mal ,Scheisse‘ sagen, wenn was nicht gelingt. Sondern dem gezielten Einsatz von ,Mixer‘ & Co. Einfach ignorieren? Das macht das Kind noch wütender. Und befriedigt uns ja auch nicht wirklich.

Auf jeden Fall machen wir dem Wolf klar, daß wir diese Sprache bei uns nicht wollen. Mag sein, daß er grad ganz sauer auf uns ist, aber Schimpfwörter möchten wir nicht hören. In manchen Situation kann ich drüber hinweg hören und ignoriere sie. Ich möchte keinen Machtkampf daraus werden lassen, denn umso länger versucht er seinen Spaß damit zu haben.

Manchmal hilft auch Aufklärung. Die Kindergärtnerin erzählt uns von einem Kind, was im Kindergarten auch für jeden Finger der Hand eine andere Art von ,Mixer‘ kannte und es fleissig einsetzte. Irgendwann war es der Erzieherin zu viel und sie setze sich zum Kind und fragte: „Sag mal, weisst du eigentlich, was das bedeutet?“ „Nein, aber vielleicht kannst du es mir sagen?“ „Ein W* ist jemand, dem ganz viel Spaß macht mit seinem P*enis zu spielen und der das immer wieder macht“ Da war der kleine Junge ganz erschrocken und betroffen, was er da eigentlich sagt. Das half in jenem Falle, würde ich aber nicht als Lösung für jedes schimpfwortliebende Kind hernehmen. Für die Kinder sind die Bedeutungen der Schimpfwörter oft auch gar nicht so stark, wie bei uns.

Die Tochter übrigens brachte nie solche Worte mit nach Hause in dem Alter. Jetzt allerdings ist sie selbst eine Quelle und Vorbild für den Wolf. Ich bin gespannt, wann sich die Schmipfwortwogen wieder glätten und wir ohne verbale Angriffe aufeinander sauer sein können. Solange der Wolf im Schulbus fleissig Input bekommt, wird das wohl noch eine Weile dauern.

Benutzen deine Kinder Schimpfwörter? Wie gehst du damit um?

***

Ich danke Ramona sehr für ihren tollen Gastbeitrag und hoffe, Euch in Zukunft weitere Blogger mit interessanten Themen auf dem Mama Miez‘ Blog präsentieren zu dürfen. dieMiez

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
Beitrag erstellt 4659

2 Gedanken zu „Gastbeitrag: Schimpfwörter

  1. Hallo,

    ein sehr schöner Beitrag und leider immer wieder / mehr aktuell.
    Ob Kindergarten oder Schule, diese verbalen „Ausfälle“ sind unschön und oft nicht einfach in den Griff zu bekommen.

    Mal ist es das „männliche“ Revierverhalten von 8 Jährigen, mal das „Nachplappern“ der kleineren Kinder… irgendwie schafft man es nicht immer richtig oder angemessen zu reagieren.

    Vielen Dank für deinen tollen Beitrag.

  2. Unser großer Sohn (4) hat sich auch schon an Schimpfwörtern versucht. Ein paar mal hat er wütend geschrien „Du hast ein A****loch!“ und später dann „Vergiss Dein A****!“ (was auch immer das bedeuten sollte). Wir mussten uns immer sehr beherrschen nicht loszulachen ob der falschen Verwendung, schließlich will man das beschmipfen nicht fördern. Im Moment ist er bei den harmloseren Schimpfwörtern angekommen. Seine Bruder nennt er Schlingel und wenn er sich über jemanden ärgert, erzählt er „Du bist nicht mehr mein Freund!“
    Wenn er alleine spielt und etwas nicht so richtig klappt, schimpt er auch öfter „Scheiß“ oder „Fuck“ vor sich hin. Letzteres hat er wohl leider von mir, obwohl ich inzwischen schon zum „Mist“ sagen übergegangen bin. Vielleicht verliert sich das auch wieder.

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