Seit fast 17 Jahren schreibe ich ins Internet. Nächstes Jahr würde dieses Blog quasi volljährig. Es hat alle Erfahrungen und Entwicklungen gemacht, die man in seiner Kindheit und Jugend so durchläuft. Es war anfänglich sehr infantil, dann eher pubertär, zeitweise sogar recht anzüglich, dann wieder ruhiger, etwas bedachter, weniger spontan hin zu sehr spontan. Es war sehr oberflächlich und sehr tiefgründig. Zwischendurch sogar belehrend, provokativ und stellenweise aggressiv. Auch mit fast 18 ist man noch lange nicht erwachsen. Im Grunde ist es auch gar nicht das, was ich für dieses – mein – Stück Internet will. Aber was will ich?
In den letzten 16+ Jahren habe ich immer mal wieder meine Wut, meinen Frust und meine Enttäuschung über die Menschen im Internet rausgelassen. Die übergriffigen Kommentare und Belehrungen, das Besserwissertum, das Verurteilertum. Ich habe mir angehört, dass ich das alles selber schuld bin, weil ich öffentlich ins Internet schreibe. DAS wäre ja meine Entscheidung und dann MUSS man auch mit den Reaktionen leben. Klar, wenn ich mir einen pinken Irokesen schneiden lasse, dann MUSS ich mir auf der Straße auch ein gebrülltes „Sieht die scheiße aus!“ gefallen lassen. Nicht? Oh.
Ich habe nie viel für meine Reichweite tun müssen. Die kam mit meinen Texten von ganz alleine. Zweimal. Auf meinem ursprünglichen und später auch auf meinem anonymen Blog (suchen sie nicht, ich habe beide irgendwann vereint). Und das, obwohl ich eine grauenvolle Rechtschreibung habe und für jemanden „der damit Geld verdient“ überhaupt nicht schreiben kann. Mit dieser Reichweite kamen weder Ruhm noch Reichtum, dafür aber Verantwortung. Verantwortung für alles. Keine Woche vergeht, in der ich nicht aufgefordert werde für diese oder jene Hilfsaktion zu werben. Weil ich ja Reichweite und damit eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft habe. Ich werde ermahnt und belehrt, dass ich dieses und jenes nicht schreiben darf, weil ich ja eine Verantwortunggegenüber meiner Leserschaft habe. Auch soll ich keine Werbung machen, weil ich damit meine Kinder oder mich verkaufe, grundsätzlich unglaubwürdig wäre und mich an meiner Leserschaft bereichern würde! Dabei sind meine Werbe- und Kooperationspartner immer viel offenen und weniger fremdbestimmend, als die ganzen kritischen Leser und Kommentatoren. Denkt mal drüber nach!
Ich antworte nicht schnell genug auf E-Mails oder Kommentare, verschenke nicht all meine erstellten Grafiken und Vorlagen (selbst wenn diese einer Lizenz unterliegen und ich diese gar nicht weitergeben darf) und denke ja sowieso gar nicht an meine armen Kinder, die irgendwann mit dem von mir Geschriebenen leben müssen. Und – UM GOTTES WILLEN – die GANZEN Fotos!!!
Im Internet muss ich alles sein, was Ihr wollt. Aber bitte keine Privatperson, keine Mutter und schon gar nicht verbittert und wütend.
Ganz ehrlich? Ich bin gerade sehr wütend und sehr verbittert. Mein Stück Internet. Fremdbestimmt. Seit Jahren immer mehr. Schleichend.
Facebook minimiert seit Wochen immer mehr meine Reichweite und drängt immer penetranter darauf, dass ich doch bitte meine Beiträge bewerben soll. Tue ich das nicht, sind in der kommenden Woche wieder 25 Leute weg, ganz ohne dass ich einen neuen Beitrag veröffentlich hätte. Logisch. Immerhin sitzt die Leserschaft mit dem Mausfinger vorm Rechner und denkt sich: „Schon wieder eine Woche ohne Beitrag? Die entfolge ich sofort!“ Machen wir schließlich alle so.
2017 habe ich jeden Tag einen Text geschrieben. Das war ganz viel Tagebuchbloggerei, weil – seien wir ehrlich – auch ich erlebe nicht jeden Tag Weltbewegendes. Das hat Spaß gemacht. Das war wieder so ein bisschen wie damals©. Aber auch in unserem Alltag sind viele Wiederholungen enthalten. Mag sein, dass manche Menschen das trotzdem gerne lesen, mich persönlich hat es aber ab und an schon beim Schreiben gelangweilt.
