„Schoggedier*, Mami!“

Auch beim 3. Kind lernt man noch was über Grenzen und Nerven. Die Eigenen. Ohne Übertreibung kann ich behaupten, dass das Meedchen gerade in einer Phase der Zerstörung und Sabotage steckt, die ich von den Jungs definitiv nicht kenne. Gestern Morgen weckte der Quietschbeu mich mit den Worten: „Das Meedchen hat das Sofa mit Joghurt eingerieben!

SENKRECHTSTART in den Tag. Als ich auf die Treppe ins Erdgeschoss einbog, blieb mein Herz kurz stehen. Auf jeder Stufe ein Fuß- und ein Handabdruck. Auf halber Höhe das grinsende Meedchen. Ich schnappte mir das Meedchen und stellte sie in die Badewanne. Sie war von oben bis unten mit Joghurt verschmiert. Gesicht, Füße, Hände, Shirt und Hose. Und ja, natürlich auch die Haare. Sie heulte und schrie, weil sie Haarewaschen gar nicht mag und alles so überstürzt von Statten ging. Ich versuchte sie zu beruhigen und schließlich presste sie ihr nasses Gesicht an mich und flüsterte „Mami. Meine Mami. Schoggedier*!“ Ich trocknete sie ab und zog sie an. Dann rief ich die Jungs nach oben.

So ruhig, wie es mir möglich war, komplimentierte ich die Kinder in ihre Zimmer. Wenn, ja WENN, ich da unten im Wohnzimmer jetzt einen Nervenzusammenbruch erleiden sollte, dann brauchte ich keine Zuschauer. Ich sag mal so: die Entscheidung erwies sich als weise. Das Schimpfwortrepertoire der Kinder wäre binnen Minuten explodiert.

Der Esstisch, der Trip Trap, der Fußboden und zu guter Letzt: das Sofa! Das schöne anthrazitfarbene Sofa. Von oben bis unten mit Joghurt vollgematscht. Da waren nicht ein paar Joghurtverschmierte Finger, nein. Sie hatte ganz bewusst und zielsicher den Joghurt in beide 3-Sitzer und den Hocker eingerieben. Ich stand zwischen Herzstillstand und Heulen. 

Dann begann ich zu putzen. Wie ferngesteuert zog ich die Sofabezüge ab, steckte sie in die Waschmaschine, wischte Tisch, Stühle und Boden und fand doch immer und immer wieder neue Fußspuren und Handabdrücke. Als hätte sie in Joghurt gebadet. Dabei waren es maximal 100g. Mehr hatten wir nämlich gar nicht mehr im Haus.

Irgendwann, als ich fast fertig war, begann ich ziemlich hysterisch zu lachen. Selber schuld! Wer nicht mit den Kindern aufsteht, bekommt halt die Quittung. Nur leider hatte ich die Kinder auch gar nicht aufstehen gehört. 

Annehmen, was man nicht ändern kann, in Reinform. 

Anschließend ging ich wieder nach oben und sprach mit dem Meedchen. Ich fragte sie, was sie da unten getan hätte und sie antwortete: „Ich hab Jogu ‚essen.“ – „Aber doch nicht auf dem Sofa?“ – „Nein. Ich hab das Sofa ein’cremt. Und hier!“ Sie deutet auf ihr Gesicht.

Am Tag zuvor hatte ich das Meedchen nach dem Baden eingecremt, weil sie so trockene Haut hatte. Natürlich hatte ich ihr dabei erklärt, dass diese davon ganz weich werden würde. Den Rest können Sie sich nun denken. Ich sagte ihr nochmal, dass das gar keine gute Idee war und ich auch ziemlich sauer deswegen wäre. Sie sah mich mit großen Kulleraugen an, fiel mir um den Hals und flüsterte wieder: „Schoggedier*, Mami!“ Ohne dieses schelmische Grinsen, das sie sonst dabei auf den Lippen hat. Wir drückten uns ganz fest und ich atmete tief durch.

Wir verbrachten also den Sonntag ohne Sofabezüge. Zum Glück sind die überhaupt waschbar und heute morgen konnte ich sie schon wieder aufziehen. Vor lauter Selbstbeherrschung habe ich nicht mal ein Foto des Trümmerhaufens gemacht. Soll ja auch was heißen.

