Stopstein und Blickkontakt

Heute war eine Polizistin im Kindergarten, um mit den Vorschulkinder das korrekte Verhalten im Straßenverkehr zu üben. Auch wir Eltern waren zu diesem Termin herzlich eingeladen und da ich es heute zeitlich gut einrichten konnte, begleitete ich die Veranstaltung als stille Beobachterin.

Tatsächlich habe auch ich noch etwas Neues lernen können. Doch zunächst stellte die Polizistin sich vor und erklärte sehr anschaulich anhand eines Bobbycars und eines Teddybären die Notwendigkeit von Anschnallgurten. So durfte der Bär einmal nicht angeschnallt gegen eine Mauer brausen und flog natürlich direkt im hohen Bogen vom Bobbycar herunter. In der zweiten Runde war er dann angeschnallt und blieb sicher auf seinem Sitz sitzen. Die Kinder waren nicht überrascht, doch aber erstaunt, wie weit so ein Teddybär bei einem leichten Aufprall gegen eine Mauer fliegen kann.

Anschließend fragte die Polizistin die Kinder, wen man denn bei einem Unfall anrufen würde. Natürlich tönte es direkt Mehrstimmig: „Polizei! Die Feuerwehr! Einen Krankenwagen!“ Ein Kind ergänzte voller Überzeugung: „Und den ADAC!„, was die Polizistin ebenfalls grinsend bejahte. Dann wollte die Polizistin von den Kinder wissen, ob sie denn auch die Rufnummern von Polizei und Feuerwehr kennen würden. Fast alle Kinder konnten diese sofort problemlos benennen. „Und die Rufnummer vom ADAC?“ scherzte die Polizistin. „22 22 22!“ Für diesen Einwurf kassierte ich direkt beeindruckte Blicke von den Kindern UND der Polizistin. *gnihihi*

Die Kinder erfuhren, dass man sich mindestens eine der beiden Nummern – also 112 oder 110 – unbedingt merken müsse. Im Eifer des Gefechts könnte man die auch schon mal verwechseln, aber Hilfe würden sie unter beiden Rufnummer immer bekommen.

Wir bekamen erklärt wie wichtig es außerdem ist, seinen ganzen Namen – also Vor- und Nachnamen – zu kennen und die Kinder wurden dann auch einzeln abgefragt. Die Polizistin erzählte von einem 4-jährigen Mädchen, das sich mal nachts aus dem Haus schlich, um Bobbycar zu fahren und sich dann in der Stadt verfahren hat. Sie kannte leider nur ihren Vornamen und musste dann so lange auf der Wache bleiben, bis die Mutter am Morgen ihr Verschwinden bemerkte und sich bei der Polizei meldete. Das beschäftigte die Kinder doch sehr und sie hatten einige Nachfragen.

Nachdem fast alle Fragen gestellt und Geschichten erzählt waren (unglaublich welch großes Mitteilungsbedürfnis Vorschulkinder haben, wenn sie eine/n Polizist/in vor sich haben) zogen wir uns Schuhe und Jacken an und gingen auf die Straße.

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Dort lernten die Kinder, dass die Bordsteinkante auch Stopstein genannt wird und dass dieser immer als Richtlinie für die Schuhspitzen gilt, wenn man die Straße überqueren möchte. Dann folgt der Blick nach links, rechts und wieder links. Wenn kein Auto zu sehen ist geht man zügig geradeaus über die Straße. Man geht nicht schräg über die Straße, weil man immer den kürzesten Weg beim Überqueren einer Straße wählen soll. Man hoppst und rennt nicht, da man so viel schneller stolpern und hinfallen kann.

Ist ein Auto zu sehen bleibt man stehen bis es vorbei gefahren ist oder es, z.B. am Zebrastreifen, angehalten hat. Dies soll man den Kindern als grundsätzliche Verhaltensweise mitgeben. Auch wenn das Auto noch in einiger Entfernung ist, so soll dem Kind immer das Stehenbleiben und Warten vermittelt werden, da Kinder im Alter von bis zu etwa 8 Jahre Entfernungen noch nicht zuverlässig einschätzen können.

Hält das Auto an, so soll das Kind immer erst noch Blickkontakt mit dem Fahrer aufnehmen, damit es sicher gehen kann, dass er das Kind auch gesehen hat*. Dann erfolgt noch mal ein Blick in die andere Fahrtrichtung, ob dort auch kein Auto kommt und dann kann man über die Straße gehen.

