Ein Blick von außen

Vergangene Woche waren der Miezmann und ich das erste mal gemeinsam bei der Familienberatung. Grund dafür war die Hochsensibilität des Quietschbeus und der richtige Umgang damit im Familienrahmen. Zudem habe ich in den 6 Monaten, in denen der Miezmann in Afghanistan war, einen Großteil meiner Geduld und Ruhe wegkonditioniert. Soll heißen: in der stressigen Zeit wurde ich öfters lauter, als zuvor, was sich über die Monate immer mehr manifestierte. So kommt es inzwischen vor, dass ich viel zu schnell hochfahre, einfach weil ich das über eine  lange Zeit aus Hilflosigkeit und Überforderung heraus getan habe. Es ist so ein bisschen, wie ein antrainiertes Verhalten, das mir sehr missfällt. Da mir der Umstand bewusst ist, versuche ich mir das in entsprechenden Situationen in Erinnerung zu rufen, was aber nicht immer klappt. Ich hatte mir daher ein paar Tipps erhofft, wie ich aus dieser Spirale wieder raus komme. 

Letztendlich ist Familien- oder auch Erziehungsberatung  ja eher verpönt, weil es in den Köpfen der meisten bedeutet, dass man selber nicht in der Lage ist, seine Kinder zu erziehen. Auch haben viele Angst, die Beratungsstellen würden in das Familienleben eingreifen. Beides stimmt nicht. Es ist einfach ein zusätzlicher, objektiver Input von Außen. Die Familienberaterin, die wir aufgesucht haben, gehört zu einem medizinischen Verbund für Kinder- und Jugendmedizin. Der Quietschbeu hat dort bereits andere Tests absolviert und wir fühlen uns dort alle sehr gut aufgehoben. Der Große freut sich immer tierisch, wenn er dort wieder hin darf. Egal bei welchem Arzt, Therapeuten oder Berater man ist: die Zimmer sind voll mit Spielzeug und er kann sich dort 2 Stunden durch alles durchspielen, alles aus den Regalen nehmen, im Raum verteilen, kneten, malen, basteln. 

Wir sprachen also 2 Stunden mit der Beraterin über unsere Familie. Welche Rolle und Stellung welches unserer Kinder im Familienrahmen einnimmt, was ihre Bedürfnisse sind, was unsere Bedürfnisse sind, womit wir zufrieden sind und was wir lieber anders machen würden. Für den Miezmann und mich brachte das Gespräch schon mal die Bestätigung, dass wir uns in Sachen Erziehung sehr einig sind und uns prima ergänzen. Am stressigen Wochenende gestalten wir das Ganze ein wenig wie ein Staffellauf. Jeder kümmert sich mal um die Kinder, ist bei ihnen und hat auch mal seine Rückzugsmomente und Ruhe. 

Auch wurden wir zu den Stärken des jeweils anderen befragt. Für mich ist klar: der Miezmann ist deutlich geduldiger als ich und hat ein wahre Gabe im Erklären von Dingen, Sachverhalten und Wirkungen. Der Miezmann wiederum schätzt mein Einfühlungsvermögen und Organisationstalent.

Am Ende der 2 Stunden sollten wir je zwei positiven Eigenschaften der Kinder benennen. Beim Quietschbeu waren das seine Empathie und sein Ehrgeiz. Beim Löwenmaul seine Auffassungsgabe und Ausdauer. Beim Miezmeedchen ihre Herzlichkeit und ihr Humor. Ich fand es schön mit diesem positiven Blick auf unsere Kinder aus der Beratung heraus zu gehen. Es erinnert einen daran, dass auch die anstrengenden Eigenschaften der Kinder ihre positiven Seiten haben. 

Die Beraterin resümierte nach diesem ersten Gespräch, dass wir unsere Kinder und ihre Bedürfnisse wirklich gut kennen und als Eltern gut harmonieren würden. Erstaunt war sie darüber, dass ich mit 3 so kleinen Kindern arbeiten gehe. Sie hatte viel Verständnis für meine Situation und sprach mir Mut zu, dass ich meine alte Ruhe wiederfinden würde, wenn unsere Familiensituation sich erstmal wieder normalisiert hat.

