Stay at home-Tagebuch Tag 23

Ich würde ja gerne irgendwann mal behaupten: langsam bekommen wir Routine, aber in Wahrheit fühlt sich jeder Tag wie ein Samstag an. Also kein richtiger Wochentag, aber so richtig Sonntag ist halt auch nicht.

Heute wurde ich vom Klingeln des Postboten geweckt, der ein Paket vom Mann brachte. Na ja, dann eben bei den Nachbarn abgab, weil so schnell bin ich dann auch nicht aus dem Tiefschlaf an der Tür. Die Uhr brülle 10:30 Uhr. Also definitiv mehr Sonntag, als Dienstag. Heute ist doch Dienstag, oder?

Eine Stunde später saßen wir dann alle am Frühstückstisch. Es gab Brötchen und die allerletzte Tüte Frühstücks-Saft. Und da der leider allerorts (also auch online) ausverkauft ist, handeln wir den hier jetzt wie die letzte Rolle Klopapier: Jeder nur ein Blatt!!!

Die Stimmung war ausgelassen und wir konnten mit weit geöffneter Terrassentür frühstücken. Oh, ich freu mich so auf den Sommer. Im Sommer ist einfach alles besser. Außer es ist viel zu heiß und furztrocken. Oder es regnet. Oder Gewitter. Oder … okay, Frühling ist schon total in Ordnung.

Tatsächlich waren die Kinder heute von sich aus total Lernwillig und machten alle Drei ohne Murren oder mit der Wimper zu zucken Schulkram. Der Große lernt immer noch jeden Tag Vokabeln und schreibt alle Englisch und Latein-Vokabeln aus diesem Schuljahr nochmal ab. Auch um weiter an seiner Handschrift zu arbeiten. Und schaut mal, wie viel sich da in nur einer Woche schon getan hat:

Und das mit einem popligen Selbstlernheft für die 2. Klasse [Fügt hier bitte laut johlenden Applaus ein].

Selbst das Mittelkind, das ich jetzt wirklich über eine Woche mit Schulkram gänzlich in Ruhe gelassen habe, weil einfach gar nichts mehr ging, holte freiwillig sein Zeug raus und bearbeitete einige Seiten.

Lass ich jetzt mal so unkommentiert stehen. Wir wollen da ja nix kaputt machen, ne?

Wir packten das Paket vom Papa aus, das mit allerlei geilem Süßkram gefüllt war, von dem ich absolut gar nicht weiß, wann wir das alles essen sollen. m&m’s mit Ernusbutter und flüssigem Karamellkern (mein Favorit!), Brezel-Bits mit Cheddar Füllung (OMG!), Cookies und eine Palette Dr. Pepper (die ich leider mit dem großen Sohn teilen muss).

Da war es auch wenig verwunderlich, dass der Mittlere irgendwann verkündete: „Also, auf Kochen hab ich heut ja gar keinen Bock!“ Als wenn der kochen würde. Ahahaha.

Also aßen wir Brote und der Mittlere stach seine Paket-Beute – ein großes Glas JIF Erdnussbutter – an. Ihr kennt das, wenn man das erste Mal mi dem Messer in ein jungfräuliches Glas Erdnussbutter oder Nutella geht. Hach, das war toll!

Bei Erdnussbutter kennt das mittlere Kind nix. Da teilt er nicht und da kennt er auch keine Gnade. Dass er das Glas nicht nachts mit ins Bett nimmt ist da auch schon alles.

Heute habe ich mich ganz besonders gefreut, dass der Mittlere gerne mit aufs Feld gehen wollte und noch mehr habe ich mich dann gefreut, dass die anderen Beiden heute so gar keine Lust hatten. Exklusivzeit mit dem Mittelkind ist nämlich selten. Er ist gerne der, der sich aus Dingen raus zieht, wenn es zu trubelig wird und so bleibt er dann oft alleine zurück. Heute dann also nur wir beide. Yay!

Weil er aber ein kleines bisschen lauffaul ist, durfte ich mir den Scooter vom großen Bruder leihen und so ging es dann eben mit den Rollern aufs Feld. Kleine Wettrennen und dann wieder gemütlich nebeneinander her rollen inklusive.

Wir unterhielten uns über alle möglichen Sachen. Schule kam auch dabei vor. Sorge vor dem Wechsel auf die Weiterführende, den er ohne seine Freunde meistern muss, weil sie alle auf eine andere Schule gehen werden. Aber auch Freude und Neugier auf das, was da Neues auf ihn zukommt. Auf den Schulzoo und neue Fächer wie Physik und Biologie. Naturwissenschaften haben ihn schon immer begeistert, gleich nach Musik und Kunst.