Die Polizistin erzählte mir später, dass häufig die Ungeduld der Fahrer ein Problem sei. Diese halten zwar für Kinder am Straßenrand an, fahren dann aber doch weiter, wenn das Kind nicht sofort zum Überqueren ansetzt, sondern noch zögert. Daher an dieser Stelle nochmal der Aufruf an alle Autofahrer: Wenn ihr für ein Kind anhaltet, dann wartet auch bis es die Straße überquert hat, auch wenn das einen Moment dauern kann. Und gebt keine Handzeichen, wenn aus der entgegengesetzten Richtung noch Autos kommen.

Was ich heute auch gelernt habe: Man soll als Fußgänger am Zebrastreifen kein Handzeichen geben (was ich meinen Kinder bisher noch so beigebracht habe), da es in der Vergangenheit häufiger zu Unfällen kam oder die Kinder der Meinung sind, dass das Handzeichen für jede Stelle, an der sie die Straße überqueren wollen, funktioniert. Tatsächlich sollen sie einfach gut schauen (links, rechts, links), bei einem herannahenden Auto warten bis dies steht, Blickkontakt mit dem Fahrer aufnehmen, nochmal die andere Fahrtrichtung kontrollieren und dann zügig über die Straße gehen.

 

Wir übten das mehrfach an einigen Stellen, mit und ohne Zebrastreifen und bis auf ein paar Ausnahmen funktionierte das auch bei allen Kindern ganz wunderbar.

Anschließend kehrten wir zum Kindergarten zurück, auf dessen Parkplatz die Kinder sich alle noch mal in das Polizeiauto setzen und den Anhaltestab halten durften. Danach versammelten wir uns noch einmal in den Räumlichkeiten der Gruppe und die Kinder bekamen von der netten Polizistin eine kleine Hausaufgabe auf. Einmal sollen sie ein Blatt ausmalen, auf dem ein Kind im Kindersitz angeschnallt im Auto sitzt und ein zweites Blatt mit einem Polizeiauto darauf, auf das sie alle noch mal die Rufnummer der Polizei schreiben sollten.

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Die Kinder bedankten sich zufrieden und aufgeregt bei der Polizistin für ihren Besuch und auch ich kann nur resümieren, dass das wirklich eine sehr gute Verkehrsschulung war.

*vor zwei Wochen lief ich mit den Kindern zu Fuß vom Kindergarten nach Hause. Alex und Max gingen etwa 10 Meter vor uns. Als sie die Straße an einer kleinen Kreuzung überqueren wollten, sah Alex ganz vorbildlich nach links, rechts und wieder links. Ein SUV näherte sich und hielt vor den Kindern an, woraufhin Alex los ging … und der SUV Fahrer wieder anfuhr. Mit einem beherzten Sprung konnte Alex sich auf die andere Straßenseite retten. Der SUV Fahrer schimpfte und zeterte ihn an und fuhr dann mit quietschenden Reifen davon.

Was war passiert? Der SUV Fahrer hatte nur angehalten, um zu gucken, ob von rechts ein anderes Auto kam. Alex hatte er dabei am linken Straßenrand gar nicht wahrgenommen. Alex wiederum hat gedacht, dass der Fahrer für ihn halten würde und ist los gelaufen. Mir ist das Herz in die Hose gerutscht und ich war so erschrocken, dass ich gar nicht groß handeln konnte. Wie auch, aus 10 Metern Entfernung? Also blieb ich ruhig und erklärte Alex und Max nochmal eindringlich, dass sie immer erst Blickkontakt mit dem Fahrer aufnehmen müssen. IMMER! Gerade bei so hohen Autos wie einem SUV werden Kinder nämlich gerne mal übersehen. 

Alex‘ einzige Sorge war, dass er nun Ärger bekommen könnte, weil der Reißverschluss seiner Jacke gegen das Auto geschlagen sei. Ich versicherte ihm, dass der Autofahrer da deutlich mehr Angst haben müsse. Vor mir.  

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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10 Gedanken zu „Stopstein und Blickkontakt

  1. Hier hat der Verkehrspolizist gesagt, dass man mit dem Auto -auch wenn es noch so gut gemeint ist – lieber nicht anhalten soll, um Kinder über die Straße zu lassen. Eben damit es gar nicht zu Missverständnissen kommt und vor allem auch, weil die Kinder eben nicht an den Gegenverkehr denken. …und man selber oft ja auch nicht…. Und dieser eben nicht auch automatisch hält.

