Der Glückskot

Die Psychologin, mit der ich mich einmal in Verlauf eines Einstellungstests unterhalten musste, sagte damals zu mir:
„Ich stell Ihnen nun eine Frage und Sie antworten bitte umgehend darauf“ – Ich nickte und zwirbelte weiter die Haarsträhne zwischen meinen Fingern.

„Wären Sie gerne noch mal ein Kind?“ Ich dachte nicht lange über die Frage nach und antwortete mit „Ja!“.
Frau Psychologin schaute mich mit großen grünen Augen an. Ich weiß noch so genau, dass sie grüne Augen hatten, weil sie so schlammig leuchteten. Ähnlich der Farbe die in Comics giftigen Atommüll besonders gefährlich aussehen lässt.
„Wie können Sie noch mal Kind sein wollen? Sie sind erfolgreich, gut aussehend, überdurchschnittlich intelligent … und ich erzähle Ihnen da ja jetzt nicht neues. Wieso also noch mal Kind sein wollen?“ Ihre Stimme hatte einen schockierten Tonfall, so als hätte ich Dinge gesagt wie „Ich hab mein Meerschweinchen totgetreten – mit Absicht!“
Ich verstand Ihre Frage nicht. War es denn nicht selbstverständlich gerne noch einmal Kind sein zu wollen? Immer beschützt, keine schwierigen Entscheidungen treffen müssen, Sicherheit, Geborgenheit, Essen, Schlafen, Anziehsachen, immer für die wichtigen Dinge im Leben gesorgt haben. Die Probleme die wir mit dem Alter und der erlangten Selbstständigkeit haben, spielten für mich als Kind keine Rolle – ich war glücklich und unbeschwert.
Ich schüttelte langsam den Kopf und zog die Stirn in Falten – mehr als ein zaghaftes „Nicht?“ und eine hochgezogene Augenbraue brachte ich nicht zu Stande.
Ihre Stimme überschlug sich. „Ja, wollen Sie wieder abhängig sein? Nichts alleine entscheiden dürfen? Bevormundet werden? … um 22 Uhr zu Hause sein müssen?“
Ich biss mir feste auf die Unterlippe um nicht Lachen zu müssen, leider versagte meine Beherrschung innerhalb der nächsten 5 Sekunden und ich grinste Sie an: „Vielleicht sollten Sie sich mal mit einem Kollegen unterhalten. Mir scheint Sie haben argen Kompensationbedarf Ihre Kindheit betreffend.“
Ich flog hochkantig aus Ihrem Büro und bekam ein unterentwickeltes „Über-Ich“ bescheinigt.

Ich musste die vergangenen Tage komischer Weise immer wieder an diese Psychologin und ihren entsetzten Blick denken, als ich Ihr ohne umschweife meine Meinung zu Ihrem Geschwafel mitteilte. Wenn ich ehrlich bin tat mir meine Äußerung im Nachhinein leid – die arme Frau hatte in ihrer Kindheit wahrscheinlich wirklich nicht viel zu Lachen.

Ich schwelge so gern in der Vergangenheit und meiner Kindheit. Das mag wohl daran liegen, dass ich meine Kindheit wahnsinnig großartig fand. Es gab nichts, was mich gestört hat – nichts, was ich bereut hätte oder vermisst.

Wenn ich mit den Händen in Hundescheiße wühlen wollte, dann habe ich das getan – und das auch noch mit Inbrunst. Das hat mich vielleicht nicht weiser, aber dafür glücklich gemacht!

… die Stelle habe ich übrigens bekommen.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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16 Gedanken zu „Der Glückskot

  1. @ Tee-Resa *haha* Dann hast Du Dich bestimmt gefreut, als Dr.Oetker den Maulwurfskuchen als Fertigpackung rausgebracht hat, der is nämlich wesentlich schmackhafter ;)
    Aber um mal die Liste fortzuführen: Bin tagelang in Kartons gesessen und hatte meine größte Freude daran.

  2. Fand meine Kindheit auch super…aber eigentlich bin ich ja immer noch Kind ;)
    Leider konnten/können das früher sowie heute manche Mitmenschen nicht verstehen…
    Könnte auch ein bisschen die Liste erweitern, aber das würde sicher den Rahmen sprengen… ;)

    @Pia: war das der Job vor deinem jetztigen Job?

  3. Psychologin beim Einstellungstest? Oje… Da hätt‘ ich sicher schlechte Karten gehabt. Beim mir kam bloß der vorzusprechende (nicht der vorsprechende) Mensch eine dreiviertel Stunde zu spät und empfing mich mit den Worten: Sorry, der Stau… Ich hab mir Ihr zeuch mal angeschaut und fand’s gut. Ausser dass ich die Hosen auf den Tod nicht ausstehen kann… :P

    Vor zwei Wochen hab ich mich dann erstmal auf die nächsten 3 Jahre verpflichtet…

  4. In Hundescheiße hab ich wohl nicht gewühlt, aber mit der eigenen gespielt – erste spontane, kreative Aktion am gesamten Körper.
    (Aus mit Eigen-Kot spielenden Kindern werden zumeist musisch-künstlerisch begabte Menschen.)

  5. Ich weiß, dass das garnicht hier reinpasst, aber hab gerade auf Bezug zur Schulfreundin die „Minus-Punkte“ und Daily Pia zum Ersten Mal gelesen und dabei hat mich VW Jetta stutzig gemacht.
    Evtl. sollte man das ein wenig eingrenzen.
    Unter http://www.vw.com/jetta/ kann man das neue Jetta Modell betrachten.
    In den Staaten und Canada fahren auch Jettas rum, die man mit dem Modell hier in Deutschland nicht direkt vergleichen kann obwohl sie den gleichen Namen tragen. Nur so zur Info- kann dann auch gelöscht werden.

  6. @Maetty: Ja, das war der Job vor dem jetzigen. Oder hast Du hier irgendwo einen Psychologen gesehen?

    @Ulf: Auch der neue Jetta ist häßlich. So!

  7. Mein Vater hat mir in seinem roten VW Jetta das Fahren beigebracht,
    meine Kindheit war super und der VW Jetta ist das tollste Auto der Welt!

    Psychologen beim Vorstellungsgespraech finde ich eine Unverschaemtheit, wollen die jemanden einstellen oder nur „nass machen“.

  8. Ulf: Weil in Deutschland kaum jemand den Jetta haben wollte, wurden die Nachfolgemodelle dort „Vento“ genannt und, weil den auch kaum jemand haben wollte, inzwischen „Bora“. In Amerika ist der Jetta besser angekommen, deshalb wurde die Marke beibehalten.

    (Und „Bora“ als Name wäre ja für englische Muttersprachler so blöd wie „Passat“ [«pas ça»]
    für französische.)

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