Heute Morgen ist mein Fön von mir gegangen. Er verabschiedete sich ohne Rauch, Qualm oder Gestank, dafür aber bevor ich diese schrecklichen Restlocken glatt fönen konnte. Ich bin in tiefer Trauer. Dementsprechend gebrochen begab ich mich auch auf den Weg zu Arbeit, wo ich beinahe über den Haufen gerannt wurde, als ich den Hauseingang unserer Agentur betrat. Eine Frau in meinem Alter, gestylt wie Marusha Mitte der 90er, grinste mich breit an. Mein ungeföntes Zurücklächeln war ein wenig unbeholfen, aber immerhin war es ein Lächeln.
Mit lauter Musik auf den Ohren wollte ich dann die Haustür hinter mir schließen, welche faule Handwerker gerne mal offen stehen lassen, um nicht permanent Klingen zu müssen. Ist ja auch ein guter Ansatz, allerdings haben wir so dauernd Hausierer vor der Tür stehen oder den Flur bis unter die Decke mit Werbebroschüren zugestapelt.
Jedenfalls sehe ich aus den Augenwinkeln, wie Marusha mir wild hinter her zappelt und ich ziehe daher einen meiner iPod-Knöpfe aus dem Ohr, um ihrem Begehren zu lauschen.
„Mann ey, meinste ich lass die Tür hier aus Langeweile auf, ey?“, sagt sie.
Sie kennen sicher diese großen Comic-Augen, bei denen man plötzlich um die Pupille einen weißen Kreis sieht, der darauf hindeutet, dass die Person ein wenig – nun ja – überfahren ist?
„Was???“
„Die Tür soll aufbleiben!“, sagt sie.
„Das kann man auch freundlicher sagen!“ Ich keife und wenn ich schreibe, dass ich keife, dann ist das auch so. Aber mein Tonfall kommt nicht mal annähernd an Marushas heran. Zicke, die.
„Verwöhnte Pänz, ey.“, sagt sie.
Ich wollte schon weiter eilen, mich in meine Agentur retten, mich in meinen Bürosessel fallen lassen und den Venti Caramel Latte in einem Zug hinunter stürzen … ich wollte, aber ich tat es nicht. Jetzt nicht mehr.
„Pänz? Vielleicht hab ich mich im Gegensatz zu Dir nur gut gehalten.“, ist mein Konter und ich finde, er ist gut. Marusha schnaubt verächtlich, stemmt die Hände in die Taille ihrer schwarz-pinken Totenköpfchen (weil ganz kleine und ganz viele) Jacke [so 80er!] und lacht spöttisch.
„Wat willst du denn? Du bist ja noch grün hinter den Ohren!“, sagt sie.
Eine Sekunde überlege ich, ob ich mich tatsächlich so grob verschätzt haben sollte, als ich zur Meinung gelangte, Marusha sei in meinem Alter. Also die Marusha mit der pink-schwarzen Totenköpfen Jacke jetzt.
Ich entgegne also ein passives „Wenn du meinst!“, bemühe mich aber, ausreichend Verachtung in meine Worte zu legen.
„Na, komm, wenn du schon anner 20 gekratzt hast, is das viel.“, sagt sie.
Ich lache … laut, schallend und anhaltend. Ich gehe ohne ein weiteres Wort, aber mit einem sehr befreienden Lachen die Treppe hoch, schließe die Agenturtür auf, lass mich in meinen Sessel fallen und trinke meinen Venti Caramel Latte. Dann blogge ich das alles und beschließe, den heutigen Tag nur noch gut werden zu lassen. Zur Feier des Tages kaufe ich mir nachher einfach mal einen schönen neuen Fön.
Moral von der Geschichte: Techno macht unfreundlich und beeinträchtigt die Alters-Schätz-Fähigkeiten stark.
Huhu Pia. Lustige Geschichte. Aber unter firefox mac os tiger, ist dein komplettes Design, nicht zu gebrauchen. Ich schick dir gleich einen Screenshot.
Liebe grüße
Martin
ja, diese Musik scheint wirklich merkwürdige Auswirkungen zu haben. aber jedenfalls hat die gute Frau uns ne witzige Geschichte beschert.
Kann einer Dame schoeners passieren, als so viel jünger geschätzt zu werden? Oder ist das bei dir dasselbe wie bei mir? Ich hasse es, jünger geschätzt zu werden…
LG
Sascha
sehr schön, hab gut gelacht. mit augen auskratzen wär es noch besser gewesen!
Manchmal schreibt das Leben eben auch schöne Geschichten.
Also ich fnde Du bist noch nicht in dem Alter, in dem man sich darüber freuen muss, wenn man jünger geschätzt wird. Ich bin froh, wenn man mich so alt schätzt wie ich bin.
Ich stimme der Schottin zu. Allerdings ist es eine wahre Genugtuung, wenn dich jemand im gleichen Alter für deutlich jünger hält. Das war eigentlich auch nur ein Armutszeugnis für Marusha …
Und das Leben schreibt nicht manchmal die schönsten Geschichten … sondern immer.
nein. nicht *immer*. definitiv nicht.
Lassen Sie mich, werte Pia, auch im Namen des Pia-Fanclub, meine tiefe Anteilnahme über den tragischen Verlust ihres Föns ausdrücken.
Observer
Ich bedanke mich aufs Herzlichste für Ihre Anteilnahme.
mich würde interesserieren, was es nun mit dem „pänz“ auf sich hat? was hat sich der gemeine saarländer / berliner darunter vorzustellen? rheinländische herzlichkeit?
@Pia:
Du darfst in der Firma privat surfen bzw. sogar in deinem Blog schreiben? Hast du aber einen großzügigen Chef.
Pat: Eingentlich sollte hinter dem Wort eine Beschreibung liegen (mal drüber rutschen, mit der Maus).
Tobias: (http://www.daily-pia.de/?p=1490). Und ja, mein Chef vertraut mir, dass meine Arbeit vorgeht. Lieber mal fünf Minuten ins Blog gesteckt, als stundenlang surfen. Vertrauensbasis nennt man das :)
Und ich dachte ich hätte alle Podcasts von dir gehört. Sorry, hab ich wohl übersprungen bzw. übersehen (hab sie nämlich nicht nach einander sondern durcheinander gehört). Werds gleich nachholen.