Dann erzählt er mir von diesem kribbeligen Gefühl, das man im Bauch hat, wenn man etwas Neues zum allerersten Mal macht. Unser Umzug in unser Haus oder die erste Fahrt in den Urlaub, die er bewusst wahrgenommen hat. Und so ein Gefühl hat er jetzt auch, wenn er an die neue Schule denkt.

Er erzählt mir, was ihn an seinen Geschwistern nervt und kann die Eigenschaften, die bei ihm Wut oder Trauer auslösen ganz genau benennen. Ich fühle alles was er sagt und bin erstaunt, wie gut er sich selber und das Verhalten der Menschen um sich herum doch tatsächlich reflektiert.

Er möchte unbedingt mal nach Paris und den Eiffelturm bei Nacht sehen. Dass man den zwar fotografieren, die Fotos aber nicht ins Internet laden darf, konnte er mir auch direkt dazu erklären. Und das stimmt sogar. Auch möchte er unbedingt einmal fliegen. Irgendwohin. Und ich sage ihm, dass wir das diesen Sommer tatsächlich einmal vor hatten und es jetzt auf Grund der aktuellen Situation leider nicht gehen wird. „Nicht schlimm, Mama. Dann sparen wir einfach weiter und haben dann vielleicht noch ein bisschen mehr Geld für den Urlaub.“ So pragmatisch. Ich lieb den.

Auf dem Rückweg, wir rollen gerade einen kleinen Hügel herunter, höre ich plötzlich einen Mann brüllen, sehe dann einen lila Ärmel neben mir und -rumps – prallt etwas gegen mich, schreit und fliegt ins Feld. Ein kleines Mädchen, vielleicht 6, hat die Kontrolle über ihr Rad verloren und ist gestürzt. Ich schaue direkt, ob alles okay ist, beruhige sie bis der Vater da ist und stelle sie wieder auf die Beine. Alles halb so wild. Der Schreck war nur groß.

Eine Stunde später sind wir wieder zuhause, echt kaputt und sehr durstig. Wir machen noch ein After-Feld-Foto und der Mittlere besorgt uns dann erstmal eisgekühlte Getränke aus dem Keller.

Quelle: coronazaehler.de, 07.04.2020

Die Runde heute, die hat auf so vielen Ebenen so gut getan. Der Mittlere ist ein super Gesprächspartner, so lustig und dann und wann wirklich tiefgründig. Wir hatten so viel Spaß miteinander und ich glaube, das hat uns beiden heute richtig gut getan.

Der Tag war somit ein wirklich guter. Jetzt nasche ich hier noch die letzten Brezel-Bits mit Cheddar-Füllung weg, schaue ungeklickt und freu mich, dass auch morgen wieder ein Wochentags-Sonntag ist.

Aber was natürlich nicht fehlen darf ist das tägliche Zauber-Video unseres Schulleiters. Ich hoffe, dass er noch viele Ideen und vor allem ausreichend Motivation hat, um noch ein bisschen durchzuziehen. Aber ich befürchte, so langsam werden die täglichen Videos ein Ende finden.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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18 Gedanken zu „Stay at home-Tagebuch Tag 23

  1. Guten Abend
    Welches der vielen möglichen selbstlernhefte für verbundene Handschrift ist es? Mein lokaler Buchhändler hat das so einiges in petto u ich kann mich nicht entscheiden.
    Vielen lieben dank

  2. Peanut butter m&ms… [Hier bitte sabbernden Homer Simpson einfügen.] Habe die Dinge damals in LA kennen und lieben gelernt. Wenn der Mann die Möglichkeit hat, kann er euch vielleicht noch Reese’s Pieces schicken – bzw hoffentlich mitbringen. Die sind ähnlich gut. (Und ich bin jetzt ein kleines bisschen neidisch.)

  3. Vorsicht bei den Lateinvokabeln; da sind noch ein paar Fehlerchen dabei, nicht dass die falsch mitgelernt werden
    (Ist das übrigens Cursus?)

  4. Man kommt ja auf ganz neue Ideen in so einer Zeit. Eventuell hätte ich auch gerne einen Roller. Meinen letzten hatte ich in etwa Anfang der 1970er. Aber mir scheint gerade, das ist eine sehr wendige Art der Fortbewegung und in der Stadt ohne ÖPNV (also jetzt) wäre das eine gute Alternative zum Rad. Ich glaube, ich leih mir mal einen von den Nachbarskindern – und probiere den erst mal im Dunkeln aus.

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