Kein Glück, aber Erfolg!

Heute, ne? Heute habe ich das große Kind pünktlichst um 6:30 Uhr geweckt, um mich beim Verlassen des Zimmers wieder daran zu erinnern, dass es heute ja erst zur 2. Stunde Schule hat.

Ich also so: „Äh, vergiss einfach, dass ich hier war. Schlaf weiter!“ Und das Kind so – hellwach: „Oaar, Mama!“

Sonst wird der niemals nicht sofort so wach. Sonst muss ich da fünf Mal rein stiefeln und den Hampelmann machen, bis er sich überhaupt mal bewegt. Tja, nun, sorry for that.

***

Nachdem das Kind dann zur 2. Stunde Richtung Schule entschwunden war, stiefelte ich zur 3. Stunde ebenfalls in die Schule, um beim Fahrradtraining seiner Parallelklasse zu unterstützen.

Unkte ich im Vorfeld noch, dass pünktlich mit meinem Verlassen des Hauses sicher Starkregen einsetzen würde, verzogen sich jedoch tatsächlich völlig überraschend die dicken Regenwolken und es kam sogar die Sonne durch. So viel Glück bin ich ja gar nicht mehr gewohnt. Was’n los, Murphy?

Das Training endete nach der 4. Stunde und so konnte ich direkt mit dem großen Kind gemeinsam wieder nach Hause gehen. Der lief mir schon vom Schulhof aus entgegen und rief völlig euphorisch: „Max hat ne EINS geschrieben! In Mathe!!!“

Ich stutze kurz und bleibe stehen. Als er mich etwas atmenlos erreicht frage ich nochmal nach, was er gesagt hat. „Max hat in seiner Mathearbeit eine Eins geschrieben und sogar mehr Punkte, als man bekommen konnte!“ Ich bin etwas misstrauisch, weil: mehr Punkte als man bekommen konnte? Der Mittlere? Kann der zaubern?

Das liest sich jetzt vielleicht ein bisschen gemein, aber ich hab hier ja schon mal von der Unsicherheit und der Prüfungsangst des Sandwichskindes erzählt. Ich bin schon sehr stolz auf ihn, wenn er eine komplette Arbeit bearbeitet hat. Es waren bisher immer mindestens Flüchtigkeitsfehler enthalten, weil er z.B. die Aufgabenstellung nicht richtig gelesen hat. Zudem war ein Bestandteil der Arbeit Sachaufgaben und – nun ja – die zählen jetzt nicht zu seinen Lieblingsaufgaben. Und dann soll er plötzlich mehr als die maximale Punktzahl erreicht haben? Da darf man schon mal misstrauisch sein, ob das große Kind da nicht irgendwas falsch verstanden hat.

Der versichert mir aber erneut, dass es so ist und er die Arbeit selber gesehen hat. Also freuen wir uns beide auf dem Heimweg wie ein Schnitzel. Nicht weil die Note so super ist, sondern weil wir beide genau wissen, was das mit dem Mittelkind macht. Es wäre einfach der totale Boost für sein Selbstbewusstsein.

Die nächste große Herausforderung hieß für mich also: die Unwissende geben. Immerhin soll auch der Mittlere die Chance haben, mir als Erster von seiner super Arbeit zu erzählen. Was ich eine Stunde später auch echt gut hin bekomme. Also das ahnungslos mimen.

Doch das Kind erzählt mir gar nicht sofort von seine Arbeit. Es muss erstmal aufs Klo, sich ausziehen, von dem und dem Freund erzählen, mich daran erinnern, dass er noch die Regeln für den Schwimmunterricht aufschreiben muss und erklären, dass er Hunger hat.

Ich kaue derweil Nägel und frage mich erneut, ob der Große da nicht irgendwas missverstanden hat.

Und dann sitzen wir am Tisch, vor uns unsere Teller und das Kind legt mir ganz beiläufig und wortlos das Arbeitsheft auf den Schoss. Ich gucke überrascht und er sagt total regungslos: „Meine Mathearbeit.“

Ich blättere also die Seiten durch, gucke was er so gerechnet hat und schaue ihn dann bei der letzten Seite nur stumm an. Da kann er sich das Grinsen auch nicht mehr verkneifen, fällt mir um den Hals und flüstert: „Endlich hab ich auch mal Glück.“

„Nein, Schatz. Da hattest du kein Glück. Da hattest du Erfolg! Glück brauchen die, die nicht geübt haben und das hast du gemacht. Ich habe dir doch vorher schon gesagt, dass du das kannst. Du musst nur an dich selber glauben. Das hast du ganz großartig gemacht.“

Ein bisschen piekst es mich, dass er wirklich glaubt, er habe nur Glück gehabt. Ich möchte so gerne, dass er an sich selber glaubt und weiß, was er kann. Aber das bekommen wir auch noch hin.

Zum Nachtisch bekomme ich dann noch seine Deutscharbeit vorgelegt, bei der er ein Märchen erfinden und anhand von bestimmten Kriterien einen Aufsatz schreiben musste. Ich bin ganz verliebt in seinen Text und seine wunderbaren Formulierungen, für die er eine sehr verdiente Zwei bekommen hat.

Ich glaube, heute war ein richtig guter Tag für meinen kleinen Selbstzweifler. Man konnte regelrecht spüren, wie er innerlich feierte, auch wenn er nach Außen den Unbeteiligten gab. Überheblichkeit ist wahrlich keine Eigenschaft dieses Kindes. Dann doch eher pures Understatement.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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10 Gedanken zu „Kein Glück, aber Erfolg!

  1. Juchuuuuu – ach nee, wat schön!
    Und mir gefällt, dass du dem Kind ganz deutlich klar gemacht hast, dass es nicht einfach nur „Glück“ war. <3

  2. … schnief… und wieder so schön geschrieben.
    Kenne leider auch solche ewigen Zweifler – habe eine Zweiflerin hier. Ist für mich als eigentlich ziemlich optimistischen Menschen manchmal sehr schwer, da immer den richtigen Ton zu finden und „Aufbauarbeit“ zu leisten und zu unterstützen.
    Aber hoffentlich geht es bei Deinem Mittleren „aufwärts“. Drück ich ganz fest die Daumen.
    LG, Mary

  3. Montag, 10 nach 8. Mein Freund kommt ins Schlafzimmer und fragt, was mit mir sei. Ich knurre: „Rosenmontag is!“.

    Weil er selbst arbeiten musste, hatte er vergessen, dass ich, was das betrifft, den besseren Arbeitgeber habe.

    Und Gruß an Max: Mit Glück bekommt man keine 1 in Mathe, dafür muss man was können. Daumen hoch für ihn!

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