Dass das Meedchen gestern auch noch ihr Essen absichtlich auf den Boden warf und das Lieblingsposter vom Löwenmaul von der Wand riss, waren da nur noch Tropfen auf dem heißen Stein. Es ist gerade sehr sehr anstrengend mit der Rabaukenmeedchen. Soviel Auflehnung und Rebellion habe ich in dem Alter bei keinem der Jungs erlebt. Aber … atmen … alles nur eine Phase, ne? Bis dahin hält mich ihr zuckersüßes „Schoggedier*!“ ganz sicher über Wasser.

*“Entschuldigung!

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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28 Gedanken zu „„Schoggedier*, Mami!“

  1. Oh mein Gott, Pia, was für eine Geschichte! Toll, wie du dich beherrscht hast, bewundernswert! Sowas habe ich noch nicht erlebt und hoffe, das bleibt so. Meine Tochter ist ja so alt wie dein Meedchen, aber bei weitem nicht so wild. Und trotzdem bringt sie mich manchmal an meine Grenzen, und zwar mit ihrem ständigen Jammern (so empfinde ich es im Moment). Aber auch das wird besser – und dein Meedchen wird auch älter und verständiger! Alles nur eine Phase… Ommm.
    Liebe Grüße,
    Katharina

    1. Oh Mann… aber irgendwie auch süß. Das Sofa wollte halt auch „schön weich“ sein. :D Mulle ist auch gerade so ein Rabaukenmeedchen und testet ihre Grenzen so richtig aus… mit provozierendem Grinsen. *ruhig bleiben Mama*

  2. ich bewundere dich immer wieder für deine ruhe und Beherrschung. Ich wäre schier ausgerastet ..

    .. schreibt die Mama bei der es keine nicht bemalte Wand mehr in der Wohnung gibt. Aber is ja alles Papier, die weißen Wände, nech?

    Kinderlogik hat schon so seine tücken.

  3. Ich sags ja- große Niedlichkeit zeichnet besonders „einfallsreiche“ Kinder aus. Das ist bestimmt ein Überlebensretter ;)
    Ich kenne das irgendwoher…. ;)
    Gaaaaaanz viel Ruhe und Kraft/Geduld <3
    Alles Liebe Sarah

  4. Und immer wieder habe ich das Gefühl Du erzählst von meiner Jüngsten.

    Der Satz den ich am häufigsten höre: Kein Wunder bei zwei großen Brüdern!

    Dabei waren die Engel im Vergleich zu dem Temperament das meine Jüngste an den Tag legt. Und manchmal, ja manchmal bekomme ich dann Angst, wenn ich an meine Pubertät denke und weiss, welche genetische Vorbelastung die junge Dame da noch in sich trägt! ;-)

  5. Schoggedier: wie süß ist das denn!

    Ich litt beim lesen nochmal mit dir und bewundere dich für deine Besonnenheit. Ich kenne diese Phase. Es ist soo anstrengend :-( Hier hatte ich neulich auch absichtlich vermüttetes Jogurt-Müsli, was in alle Richtungen platschte, ausgekippte Öl(!)Flasche an Küchenboden etc.

    Schoggedier <3

  6. Achdujemine,
    Das lese ich, nachdem mir gerade Fleischsaft von oben durch den halben vollen frisch eingeräumten Kühlschrank gelaufen ist und ich unter wüsten Verwünschungen „immer muss ich putzen. Ich HASSE putzen“ die Sauerei beseitigte.

    *handreich*einmal mehr von 2012Rabaukenmädchenmutter zu 2012Rabaukenmädchenmutter. Eiiiiiiigentlich ist es ja eine niedliche Geschichte für später mal „Wisst ihr noch, als das Meedchen damals zum 2. Advent das Sofa eingecremt hat“ … Aber für den Witz braucht es wohl noch etwas Zeit.

    Als bei uns Nr.3 ganz frisch war und ich morgens nicht aus dem Bett kam, haben die beiden Großen ihre Nutellafinger am Sofa abgeputzt. Weiß.