Spannend fand ich auch, wie sie den Quietschbeu nach 2 Stunden wahrnahm: als ruhiger Kerl, der sich prima selber beschäftigen kann. Ich nahm das ganz anders war. Für mich war er laut und wild und ich konnte kaum geradeaus denken, da er ununterbrochen Redete oder Geräusche machte. Ich berichtete ja schon mal davon, dass ich nichts anderes mehr wahrnehmen kann, wenn der Quietschbeu redet. Vielleicht empfinde ich ihn deshalb oft als so vereinnahmend und anstrengend. 

Ich kann jetzt nicht sagen, dass wir dort bahnbrechende neue Dinge über uns gelernt oder erfahren haben. Aber es tut trotz allem gut, mal einen objektiven Blick von außen auf sein Verhalten und seine Wirkung auf die Kinder zu bekommen. Das gemeinsame Reflektieren der Familiensituation und der einzelnen Personen und ihrem Verhältnis zueinander, hat mir jedenfalls schon mal gezeigt, dass wir nicht auf dem falschen Weg sind. Und mir Mut gegebenen, dass sich auch alles wieder finden und normalisieren wird. 

Jedenfalls kann ich solch eine Familienberatung jedem empfehlen, der sich von Zeit zu Zeit in seiner Elternhaut unwohl fühlt oder auch dann und wann Schwierigkeiten im Umgang mit den Kindern hat. Familienberatung ist kostenlos und wird von verschiedenen Verbänden angeboten. In vielen Kommunen gibt es das Angebot direkt von der Stadt, aber auch von der Caritas. 

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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12 Gedanken zu „Ein Blick von außen

  1. Hallo,
    als sonst sehr stille Leserin, möchte ich trotzdem mal etwas dazu schreiben. Ich arbeite unter anderem in der Familienberatung und bin selber Psychologin, laut Aussagen anderer müsste einem in diesem Fall das Erziehen und Lenken von kleinen Kindern nicht schwer fallen, allerdings kommt man manchmal jeder an seine Grenzen. Wichtig ist zu erkennen, wo die Probleme liegen und an ihnen objektiv zu arbeiten. Wir (oder besser gesagt ich, da mein Mann sehr häufig nicht da ist) waren mit unserem zweiten Kind sowohl beim SPZ als auch bei der Familienberatung, als wir merkten (da war er etwa 3 Jahre alt) das er Probleme mit der Sozialisation und der Anpassung hatte (und ich war nicht berusftätig als er klein war). Als sie unseren „Background“ abfragten, schauten sie mich etwas irritiert an, aber mal ehrlich, wenn interessierts, wichtig ist nur, dass es den Kindern gut geht. Wir haben lange und intensiv mit ihm gearbeitet, waren bei der Frühförderstelle und haben versucht ihm zu helfen so gut es ging, ihn und seine Stärken zu fördern. Jetzt ist er sieben Jahre, geht seit einem Jahr zur Schule und hat keine Probleme mehr, ist glücklich und ein wunderbarer Sonnenschein. Jede „hochgezogene Augenbraue“ und auch jeder „schräge Blick“ haben sich dafür 1000fach gelohnt.
    Zu Erkennen, dass man Hilfe braucht und sie zu suchen, sind die ersten und die wichtigsten Schritte, man kann seinem Kind nur so helfen. Rosarote Zuckerwolken die einen verklärt alles wunderbar positiv sehen lassen (weil man sein „tolles“ Kind nicht verunsichern will), sind destruktiv und lassen mich jedes Mal innerlich aufschreien.
    Nun denn, viel Glück, alles Gute, das wird schon. :-))

  2. Ich wünsche mir, alle Eltern wären so reflektiert wie ihr beide. Ganz toller Post! Ich verstehe allerdings immer nicht, wieso die Tatsache, dass du mit 3 kleinen Kindern arbeiten gehst, ständig so viel Erstaunen hervor ruft. Das ist natürlich ein Kraftakt und verdient Respekt, aber in meinem Umfeld irgendwie auch normal.

  3. Liebe Pia,
    Einmal mehr ein toller Beitrag von Dir. Soooo schön, dass ihr an einem Strang zieht und das von außen bestätigt bekommt. Beides ist Gold wert!

    „Ich berichtete ja schon mal davon, dass ich nichts anderes mehr wahrnehmen kann, wenn der Quietschbeu redet.“

    Das kenne ich SO gut. Und ich wundere mich dann immer, warum andere einfach weiter plaudern können. Ich werde immer kirre, wenn ich mich konzentriert unterhalten mag und parallel meine Kinder untereinander reden o.ä. Ich kann es nicht so gut beschreiben, wie Du es ausgedrückt hast.

