Alltags-Tagebuch 08-06-2020

Ein neuer Montag, ein neuer Schultag für das große Kind. Und da wir ihm in er aktuellen Zeit den Schulbus gerne ersparen möchten, hat der sich Mann frei genommen und fährt den Sohn um 7:15 Uhr nach Bonn.

Klar, hätte er jetzt wieder jeden Tag Schule wäre das nicht drin. Der Mann braucht das Auto um zur Arbeit zu fahren. Aber da es für den Großen im Moment nur die Montage sind – und davon ja auch nur noch 2 – tun wir ihm diesen Gefallen.

Wie schon vor zwei Wochen klagt er auch heute morgen wieder über Bauchschmerzen. Wir reden ein bisschen und es stellt sich heraus, dass es nicht grundsätzlich Angst vor der Schule bzw. dem Ungewissen ist, sondern vielmehr davon alleine da raus zu müssen. In Pandemie-Zeiten.

Sind wir ehrlich. Die letzten Wochen haben eine Menge mit unseren Kindern gemacht. Wochenlang haben wir ihnen erklärt, dass sie ihre Freunde nicht sehen und nicht in die Schule gehen dürfen. Dass wir Abstand halten und in der Öffentlichkeit Maske tragen müssen. Und dann sollen sie unbekümmert in die Schule gehen, ihre Freunde treffen, ihnen aber nicht zu nah kommen. Sie kriegen das hin, aber der Einschnitt ihre ihre persönliche Bewegungsfreiheit, den spüren auch oder gerade die Kinder.

Die beiden Geschwister wecke ich, kurz nachdem der Große aus dem Haus ist. Die müssen diese Woche nämlich auch noch raus und in die Schule. Da kann man ja heute schon mal mit dem Aufsteh-Training anfangen.

Beim Mittleren kein großes Problem. Der ist momentan ohnehin tiefenentspannt, gutlauning und hilfsbereit as hell. Bisschen ungewöhnlich für einen Ende-Viertklässler, aber wir wollen das mal nicht weiter hinterfragen.

Die Gräte hingegen. Alter Falter. Die hat bereits seit ein paar Tage eine Laune, wie ich sie bei den Jungs bisher noch nie erlebt habe. Alles ist scheiße. Also nicht blöd oder doof. Nein, so richtig scheiße. Es ist völlig egal was oder wie ich etwas tue, es ist falsch. Grundsätzlich. Und da sprechen wir vom Level eines 2-jährigen Kindes, das heult, weil der Teller die falsche Farbe oder der Toast falsch durchgeschnitten ist. Ihr wisst Bescheid.

Ich versuche also beim Frühstück ein bisschen für gute Laune zu sorgen.

Long story short: der Mittlere freut sich einen Ast, lacht und macht Quatsch mit seinem Brötchen. Die Gräte guckt abgrundtief verachtend (Mittelfingerblick) und sagt dann: „Das esse ich nicht!“ Hat sie auch durchgezogen.

Nun gut, wir veratmen das einfach. Wofür hab ich sonst den Geburtsvorbereitungskurs vor 12 Jahren besucht? Muss sich ja gelohnt haben.

Nach dem Essen föhne ich mir schnell die Haare und freue mich, dass ich endlich auch am Hinterkopf ordentliche Wellen habe. Da ich inzwischen aber da ganze Curly Girl Ding auf meinen echten Alltag angepasst habe und entsprechend nicht mehr täglich 90 Minuten mit meinen Haaren zubringen kann, nehme ich deutlich weniger Stylingprodukte, was zwar weniger Welle, dafür aber mehr Natürlichkeit mit sich bringt. Egal. Wenn ich will, hab ich Wellen. So.

Zurück am Esstisch kümmern wir uns heute statt um Schulaufgaben (die sind alle fertig) um die Abschiedsgeschenke für die Lehrerinnen der Kids. Der Mittlere ist so motiviert in dem was er da tun muss (kann ich ja jetzt und hier noch nicht verraten), dass ich wirklich beeindruckt bin. Überhaupt beeindruckt der mich in den letzten Tagen immer wieder sehr.

Zum Beispiel mit krassen Transferleistungen, die manch Erwachsener nicht hinbekommen würde. Immer häufiger sehr schnelle, sehr kluge Überlegungen und Argumente on point. Und ja, was strategisches Denken angeht steckt er seinen großen Bruder auch locker in die Tasche. Ich bin sehr gespannt wohin ihn das noch bringt und was er daraus machen wird.

Die Gräte will heute wissen, wie da mit dem Dividieren funktioniert, weil auf einem Arbeitsblatt der 9er Reihe eine Geteiltaufgabe stand. Also male ich ihr Männchen und Bonbons auf und sie verteilt Bonbons auf Männchen und stellt furztrocken fest: „Das ist ja das gleiche wie Mal-Rechenn. Nur anders rum.“ Außerdem hat der Große ihr letzte Woche alle Tricks zur 9er Reihe verraten, so dass sie die Aufgaben jetzt blitzschnell und ohne nachzurechnen lösen kann. Dass man sie trotzdem auswendig lernen und können muss will sie nicht hören. Von mir schon gar nicht. Tief atmen.

