Nicht nur Gänseblümchen pflücken …

Vor wenigen Tagen endete die Grundschulzeit für das große Kind.

Wenn man das Kind fragt, dann hatte er eine wunderschöne Grundschulzeit, an die er sich gerne zurück erinnert und die er jetzt schon schmerzlich vermisst.

Doch waren diese 4 Jahre nicht nur einfach und problemlos. Das Kind passte von Anfang an nicht so richtig in die ihm zugeordnete Altersgruppe, suchte stets den Kontakt zu Älteren und/oder Erwachsenen. Er mochte seine Klasse und seine Lehrer, erwähnte aber regelmäßig, dass er sich nicht dazugehörig fühle. Anders, irgendwie. So, als ständen alle in einem Kreis und er steht als einziger außerhalb. Dabei fand er nach anfänglichen Schwierigkeiten gute und enge Freunde, war integriert und ich würde sagen, auch allgemein beliebt. Und trotzdem fragte er immer wieder: „Wieso bin ich anders, als die anderen?“

Sein Verhalten war in der Schule ein gänzlich anderes, als zu Hause. Zum Glück redet dieses Kind offen und viel mit mir, erklärte mir seine Gefühle, seine Wahrnehmung, seine Ängste. Ich hatte Verständnis für seine Situation und zeitgleich verstand ich auch die Probleme, die seine Lehrkräfte mit ihm hatten. So viele Gespräche, so viele Überlegungen, so viele durchwachte Nächte auf der Suche nach Lösungen.

Wenn man mich fragen würde, so würde ich sagen, dass Kind hatte eine schöne Grundschulzeit, aber die viele Hürden und Steine, die er überwinden musste, die hat das starre und überholte Schulsystem ihm in den Weg gelegt.

Ein Kind das keine Gruppenarbeit mag, schnell überreizt, sozio-emotional überdurchschnittlich entwickelt und zudem kognitiv schnell gelangweilt ist, das wird über kurz oder lang ein Ventil für seine Unangepasstheit finden (müssen), um in unserer Gesellschaft nicht ständig anzuecken. Aber auf dem Weg dahin braucht es vor allem Verständnis und Unterstützung. Dann kann, soll und wird es sich auch in seinem Klassenverband zuhause fühlen.

Dieses letzte Schuljahr hat das Kind mit seiner gesamten Grundschulzeit versöhnt. Seine neue Klassenlehrerin fand ihre ganz eigenen Wege, dem Kind Grenzen und Regeln aufzuzeigen. Leise und ohne öffentliches zu Schau stellen. Er bekam ein Knobelheft, wenn er mit seinen Aufgaben fertig war. Wenn ihn ständige Wiederholungen langweilten und sein Arbeitstempo immer langsamer wurde, durfte er die Aufgaben auch mal einfach weglegen und sich anderem zuwenden. Er bekam zusätzliche kleine Ruhepausen, die von seinen Klassenkameraden unbemerkt blieben. Und so entspannte er sich von Woche zu Woche mehr, ging wieder gerne in die Schule und genoss Ausflüge und die Klassenfahrt in vollen Zügen.

Auch wenn die ersten drei Jahre seiner Schulzeit für den großen Sohn nicht immer nur Gänseblümchen pflücken und Regenbögen malen war, so erinnert er sich zum Schluss doch daran, ernst genommen und verstanden worden zu sein. Vielleicht hat der anfänglich holprige Weg ihn auch zum Teil zu dem selbstbewussten und hilfsbereiten 10-Jährigen werden lassen, der er jetzt ist.

Ganz sicher aber haben ihn Wertschätzung und Verständnis geprägt und ihm gezeigt, dass er so wie er ist, völlig richtig ist. Und dafür bin ich unendlich dankbar.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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6 Gedanken zu „Nicht nur Gänseblümchen pflücken …

  1. Oh wie wunderbar. Solche Lehrer sind wirklich Gold wert. Es freut mich, dass er mit einem positiven Gefühl aus der Grundschule und in die weiterführende Schule gehen kann.

    Unser Sohn hatte eine furchtbare Grundschulzeit und hat erst jetzt in der 6. Klasse endlich ein Zugehörigkeitsgefühl, das zu einem überwiegenden Teil den wirklich großartigen Lehrern an dieser Schule zu verdanken ist.

    Wie dem auch sei, ich wünsche euch allen wunderbare Ferien und dem Großen einen leichten Start in eine schöne Zeit an der nächsten Schule.

  2. Tolles Lehrpersonal zu haben ist so selten, die auf die Kids eingehen. Hier war das bis jetzt einmal der Fall, alle andere wollen nur ihr Programm durchziehen und wenn Kind nicht mitmacht, weils nicht kann, wird gemeckert. Dann ist ein Problemfall, aber mal aufs Kind eingehen, Fehlanzeige. ?

    Habt tolle Sommerferien.

  3. Es ist wirklich schön, dass es solche Lehrer gibt. Nur leider viel zu wenige. Auch ich wünsche dem grossen Sohn und natürlich der ganzen Familie schöne Ferien und danach einen guten Start in der neuen Schule. Übrigens, die blauen Haare sehen immer noch super aus .Liebe Grüsse

  4. Das erinnert mich an die Schulzeit meiner Tochter,heute ist sie 34 Jahre.
    Mit 30 Jahren bekam sie die Diagnose Asperger Syndrom. Kein Kinderarzt,keine Erzieherin,kein Lehrer und auch kein Psychiater kamen darauf. Ich erwähnte immer ihre Besonderheiten bei jedem Gespräch.
    Helfen oder auch nur richtig zuhören das tat keiner.

  5. Eure Lehrerin klingt toll, ich wünschte es gäbe mehr davon.
    Für mein Löwenherzchen , der im August mit der Schule anfängt, wünsche ich mir so sehr jemanden, der ihn zu nehmen weiß, ohne ihn in die „Schublade“ zu stecken.

  6. Ich wünsche jedem Kind eine solche Lehrerin/Lehrer. Meine Grundschullehrerin war furchtbar und unsere Tochter ist auch grad nicht glücklich mit ihrer. Ich wundere mich doch sehr, dass immer die vermeintlichen Defizite der Kinder im Fokus stehen – unsere Tochter redet viel und gern – und die meisten Lehrer es nicht schaffen, „negatives“ Verhalten in etwas positives umzuwandeln.

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