Brudas

Der Quietschbeu und das Löwenmäulchen sitzen beide auf dem Tripp Trapp des Quietschbeus. Der eine schreiend, der andere heulend.

„Mama, der soll runter gehen. Das ist mein Stuhl!“
„NAAAAAAAAAAIN!“
„Doch!!! MEIN Stuhl!“
„NAAAAAAAAAAAIN!“
„Geh wääääg!“

Nach 3 Minuten beschwichtigen und ermahnen, sie sollen sich nicht so anbrüllen, sondern miteinander reden, bekommt das Löwenmäulchen von mir die klare Ansage, sofort vom Stuhl des Bruders zu steigen. Immerhin hat er einen eigenen, der keinen Meter daneben steht. Doch der kleine Bruder denkt nicht dran, verschränkt die Arme vor der Brust, schiebt die Unterlippe beleidigt vor und kläfft: „NAIN!!“

Ich bitte den Miezmann das Löwenmäulchen vom Stuhl zu heben, da ich selber gerade stillend auf dem Sofa sitze und nicht einschreiten kann. Das Löwenmäulchen heult theatralisch auf, wirft sich anschließend auf den Fußboden und schreit wutentbrannt. Gut, mit Trotz und Bockigkeit muss man bei einem 2jährigen eben leben.

Doch da haben wir die Rechnung nicht mit dem 3jährigen Exemplar im Hause Miez gemacht.

„Nein Papa, lass den Bruda in Ruhe! Das ist mein Bruda! MEIN BRUDA, nicht Deina!“

Was übersetzt so viel heißt wie: Wenn den einer maßregelt oder drangsaliert, dann bin ich das höchst persönlich. Und wenn den irgendwer anders auch nur schief anguckt, dann schrei ich den in Grund und Boden.

***

Der Quitschbeu ist mal wieder besonders schwerhörig und kann sich trotz mehrfacher Ansage meinerseits, er solle bitte die Gardinen im Schlafzimmer nicht von der Wand reißen, nur weil er das Müllauto sehen möchte, nicht beherrschen wie ein Verrückter an eben diesen zu zerren. Zu guter Letzt schnappe ich ihn mir also und trage ihn aus dem Zimmer, wobei er wild mit Armen und Beinen rudert und vor sich hin schimpft, dass er doch die Müllabfuhr sehen wollte.

Ich stelle ihn im Flur wieder ab und sage ihm, wenn er jetzt auf mich hören würde, könne er gleich unten an der Haustür die Müllabfuhr angucken. Da das Wort gleich im Quietschbeu-Wortschatz aber scheinbar dieselbe Bedeutung hat wie niemals, bekommt er einen kleinen Nervenzusammenbruch, welcher binnen Sekunden den kleinen Bruder auf den Plan ruft, der sich auf mich stürzt, mein Bein umklammert und „NAAAAAIN, Main Buuda. Wääg, Mama!“ schreit, während er versucht mich aus dem Flur zu drängen.

***

Ich hole die Jungs vom Kindergarten ab und unterhalte mich mit einer anderen Mutter noch vor der Quietschbeu-Gruppe stehend, während eben dieser sich die Schuhe anzieht und mit einem Gruppfenfreund rumkaspert. Am anderen Ende des langen Flurs, da wo die Gruppe des Löwenmäulchens liegt, geht die Tür auf und die Gruppe des Löwenmäulchens erscheint gesammelt auf dem Flur, um nach draußen zu gehen. Als der Quietschbeu das Löwenmäulchen entdeckt bleibt er mitten im Flur breitbeinig stehen, hebt eine Hand zum Gruß und schreit:

„Hee, Bruda! Alles gut?“

Zu seinem Gruppenkumpel gewandt erklärt er.

„Das is‘ mein Bruda!“

(was jeder, wirklich ausnahmslos jeder im Kindergarten inzwischen ganz genau weiß!)

***

Abends, die Jungs liegen beide schon im Bett. Der Miezmann kniet vor dem Bett des Löwenmäulchens und redet noch mit ihm, während ich beim Quietschbeu auf dem Bett sitze und mit ihm bete.

