Time to say Goodbye

Nun ist es soweit. Morgen steht mein letzter Tag in dieser Agentur an. Es ist ein komisches Gefühl, Lieblingskollegen O. gegenüber zu sitzen und zu wissen, dass er bald nicht mehr zu meinem täglichen Ausblick gehört. Rein rechnerisch habe ich ihn wohl öfters gesehen und mit ihm mehr Zeit verbracht, als mit meinem Mann. Wir lachen in den letzten Tagen viel, erinnern uns ab und zu an unsere Anfangszeit, reißen Witze über die Zukunft und die Vergangenheit.

Es ist ein sehr vertrautes Gefühl, morgens die Agenturtür aufzuschließen, die Tür des französischen Balkons in meinem Büro aufzureißen und den Rechner anzuschalten. Ebenso wie das mürrische „Morgen“ von Kollege O², der erst nach dem ersten Kaffee wach zu werden scheint. Überhaupt ist seine Laune meist gleich meiner Laune. Ich kenne keinen anderen Menschen, dessen Laune ich schneller annehme, als seine. Ebenso umgekehrt. Bin ich überschwänglich gut gelaunt, lässt sich Kollege O² umgehend davon anstecken.

Wir hatten wirklich eine unvergessliche Zeit. Wir haben uns gestritten, gelacht, angebrüllt, gefoppt. Ich kenne die Macken meiner Kollegen so gut, wie meine eigenen. Wir hatten zwei wirklich grandiose Tage auf der Games Convention 2006 und ich gebe zu, doch traurig darüber zu sein, dass ich an der GC 2007 wohl nicht teilnehmen werde. Jedenfalls nicht mit ihnen zusammen.

In den letzten Jahren sind viele Kollegen gegangen und auch neue gekommen. Während meiner Zeit hier gab es insgesamt fünf Auszubildende. Bis auf eine haben alle einen überdurchschnittlich guten Abschluss hingelegt. Pjöni steht somit ziemlich unter Druck.

Da war ein Kollege, der kündigte, um seinen Traum von einem Cafe in Berlin zu verwirklichen. Da war ein Kollege, der heute für den Herrn Lumma arbeitet. Da war ein Kollege und Chef, den man getrost als Choleriker bezeichnen konnte und über dessen Weggang ich nicht wirklich traurig war. Als Mensch fehlte er aber dann und wann schon.

Diese Agentur war manchmal wie ein Zirkus. Man glaubt kaum, was hier alles an einem normalen Tag vor sich gehen konnte. An anderen Tagen war es ruhiger, familiärer. Und eben Letzteres, diese familiäre Atmosphäre, wird mir so sehr fehlen. Die letzten zwei Jahre waren die Besten. Jeder hatte genau seinen Bereich, jeder wusste, was der andere tat, jeder konnte sich auf jeden verlassen.

Ich hatte tolle Kunden, interessante Kunden, lustige Kunden und Kunden, die einen Tick kompliziert waren. Aber es waren meine Kunden.

Doch werden die Aufgaben in einer Agentur, eines Marketingberaters, Projektmanagers und Kundenberaters, nicht wirklich vielfältiger. Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt. Ich arbeite seit fünf Jahren in ein und derselben Agentur für Kommunikation und digitale Medien (Pjöni sagt gern digitale Mädchen. Demzufolge ist er bald fertig ausgebildeter Mädchengestalter.) Ich bin jetzt an dem Punkt, an dem ich einen Tapetenwechsel möchte, an dem ich frischen Wind im Gesicht spüren und neue Gebiete durchschiffen will. Und so setze ich mich ab kommendem Monat auf die andere Seite des Schreibtisches, wie Lieblingskollege O. es nannte.

Ich werde vom Kundenberater zum Kunden. Marketing Manager. Mittelständisches Unternehmen mit Sitz in Köln. Klassische Werbung und Kommunikation, digitale Medien, PR. All das, was ich die letzten Jahre konzipiert, betreut und verkauft habe.

Ich freue mich sehr, auch weil der Schritt in ein neues Berufsumfeld natürlich ein Schritt nach vorne bzw. oben ist. Ein großer sogar.

Und doch hebe ich ein wenig wehmütig den Blick, gucke über mein aufgeklapptes Notebook hinweg zu Lieblingskollege O. und schmunzle, als ich ihn mit dem Telefonhörer am Ohr da sitzen sehe, die Füße auf dem Tisch. Ich weiß, dass sie mich auch vermissen werden. Und ich weiß, dass sie sich für mich freuen. Wahrscheinlich werde ich morgen heulen, wie ein Schlosshund.