    Ein Hoch auf die waschbaren Sofabezüge :-)

  7. hihi, bei unst heisst es „schugung!“ und ich könnt manchmal heulen, wenn er das sagt… weio er das auch manchmal macht, wenn er gar nix gemacht hat, sondern sein bruder. hach ja :-/

  8. Ach Gott, wie süß ist das denn? Schoggedier finde ich herzallerliebst. Und solange sich alles waschen lässt, ist es ja eigentlich nicht so schlimm.

    Ich kann trotzdem oft nicht ruhig bleiben und frage mich dann, was eigentlich so schlimm ist. Wenn nichts dauerhaft kaputt ist, muss man ja „nur“ putzen. Ok, das nervt, aber ich rege mich deutlich stärker auf als es nötig wäre. Warum? So ganz bin ich noch nicht dahinter gestiegen.

    Zum Glück kann auch meine Tochter mich mit kleinen Gesten und Sätzen wieder in die verliebte und geduldige Mama verwandeln. Sie kann halt nicht nur Chaos sondern auch zaubern ;-)

    Liebe Grüße
    Julia

  9. Das Auflehnen und mal wieder Grenzen testen scheint zZ in der Luft zu liegen. Nur dass ich hier gleich 2 von der Sorte habe, die den Aufstand proben. Seit knapp 2 Wochen geht das jetzt.
    Mein tägliches Mantra: Es ist nur eine Phase! ;-)

  10. Hallo Pia,

    ein dreifaches Hoch auf den Erfinder der waschbaren Sofabezüge.
    Die hatten meine Eltern damals nicht. Und ein mit Penatencreme vollständig eingecremter Hocker hat was. Nur blöde das es MEIN Lieblingshocker war und ich danach dann leider ohne diesen auskommen musste. Vielleicht war meine Mutter damals deshalb so ruhig.
    Tief durchatmen, es ist nur eine Phase.
    Und ne feste Umarmung für die Nerven.
    Tschacka! Du schaffst das!

    Liebe Grüße
    Tanja

  11. Ich war als Kind auch so. Ich habe es aber stattdessen mit der diken Penatencremé gemacht. Und in der eigentlichen Mittagsschlafruhe habe ich des Öfteren mal die Blumen in meinem Bett ausgetöpfert. Irgendwann hatte ich keine Blumen mehr im Kinderzimmer…

  12. Oh, diese Überraschungen beim Aufstehen! Erinnert mich glatt daran, wie mich meine beiden größeren Kinder mit einer Stempelaktion überrascht haben. Sie hatten aus dem Bastelschrank Stempel und ein schwarzes Stempelkissen stiebitzt, sich damit im Wohnzimmer betätigt, dabei nicht nur Papier getroffen, sondern auch den Fußboden, sämtliche (weiße!) Schränke und Stühle, die Schlafanzüge … Wunderbarerweise das Sofa nicht. Aber dann hatten sie halt noch Hunger gehabt und sich mit den Stempelfarbenhänden selbst Frühstück gemacht, Würstchen und Joghurt aus dem Kühlschrank, Geschirr und Besteck aus den Küchenschränken (auch weiß :-) ). Schön wars. :-p Man hätte über die plötzliche Selbständigkeit maßlos staunen können, wäre man angesichts der Schmiererei nicht so geschockt gewesen. ;-) Auch ich habe kein Foto von der Aktion, da ich lieber schnell zum Schmutzradierer gegriffen habe, um zu retten, was zu retten war … Im Nachhinein kann man drüber lachen.
    Ich denke da auch an eine Bekannte, deren Kinder sich im Wohnzimmer (mit hölzernem Dielenboden) mit einer Tüte Mehl vergnügt hatten …
    Das ist der Stoff, aus dem die Geschichten sind, die den Kindern später erst peinlich sind, und die noch später ihre eigenen Kinder gar nicht oft genug erzählt bekommen können. Leben pur. :-D

  13. auweh, ich kann mir das grade sehr bildlich vorstellen!
    Sei froh, dass deine Bezüge waschbar sind und dein Meedchen nicht auf die Idee gekommen ist, die Wände auch einzucremen!
    In ein paar Tagen/Wochen/Monaten siehst du es vielleicht auch mit etwas mehr Humor :)