    Ich regel das so, dass ich ggf.sehr sehr weit hinten schon anhalte und deutliche Handzeichen mache. Umgekehrt habe ich meinen Kindern aber eingebläut, lieber zu warten, bis kein Auto mehr zu sehen ist. Schon schwierig. Aber sie können es nur lernen.

    Schön wär, wenn sich alle Autofahrer an Tempo 30 im Ort halten würden und vor allem zu Schulbeginn nicht kreuz und quer an der Schuleinfahrt parken. Das ist auch sehr ungeschickt bis gefährlich

  2. Coole Sache diese Verkehrs Schulung.
    Aber was für ein Handzeichen geben deine Kinder denn beim Zebrastreifen? Bzw gaben sie. Ich hab davon noch nie gehört.

    Gut das deinem Sohn nix passiert ist!

      1. Krass. Hab ich echt noch nie gehört. Mein Mann hat auch grade gedacht ich veralbere ihn als ich ihm von Handzeichen am Zebrastreifen erzählt hab.

  3. Hallo, auch wir sind dieses Jahr in den Genuss der verkehrserziehung gekommen und durften in „echt“ üben. Uns wurden die Handzeichen speziell bei den abbiegenden Autos nahe gelegt, und zwar mit dem ausgestreckten Arm und Zeigefinger deutlich auf den Autofahrer zu zeigen. Auch sollten die Kinder, wenn sie zwischen den Autos hindurch gehen müssen, um eine Straße zu Überqueren, dass Licht des Autos beim Links-und-Rechts-Schauen anfassen, da sie so in der Flucht stehen(quasi seitenspiegelhöhe) und nicht Gefahr laufen beim schauen schon auf die Straße zu laufen. Ja, auch den Porsche oder Ferrari dürfen sie hierfür berühren ;-) LG, Tini

  4. Ich kenne es so, dass die Kinder 4 mal schauen sollen, rechts – links – rechts – links.
    So schauen sie auf jeden Fall zwei mal nach links – auch wenn sie links und rechts nicht auseinanderhalten können und mit der falschen Richtung anfangen.
    Bei unserer Schule wird ziemlich streng darauf geachtet, dass Autos nicht für Kinder anhalten sollen. Dies ist eine recht häufige Unfallursache, weil die Kinder dann dazu tendieren, nicht auf die andere Richtungsfahrbahn zu achten. Außerdem werden anhaltende Autos häufig von hinterherfahrenden Fahrzeugen überholt, die das wartende Kind natürlich nicht sehen und denken, das haltende Fahrzeug würde am Straßenrand halten, um jemanden herauszulassen o.ä.

  5. Den Vorfall an der Kreuzung hätte vermieden werden können, wenn man die Straße an so einer Stelle nicht im direkten Mündungsbereich überquert, sondern ein paar Meter daneben.

  6. Also wenn mein Sohn warten würde bis kein Auto mehr kommt, würde er niemals ankommen. Und ohne dass ein Auto anhält ist es oft unmöglich die Straße zu überqueren…

  7. Das mit dem Handzeichen kenne ich ehrlich gesagt auch nicht. Ich weiß nur, dass das unsere Erzieher gerne gemacht haben, wenn sie auf dem Zebrastreifen standen und alle Kinder drüber lassen wollten. Aber das ich als einzelne Person das auch machen soll, war mir neu.
    Wobei ich es auch sehr begrüße, dass bei uns an der Schule seit ein paar Jahren Lotsen stehen. Mir selbst ist es mal so gegangen, dass mich ein entgegenkommendes Auto so sehr geblendet hat (Fernlicht am Tag), dass ich gar nicht richtig wahr genommen habe, dass es am Zebrastreifen stand und ein Kind rüber lassen wollte. Ich habe das Kind also beinahe überfahren!!! Zum Glück ist das Kind aber auf der Hälfte stehen geblieben und ich habe mich mega erschrocken und mir danach extrem Gedanken gemacht. Und war so glücklich, dass das Kind richtig gehandelt hat.
    Und genau an der Stelle hat sich das früh mit den Lotsen zum Glück durchgesetzt. Trotz Tempo 30.

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