    Lustig aber, dass bei Dir so viele überrascht auf die Erwerbstätigkeit reagieren. Hier wird vielmehr verwundert gefragt, ob ich denn nun mit allen dreien in Kiga&Grundschule nicht wieder arbeiten würde.

    Aber wie sangen die Ärzte neulich aus meinem Radio “ Lass sie reden“

    P.S. Du bist übrigens schuld,dass ich gestern Abend mal so eben 60 Pancakes gebacken habe ;-p

  4. Ich finde es wirklich toll, dass ihr euch zu diesem Schritt entschieden habt, denn die meisten haben hierfür einfach nicht den Mut! Wie oft habe ich schon gehört „aber was sollen die Leute denn dan denken?“. Ganz ehrlich – wen interessieren die Leute? Es geht um das Kind / das Paar / die Familie und darum, dass alle wieder zufrieden und glücklich sind. Und wenn man im Alltag nun einmal so tief „drinsteckt“ – da fällt es schwer irgendetwas mit Abstand zu betrachten. Und selbst wenn das hin und wieder gelingen mag (ich finde du machst das sehr toll!!!), dann reicht das vielleicht noch nicht aus um auch die entscheidenden Dinge zu ändern, damit das Problem in Angriff genommen werden kann. Einsicht ist zwar der erste Schritt zur Besserung, aber warum sollte nicht jemand sagen, welche Schritte noch unternommen werden könnten?
    Langer Rede kurzer Sinn – ich finde das ganz toll und wünsche euch viel Erfolg auf eurem Weg!!!

  5. Danke für den Beitrag. Wir haben das auch schon gemacht, als wir nicht weiter wussten bzw etwas feststeckten. Am Ende ging es uns genau so, wie euch: alles gut und weiter gehts. Der Blick von aussen tut wirklich gut und kann oft hilfreich sein.

  6. Danke schön!
    Über „Spannend fand ich auch, wie sie den Quietschbeu nach 2 Stunden wahrnahm: als ruhiger Kerl, der sich prima selber beschäftigen kann. Ich nahm das ganz anders war. Für mich war er laut und wild und ich konnte kaum geradeaus denken, da er ununterbrochen Redete oder Geräusche machte.“
    muss ich wirklich nachdenken. Ich habe oft das Gefühl, ich nehme den Lausbub viel lauter und deutlicher wahr als andere und ermahne ihn oft…
    Danke für diesen Gedanken-Stubs.

  7. Liebe Mama Miez,

    danke für deinen Post, der mich mal wieder zum Nachdenken gebracht hat. Vielleicht wäre ein „Blick von außen“ im Rahmen einer Familientherapie eine option für uns…vor allem im Hinblick auf die große Zwillingsmaus, die mich mit ihren Wutanfällen immer mehr an meine Grenzen bringt.

    Lg Mela

  8. Man darf vielleicht auch nicht ausser Acht lassen, dass die meisten Familien – selbst wenn Großeltern in der Nähe wohnen – in unserer modernen Zeit überwiegend auf sich gestellt sind, vor allem dabei, alles unter einen Hut zu kriegen: Kinder, Partnerschaft, Finanzen, Job, soziales Umfeld. Die Wenigsten verfügen über ein Netz (Wohnprojekt, Großfamilie o.Ä.), das sie irgendwie auffängt – Großfamilien oder Dorfgemeinschaften gibt es meines Erachtens bei uns kaum noch.
    Vielleicht müssen wir Familien gerade deshalb lernen, uns an andere Stellen zu wenden, auch wenn es eine Überwindung bedeutet und gesamtgesellschaftlich eventuell keine ‚Dauerlösung‘ sein kann.
    Na ja, Westentaschen-Soziologie. Aber das waren so meine Gedanken beim Lesen Ihres Beitrags, liebe Frau Miez.
    Ich habe ’nur‘ zwei Kinder und arbeite noch nicht wieder, und trotzdem wird alles manchmal ganz schön viel.
    Ich wünsche Ihnen und den Miezens alles Liebe, und Ihnen besonders eine rapide Abnahme der Panikattacken (ich kann mich noch gut daran erinnern, wie das bei mir war: ätzend). Gruß, Spitfire

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