„Du, Mama?“
„Ja, mein Herz?“
„Das Miezmeedchen ist meine Schwesta.“
„Ja.“
„ Und das Löwenmäulchen ist mein Bruda.“
„Ja.“
„Und mein Freund ist der auch!“

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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18 Gedanken zu „Brudas

  1. Ich habe meinen Bruder damals (und auch heute noch) heiss und innig geliebt – und trotzdem haben wir uns natürlich auch gezofft, angebrüllt und mit Sachen beworfen. Geschwister sind schon was tolles – auch wenn sie sich im Erwachsenenalter noch so super toll verstehen :)

  2. Das kenn ich noch von mir und meinem großen Bruder :) Da liefs auch nach dem Motto:
    Das ist meine Schwester und wenn einer die nervt oder der an den Haaren zieht, bin ich das und kein anderer!

  3. Ach Gott, wie niedlich, süß, herzzerreißend – einfach nur HACH ???

    Und: Ist ja schön wie sie zusammenhalten, auch wenn gegen die Eltern. Gnihihi. „Später“ könnte das durchaus nützlich sein.
    Wenn ich bedenke, wie sehr sich meine Brüder gehasst haben, das war wirklich unglaublich. Sie sind nur 1 Jahr und 4 Monate auseinander und waren irgendwann in der selben Klasse. Der Große musste bei Krankheit sogar die Hausaufgaben bei den Klassenkameraden erfragen, der Kleine hat ihm da ja absolut nicht geholfen. Auch Arbeitsblätter mitbringen, alles Fehlanzeige.
    Aber WEHE einer hatte Stunk in der Schule, dann standen sie zusammen da und es hieß „Wir zwei gegen die Anderen“ (und wenn das nicht klappt, holen wir die große Schwester *lach*) …

    Aber schön, dass es bei Ihren Jungs bereits jetzt so ist. Klar, Streitigkeiten gibt es, aber grundlegend scheinen sie sich heiß und innig zu lieben ???

  4. Die Quietschbeu-Geschichten sind übrigens der absolute Renner für meinen 6Jährigen Jungenmatz. Er kugelt sich schlicht vor Lachen und hat sogar Tränen deswegen in den Augen. Das Wort Quietschbeu erkennt er schon.

  5. Ist bei den zwei Jungs meiner Freundin ähnlich. Eben zoffen sie sich noch und hauen sich ihr Spielzeug um die Ohren, dass es klingelt – Minuten später fällt der Kleine vom Stuhl und der Große steht händeringend daneben, während die Mama den Kleinen umsorgt. Und natürlich halten sie nach außen zusammen wie Pech und Schwefel :)

  6. Kommt mir so bekannt vor, hi, hi!
    Wie gut, dass es solche Momente im Zusammenleben mit den lieben Kleinen gibt – die entschädigen für die anderen (siehe Szene 1…).

  7. Hach, Geschwisterbande! ? Das Lila-Launebärchen sagt auch ganz oft, dass ihre kleine Schwester ihre „allerbeste Freundin“ ist. Genauso oft heißt es aber auch: „Du bist nicht mehr meine Freundin! Ich lad Dich nicht zu meinem Geburtstag ein! Und Du darfst nicht auf mein Trampolin“, wenn das Schneeflöckchen nicht nach ihrer Pfeife tanzt – wobei, sie das Trampolin noch nicht einmal besitzt, sondern sich erst zum nächsten Geburtstag wünscht. ;-)
    Am allerbesten fand ich allerdings diesen Ausspruch unserer Großen: „Oh, ich lieb Dich, kleine Schwester! Ich würde so gerne mit Dir heiraten, aber man muss mit einem Mann heiraten. Papa! Ich möchte mit Dir heiraten!“

  8. Da sieht mans wieder: Was sich liebt das neckt sich!
    Ich kenne diese Situationen von der Taufpatin meiner Tochter: Der Größere ist beinahe 3 Jahre alt und der Kleinere Bruder nun 1 1/2Jahre.
    Das beinhaltet Terror pur aber auch zuckersüße Beschützermomente!
    Ich wünsche Dir weiterhin ganz viele starke Nerven für die anstrengenden Momente und ein gaaaanz gutes Gedächtnis für alll all all die schönen, süßen Augenblicke zwischen den Beiden :-D
    GLG

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