machen, statt immer nur reden.

BFF_1508_HeaderBlau1-300x111Seit 2 Wochen betreue ich nun eine afghanische Flüchtlingsfamilie. Eine Mutter mit 4 Kindern. Sie wohnen in einen etwa 20m² großen Zimmer, wo sie leben, lernen und schlafen. Es gibt Unstimmigkeiten mit einem Mitbewohner, der die Familie immer wieder bedroht, Geld für Alkohol fordert und auch schon die große Tochter (17) bedrängt hat. Die Umstände sind für unsereins unvorstellbar grauenvoll. Und doch geht es ihnen dort bereits deutlich besser, als den vielen tausend Neuankömmlingen, die wochenlang in einer Turnhalle, einem Baumarkt oder in provisorischen Zelten untergebracht sind.

Ich suche für sie eine Wohnung. Die Chancen sind nahezu aussichtslos. Niemand will an eine Flüchtlingsfamilie vermieten. Und ich sage dies bei meinen Anrufen und E-Mails immer direkt dazu, denn ich will bei der Familie keine falsche Hoffnung schüren, indem ich Besichtigungstermine vereinbare und sie die Wohnung dann doch nicht bekommen.

Die Mutter schläft kaum, aus Angst und Sorge um ihre Kinder, hat zudem starkes Asthma und Herzbeschwerden. Die Kleine weint viel. Und auch wenn die größeren Kinder bereits einige Brocken Deutsch gelernt haben, so ist und bleibt die Verständigung schwierig. Wie oft ich auch frage „Braucht ihr noch was? Kann ich Euch irgendwie helfen?“ so bekomme ich immer erst sehr verlegene, ja, beschämte Blicke, bevor sie zögerlich antworten. Windeln, zum Beispiel, weil die vorgesehene Ration halt nicht ausreicht. Kleidung für Herbst und Winter. Und eine Wohnung. Ganz besonders eine Wohnung.

Mir schnürt sich der Magen zu, weil ich weiß, wie aussichtslos das Ganze ist. In naher Zukunft erwartet unser Dörfchen 150 weitere Flüchtlinge zur Erstaufnahme. Die haben dann noch viel weniger und die Wunden der Flucht und des Erlebten ist noch viel frischer, als bei meiner Flüchtlingsfamilie, die letztes Jahr getrennt über den Iran, Irak, die Türkei, und vor dort aus mit einem kleinen Boot nach Griechenland flohen.

Als ich einen lokalen Hilfeaufruf auf Facebook bezüglich der Herbst-/Winterkleidung für Mutter und Töchter startete, hatte ich Angst vor den braunen Kommentaren. Denen, die immer mit „Ich bin kein Rassist/Nazi, aber …“ beginnen. Sie wissen schon. Erstaunlicherweise kamen keine. Bisher. Stattdessen viele Spendenangebote, die weit über die benötigte Kleidung hinaus gingen. Das hat mir so ein bisschen den Glauben und die Hoffnung wieder gegeben, dass hier, bei uns im Dorf, noch nicht alles im Argen liegt.

Für die Registrierung der 150 neuen Flüchtlinge werde ich mich als ehrenamtlichen Helfer zur Verfügung stellen. Kleiderausgabe, Essensausgabe, Kinderbetreuung. Es wir an allen Ecken und Enden Hilfe benötigt werden.

Und das bringt mich zum eigentlichen Grund dieses Beitrag: auch Ihr könnt helfen. Die Initiative Blogger für Flüchtlinge bietet auf ihrer Webseite allerhand Informationen wie und in welcher Form man helfen und unterstützen kann.

Zum Beispiel durch

  • Geld spenden 
  • Sachspenden
  • ehrenamtliche Unterstützung  lokaler Hilfsprojekte (Infos bei Eurer jeweiligen Kommune/Stadtverwaltung/Gemeinde)

Ich persönlich möchte Euch zudem noch bitten: bezieht Position! Zeigt in Eurem Alltag, in sozialen Netzwerken und wo Ihr auch immer auf rassistische Äußerungen, verkappte Nazis und Stammtischparolen stoßt, dass diese Menschen in der Minderheit sind. Denn daran glaube ich nach wie vor ganz fest! 