Dieses Blog öffnete einen Monat, nachdem ich meinen Job hier antrat. Die Kategorie Agenturleben wird nun geschlossen … es ist Zeit für eine Neue.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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26 Gedanken zu „Time to say Goodbye

  1. hi pia,
    das leben eines bloggers in so ner agentur war doch bestimmt toll. da kamen doch bestimmt keine sprüche oder lästereien wie „die hat nichts zu tun die schreibt schon wieder in ihrem blog“ oder?

    lg

  2. Schön geschrieben Pia – Ich hab das nicht so rührseelig hinbekommen bei mir im Blog; aber es ging mir ähnlich…

    Diese Woche mal wieder reingeschaut an den „alten“ Arbeitsplatz: Gespenstisch leer bis auf eine Kollegin die noch ein paar Sonderfälle bearbeitet *schnief*

  3. Solche Sprüche gabs hier nie. Meine Arbeit musste ich so oder so erledigen, auch mal mit Überstunden. Wer dann ne halbe Stunde im Blog rum bummelt, muss halt auch ne halbe Stunde länger da bleiben. Oder die Mittagspause nutzen. War ja alles bekannt.

    Bankblogger: Besuchen werd ich die Jungs sicher mal.Muss mir ja meine Nachfolgerin angucken, wenn sie denn dann eine gefunden haben ;)

  4. Ich wünschte, ich würde auch so fühlen, wenn ich irgendwann mal das Unternehmen wechseln würde. Doch derzeit wäre ich nur froh, wenn es doch schon soweit wäre… Sehr schön geschrieben! Und alles Gute für die neuen Aufgaben – wir sind alle sehr gespannt, was Du da aufziehen wirst!

    LG
    Sascha

  5. da lag ich ja mit meiner Vermutung nicht so falsch.. :)
    Ich der ja selber im Marketing (als Produktmanager) arbeite weiss welche Aufgaben da auf Sie zu kommen.. ich wünsche ihnen dabei viel Erfolg und was viel wichtiger ist: Viel Spass!!

    ich habe zwar (bewusst) noch keine Arbeiten von ihnen gesehen aber wenn man hier sich so durchliest (was ich seit geraumer Zeit mache) Sieht man schnell das Frau Pia grossartiges Talent hat und vielseitig ist.. ich denke das Frau Pia ein verlust für ihre Agentur ist und ich hoffe der neue Arbeitgeber weiss Sie zu schätzen.. :)

    Wie auch immer: alles gute auf dem Weg nach oben…

    LG
    Martin

  6. Auch wenn ich noch nicht ganz verstanden habe, wie sich Deine neuen Aufgaben von den alten unterscheiden, wünsche ich viel Erfolg auf dem neuen Weg. Ich denke, Du hast es genau richtig gemacht. Alle fünf Jahre soll man seinen Arbeitgeber wechseln, habe ich mal im Manager Magazin (

  7. Liebe Pia
    damit wird nun auch eine immer wieder spannende Kategorie für die Leser gechlossen. Ein wenig schade ist es schon um die Geschichten rund um Pjöni und Co. ;)
    Aber eben nur für den Leser. Ich wünsche dir riesig viel Erfolg im neuen Job und das die Kollegen sich dort als solche Glücksgriffe erweisen , wie es auch in der Agentur der Fall zu sein schien.
    Ich warte dann mal so wie wahrscheinlich alle anderen gespannt darauf, in welch neuer Kategorie wir dann ab demnächst an Deinem Leben lesenderweise teilnehmen dürfen.
    Ich wünsche dir viel ERfolg und das Du dich schnell einlebst am neuen Arbeitsplatz!!!

  8. Sag bescheid, wenn du doch auf die GC2007 kommst. Diesmal werde ich nämlich dort arbeiten. ;)

    Für deinen neuen Job: Viel Spaß und natürlich Glück auf der „dunklen Seite der Macht“ (PR). *g*

  9. Einerseits hat man den Wechsel gewollt, aber andererseits … Aber nach fünf Jahren ist ein neuer Job schon angebracht, denn nachher heißt es sonst man wäre zu lange bei seinem Job geblieben und deswegen unflexibel.

    Dann mal ein gutes Händchen!

  10. Heh Pia.
    Kopf hoch, Brust raus, festen Schrittes vorangehend und einen klaren Blick nach vorn und immer … an das Gute im Menschen glauben.
    Drücke die Daumen und hoffe auf viele neuem Informationen (und auch interessante Bilder ?!)
    Gruss Norbert

  11. Ich hab auch, wie der Leichtmatrose Hannes nicht so ganz verstanden, was denn nun eigentlich deinen neuen Aufgaben sind…

    Aber ich wünsche dir ganz ganz viel Glück und Spaß für die zukunft!
    Das war übrigens mal wieder total rührend geschrieben.

    *heul*

  12. @Pia: Tja, das ist schon eine emotionale Achterbahnfahrt, wenn man den Job wechselt.

    Noch interessanter ist es übrigens, wenn man den Job gewechselt wird. Hoffentlich mußt Du das nicht erleben.

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