Nachdem der Mann und ich den Großen wieder von der Schule abgeholt haben fahren wir kurz bei Subway vorbei, um für jeden einen Sub zu holen.

Die Gräte wollte Pute, Käse, Salat und Saure Gurken. Nun stehe ich da und überlege welche Sauce sie wohl am ehesten isst. Oder ob wir sie lieber weglassen. Der Mann unkt, dass es ohnehin falsch ist, egal wie ich jetzt entscheide. Also alles auf eine Karte: Joghurt-Sauce.

Auch hier kürze ich ab: selbstredend war das falsch. Sie wollte erst gar keine und dann Babeque-Sauce. Der Sub war zu trocken und die Sauce viel zu viel (ja, das ist sowas wie ein Oxymoron). Aaaaatmen.

Um ihre Stimmung irgendwie ein bisschen aufzuhellen frage ich sie, ob wir irgendwas zusammen machen wollen. Malen oder Loom-Bänder basteln oder puzzeln oder sonst was. Sie stampft wütend die Treppe hoch und kommt mit den LOOM-Bändern wieder. Kurz darauf stapft sie wieder wütend die Treppe hoch. Vermutlich hab ich zu laut geatmet oder die falsche Farbe gewählt. Keine Ahnung. SIE SPRICHT JA NICHT MIT MIR! Sie guckt nur böse!

10 Minuten später kommt sie mit den Malbüchern wieder, die sie zum Geburtstag geschenkt bekommen hat. Wir setzten uns also wieder an den Tisch, sie sucht mir ein Bild aus und legt mir die Stifte hin. Ich fange an zu malen. Während ich so male werde ich unentwegt giftig von der Seite angestarrt. Ich frage also vorsichtig und ohne sie anzuschauen, ob alles okay sei. Schnauben. Okay, dann wohl nicht.

Die ganze Theatralik an der Sache ist, dass sie eben nicht redet. Mir ist schon klar, dass sie Aufmerksamkeit und Zugewandtheit möchte und braucht, aber diese ausschließliche Kommunikation über böse Blicke liegt mir einfach gar nicht. Gar gar gar nicht. Da kann ich nichts mit anfangen und vor allem auch nicht beschwichtigend oder deeskalativ drauf eingehen.

Und – ohne mich jetzt selber über den Klee loben zu wollen – mit mir kann man echt gut reden. Ich verstehe so ziemlich jede Sorge, jedes Problem und auch fast jeden Wunsch. Nicht alles kann oder will ich sofort erfüllen oder lösen, aber ich nehme meine Kinder und ihre Bedürfnisse durchweg sehr ernst. Nun ja, sie redet aber halt nicht mit mir. Zu Ende gemalt hab ich das Bild trotzdem noch.

Ach, hier, an der Stelle muss ich noch kurz erzählen, dass der Große den 3. Platz in einem Mathewettbewerb erreicht hat und einen Dingbums-Würfel als Preis bekommen hat. Schlangewürfel, sagt Google. Jedenfalls sitze ich – wenn die Gräte mich nicht gerade böse anstarrt, anpöbelt oder die Treppe hoch und runter stampft – mit dem Ding rum und versuche es zu lösen. Auch drei Stunden später habe ich es immer noch nicht geschafft. Aber ich geben nicht auf!

Nun sitze ich hier und schreibe den Tag auf. Derweil kam die Gräte gerade das dritte Mal runter und fragt mich, wie dieses oder jenes Lied heißt. Dann geht sie wieder hoch und fragt ihren Echo Dot nach dem Lied.

Vielleicht schaffen wir es ja heute tatsächlich noch miteinander zu reden. Wäre ganz gut, immerhin muss ich sie morgen früh um 7 Uhr aus dem Bett bekommen und dann noch einigermaßen gut gelaunt zur Schule schaffen. Drückt ruhig mal die Däumchen, dass wir Beide das gut hinbekommen, ja?

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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9 Gedanken zu „Alltags-Tagebuch 08-06-2020

  1. Ach Gott und ich hatte gehofft das Falsche Teller falsche Soße falsche Socke 2 Stunden Wutanfall Problem sei mit dreieinhalb für immer gegessen, Das soll nochmal kommen? Daumen sind gedrückt für einen harmonischen Morgen!

  2. Solch ein Würfel hat mir eine Autofahrt als Beschäftigung gedient. München /Davos. Erst auf der Rückfahrt faltete er sich plötzlich zusammen, als wäre es ganz einfach gewesen.
    Viel Erfolg

  3. Mir ging es als Mama ganz ähnlich wie Deinem Großen. Am ersten Schultag nach 10 Wochen zu Hause, hatte ich den ganzen Tag ein komisches Gefühl, meinen Fünftklässler ganz alleine direkt in die Gefahr da draußen zu schicken.

  4. Na dann, alles Gute für die künftige Kommunikation mit der Gräte. Ich fühle mit dir.
    Mit einem selektiv mutistischen Töchterlein ist „Sie spricht ja nicht mit mir“ (oder auch mit anderen) hier (gerade bei Problemen) ja leider der Normalzustand. Was nicht heißt, dass sie mir mit völlig belanglosen Sachen nicht auch stundenlang beide Ohren abquatschen kann. Selektiv eben. Tiiiieeef atmen ist dann wirklich das Einzige, was bleibt.

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