Es geht uns gut! Es geht uns so verdammt gut. Niemand bedroht unser Leben, nimmt uns unser Hab und Gut oder verfolgt uns. Unsere Kinder können zur Schule und in den Kindergarten gehen, Sport treiben, sind stets wettergemäß gekleidet und werden täglich satt.

Von diesem großen Glück etwas abzugeben, an die, die nichts mehr haben, außer Angst und Trauer, sollte für uns alle selbstverständlich sein.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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22 Gedanken zu „machen, statt immer nur reden.

  1. Ich finde super was du machst. Ganz groß und mein Respekt. Ich habe meine „Freundeslisten“ ausgemistet und alles rausgeschmissen was sich mit Stammtischparolen identifiziert. Ich finde das armselelig was die Leute teilweise von sich geben. Wobei ich nicht weiß was ich schlimmer finde. Offene Rechte oder die Bevölkerung die ihre setze mit aber weiterführt.
    Mach weiter so

  2. Wunderbarer Artikel, wie so viele in den letzten Tagen! Finde ich ganz toll und drücke der Familie die Sie betreuen die Daumen.
    Wir haben wirklich viel – ach, eigentlich alles – beschweren ist im Grunde überflüssig.

    Liebe Grüße

  3. Ich bin seit Jahrem im DRK Tätig und sehr täglich was bei uns ins in der Erstaufnahme los ist. Eben auch die braunen Nachbarn,aber auch eine Welle der Hilfsbereitschaft. Dazu die Stunden die neben dem Hauptberuf geleistet werden beachtlich.

  4. Hallo, und meinen ehrlichen Respekt für die aktive Hilfe, die du der Familie zukommen lässt. Aktuell muss ich mich auf „Stimme erheben“ beschränken. Ich bin positiv überrascht, wieviele Blogger bei der Aktion mitmachen. Echt toll. Ich wünsche viel Erfolg bei der Wohnungssuche und viele dankbare Momente bei deinem Engagement.
    LG Hans

    1. Wenn du magst, kannst du seine Gedanken auch noch bei meiner Blogparade #meinfreundsalim verlinken – ob als spätere Kinderbuchleserin oder nur so, ist dabei egal. Ich würde mich darüber sehr freuen ….

  5. Mein Eindruck: einerseits ist die Hilfsbereitschaft im ländlichen Raum viel unmittelbarer, direkter und persönlicher. Vielleicht auch einfacher, da die Dimensionen ganz anders sind als z.B.aktuell in Berlin.
    Andererseits ist es bei uns (8000 Einwohner) schwieriger, den Asylbewerbern eine langfristige Perspektive zu geben. Es gibt nahezu keinen Wohnraum für die Zeit ab Anerkennung/ Duldung. Die kleinen Geschäfte sind verständlicherweise am deutschen Grundbedarf orientiert. Der Nahverkehr in die nächstgrößere Stadt mit Asialäden oder türkischen Shops ist nur sporadisch. Das Sozialticket mit seinen 30€ gilt zwar im gesamten Kreis, wir wohnen aber an der Grenze zu zwei anderen Verbundswaben, in die man von hier aus eher fährt.
    Ich behaupte, dass sich in einer größeren Stadt schneller Hilfenachwuchs rekrutieren lässt. Hier sind irgendwann die Ressourcen erschöpft. Von einer nahgelegenen Zentrale Unterbringungseinrichtung mit kurzer Verweildauer kommen leider einige halbstarke Flüchtlinge, die sich hier vor allem in den zwei Geschäften ziemlich daneben benehmen. Sicher haben diese Menschen eine Menge Schreckliches erlebt, stehen noch unter den traumatischen Erlebnissen in der Heimat oder auf der Flucht. Aber dieses darf keine Rechtfertigung für wirklich kriminelles und gefährliches Verhalten sein, dass dann von deutschen Behörden nicht geahndet wird „Nächste Woche ist der eh nicht mehr da, sehen Sie doch von einer Anzeige ab.“

    Ich betrachte mit Sorge die vielen Baustellen. Die chaotischen bürokratischen Zustände, der Unmut in der Bevölkerung und das Gefühl, mit dem Problem allein gelassen zu werden. Das Ausbrennen der emsigen Helfer hier vor Ort. Und natürlich ganz besonders die von dir geschilderten Nöte der einzelnen Menschen auf der Flucht.