    Und mein großes Mädchen hat mit 2,5 oder so die Wintercreme- also komplett Fett ^^- auf ihren Puppen und Stofftieren verteilt, weil sie auch eingecremt werden sollten und die Hände wischte sie sich am Schrank sauber und fand dabei heraus, dass man auf dem Schrank mit Creme prima malen kann…

    Und ich freute mich nichtsahnend über das so ruhig und friedlich spielende Kind ^^

    Liebe Grüße

  14. hach!
    Das spricht mir soooo aus der Seele – und Du schreibst super! Genau! Nicht zum Alien werden, nur weil man Kinder hat! Diese ganzen ‚heiligen‘ Mütter, die lächelnd über die Spielplätze schweben – die ganze Show, das ganze watteweiche Babyglücksleben.
    Nein. Mal ausrasten. Mal nicht mehr können. Mal egoistisch sein! Kinder verstehen das (wenn man sich auch wieder beruhigt). Man ist einfach menschlich.
    Genau das hat mich früher so überrollt – das Gefühl, alles ‚richtig‘ machen zu müssen. Und dann der Vergleich mit den anderen Eltern, die ja alle sooooooo toll sind, so ruhig, so koordiniert… es war zum Verzweifeln.
    Bis ich etwas genauer nachgesehen habe.
    Und da waren die meisten Mütter doch aufeinmal ganz normal. Lächelten nicht ständig ihre Babies an, kriegten auch mal nen Wutanfall, ließen Arbeit liegen, waren einfach mal ne Sekunde egoistisch.
    Ich hab das dann aufgeschrieben in ‚Mamas Glücksbuch‘.
    Laut Leserkritik hat das wohl einen Nerv getroffen
    http://www.amazon.de/Mamas-Gl%C3%BCcksbuch-Begleiter-gelassene-M%C3%BCtter/product-reviews/3517088285/ref=dpx_acr_txt?showViewpoints=1
    Ich wünsche Euch eine schöne Weihnachtszeit!

  15. Ich habe zwei Mädchen (3 und 6 Jahre) und einen Jungen (8 Jahre). Ich kann das nachvollziehen und musste beim Lesen an die ein oder andere Begebenheit bei uns denken :-)

    Danke für Deine offenen Worte und auch ich bin ständig am Atmen und Annehmen…

  16. Hihi sehr schön. Nicht die Tatsache, dass überall Joghurt klebt. Eher, dass ich nicht alleine mit einem süßen aber anstrengenden Mädchen da stehe. Bei uns heißt es übrigens *schuckelugg

  17. Guten Abend!

    Es hätte auch Creme sein können – die wäre definitiv, trotz waschbarer Bezüge, schlechter zu entfernen gewesen. Ich hab während des lesens die ganze Zeit ungläubig den Kopf geschüttelt und „oh nein“ gemurmelt :D Ich befürchte, so souverän wäre das hier nicht abgelaufen. Zumal das Kinderzimmer direkt neben dem Wohnzimmer ist und mein Gefluche sicherlich bis dahin druchgedrungen wäre.

    Daher behalte ich mir diesen Beitrag im Hinterkopf, für den Fall, dass meine zwei je Lebensmittel auf Möbel verschmieren wollen :D

    Liebe Grüße

    Minensie

  18. Liebe Mama Miez,

    das hast Du aber schön geschrieben. Aus zeitlichen Gründen bin ich nur zum Lesen dieses einen Artikels gekommen, werde mir aber in Kürze alle anderen durchlesen.

    Es tut gut zu lesen, dass nicht nur meine Schlimmbertbären solche Dinge tun und am Ende alles mit einem „Tungelung“ wieder gut machen. Schoggedier ist verdammt süß. Dabei dachte ich bisher, dass „Tungelung“ keiner mehr toppen könnte. Meine zwei sind Jahrgang 2009 und 2012. Das Jahr 2010 hab ich mal ausgelassen.

    Der Artikel ist fantastisch geschrieben und zauberte beim lesen Lächeln, Gänsehaut, Erinnerungen, Kopfschütteln und auch ein wenig Angstschweiß. Danke dafür. Und jetzt klau ich Dein Rezept für den Blumentopfabschiedsgeschenkirgendwas mit Danke fürs Wachsen lassen, denn so bin ich eigentlich auf diese Seite gepurzelt beim googeln.

    Liebste Grüße

    die Mudda

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