Hinzu kommt, dass ich mich immer öfter bei dem Gedanken ertappte, dass ich dieses und jenes verbloggen MUSS. Weil ich das schon immer so getan habe. Zum Beispiel den 9. Geburtstag des großen Kindes. Ich habe einen Themengeburtstag vorbereitet, 3 Tage lang durchgebacken, ein Geburtstagsshirt kreiert, Blumen und Ballons besorgt und den Geburtstagstisch gedeckt. Wie jedes Jahr. Dann habe ich einen wundervollen Nachmittag mit meiner Familie verbracht, Fotos und Videos gemacht, gelacht, geschimpft, gegessen und mich anschließend aufs Sofa gesetzt und mit dem Mann den Abend verbracht. Da war kurz dieses Du könntest jetzt bloggen Gefühl. Ganz kurz. Doch dann schob sich mein infantiles Gemüt hervor, reckte den Mittelfinger gen Internet und rülpste in meinem Kopf ein melodisches Ich teil das nicht!
Ich habe einen Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr den Funken Motivation habe, irgendwem da draußen gefallen zu wollen oder gerecht werden zu müssen.
Ende letzten Jahres hatte meine Schwester einen sehr schweren Unfall. Er hat mein ganzes Denken und Fühlen verändert. Mein Sicherheitsnetz war von jetzt auf gleich löchrig. Ich war hilflos, machtlos. Die Säule meiner Kindheit, der Fels in meiner Brandung, mein doppelter Boden … so zerbrechlich, so hilflos, so aus dem Alltag gerissen. Es war das beschissenste und gleichzeitig familiärste Silvester meines Lebens. Ich konnte nicht mehr auf dem Sofa sitzen ohne Schuldgefühle, weil sie es in dieser Zeit nicht konnte. Ich konnte nicht darüber schreiben. Aus vielerlei Gründen. Manchmal hätte ich es gerne getan, aber ließ es sein, um sie vor unerwünschten Kontaktaufnahmen zu schützen. Und eben diese Zeit hat auch meine Einstellung zu diesem – meinem – Stück Internet verändert.
Den 9. Geburtstag des großen Kindes haben wir alle gemeinsam gefeiert. Tante Mimi mittendrin, ein bisschen so, als wäre das alles nie geschehen. Ich bin so unsagbar dankbar für diese zweite Chance. Und auch für verschobene Prioritäten, für die kleinen Dinge im Alltag, für das sich streiten und wieder vertragen können mit und zwischen den Kindern. Für die Menschen in meinem Leben. Für meine Familie, meine beste Freundin, neue Freunde und emotionalen Abstand zu Menschen, die ich mal als Freunde wähnte.
Wer weiß schon, wie lange wir hier und jetzt sind? Will ich mir diese Zeit von anderen bestimmen lassen? Will ich mich von Fremden gängeln, belehren und bewerten lassen?
Ich bin keine Kunstfigur. Ich war auch nie eine. Und diese Entwicklung des Internetz, der Menschen und ihrer Kommunikationsformen darin, das ist irgendwie nicht mehr meins.
Ich habe damals den Schritt aus der Muttiblogblase forciert, indem ich mich von einem etablierten Namen und der dazugehörigen Domain getrennt habe. Damals wurden mir auch Leserverlust und Reichweiteneinbußen prophezeit. Trat beides nicht ein. Ganz im Gegenteil! Ich habe den Schritt nie bereut. Die Muttiblogblase ist für mich eine der künstlichsten Blognischen, die sich selber von innen heraus aufbläst. So ein bisschen wie die Tardis.
Nein, ich werde dieses Blog weder löschen noch schließen. Auch an diesem Punkt bin ich schon gewesen und weiß bereits, dass auch das keine Lösung ist. Ich bin wie ich bin. Ich schreibe halt gerne. Auch öffentlich.
Darum werde ich vorübergehend bzw. zeitweise die Kommentarfunktion deaktivieren. Wem es wichtig ist etwas zu sagen, der kann das dann auf Facebook, Twitter oder Instagram machen. Oder per E-Mail. Eine Garantie, dass ich das dann auch lese, gebe ich nicht.
Den Jungs werde ich in Zukunft hier öfter mal eine Plattform für ihr eigenes Zeug geben. Insbesondere der Große hat da Bock drauf und er kann dann auch selber entscheiden, was und in welchem Rahmen er hier schreiben möchte.
Vielleicht schreibe ich nächste Woche auch schon wieder Alltagsberichte. Manchmal ist so ein Auskotztext ja auch irgendwie reinigend. Habe ich jedenfalls auch schon erlebt.
An diesem Punkt gebe ich einfach überhaupt keinen Ausblick darauf, was die Zukunft für dieses Blog bringt. Weil ich es selber noch nicht weiß. Einzig, dass es nicht so bleiben kann wie es aktuell läuft, steht für mich fest.