    Ich trage meinen Teil bei, in dem ich Spenden verteile und 4h/Woche beim Deutschlernen helfe. Jetzt muss ich los, eine neue syrische Familie dazu abholen und auf dem Weg begleiten.

    Und allen wünsche ich viel Kraft bei den anstehenden Aufgaben!

  6. Danke! Einfach Danke! Vor allem für den letzten Teil.
    Wenn einfach alle so denken würden, ich kann das alles nicht verstehen. Alles Gute Ihnen und Ihrer Familie und natürlich auch allen anderen die ankommen und hoffentlich bald die Hilfe bekommen, die sie verdienen.

  7. Toll, ich finde es sehr wichtig, dass die braunen Äußerer isoliert werden, denn was ist das für eine Kultut von diesen Menschen, die Schutzsuchende in unserem Land bedrohen und bepöbeln!

  8. Das ist es ja. Ich stoße nicht auf rassistische Äußerungen, verkappte Nazis und Stammtischparolen, dabei scheinen sie doch überall zu sein??!! Schön, wie du dich engagierst! Ich frage mich, wie sie wohl alle unterkommen wollen. Es scheint ein bisschen aussichtslos. Verbreite weiter Mut und Hoffnung.
    Liebe Grüße,
    Kathrin
    P.S.: Wissen eigentlich deine Kinder davon?

  9. Liebe Pia,

    ich schließe mich meinen Vorschreibern an… das ist einfach großartig. Bei uns im Ort sollen auch „irgendwann“ Flüchtlinge ankommen, bisher ist aber nichts passiert. Da ich auch jetzt schon gerne helfen wollte habe ich unseren Landkreis angeschrieben was ich tun kann (wohin spenden, gibt es Familienpatenschaften) und bin sehr enttäuscht, noch immer keine Antwort bekommen zu haben (seit 1 Woche). Auch findet sich auf der entsprechenden Internetseite überhaupt kein Hinweis, wie man helfen kann. Schade…
    Nun werde ich in unserer Gemeinde direkt nachfragen…
    Mir bricht es das Herz wenn wie z.B. in Nauen eine Turnhalle abgebrannt wird, wo sogar NUR übergangsweise Flüchtlinge einziehen sollen…somit haben auch die Schüler, Kinder und Vereine jetzt dauerhaft keine Turnhalle mehr…
    Mich beruhigt aber, dass es immer noch soviele Leute gibt, die helfen nicht nur leere Worte sprechen sonder auch wirklich helfen…!!!
    Von deinem Spendenaufruf für „Eure Flüchtlingsfamilie“ habe ich nichts gelesen – hast du das nur Ortsintern gemacht?

    Mach bitte bitte weiter so und berichte von deinen Erfahrungen!

  10. Hallo Pia,

    du sprichst mir so sehr aus der Seele.
    Nicht quatschen. Machen!
    Ich hab bis Anfang des Jahres hier bei uns in der Nachbargemeinde bei der Tafel geholfen. Dieses dann aber wegen interner Querelen, die einfach nicht mehr zu ertragen waren, aufgegeben.
    Und nun will ich schauen, ob ich bei der Flüchtlingsbetreuung helfen kann.
    Mach weiter so.
    Und diese braune Hetze hat mich nun dazu bewegt, doch weiter auf FB aktiv zu bleiben.
    Um da klar Stellung dagegen zu beziehen.
    Ich hab gestern noch eine alte PUR-CD gehört und bei dem Lied „Bis der Wind sich dreht“ lief es mir kalt den Rücken runter.
    Genau das passiert gerade wieder in Deutschland.
    Und das darf nicht sein. Nie wieder.

    Kämpfen wir dagegen an.

    Liebe Grüße, starke Nerven und Danke für deine klaren Worte,
    Tanja

  11. Danke! Danke für Deine Arbeit! Ich habe hier in Berlin Geld für eine Organisation gespendet, Töpfe und Kinderstühle gefahren und für einen afghanischen Jungen Geld überwiesen, damit er ein heimatliches Instrument bekommt. als nächstes organisiere ich spielzeugspenden.
    Genau diese Dankbarkeit, von der du schreibst, für unser Leben hier treibt mich an.
    danke! Spread the word! ??

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