Die kleine Gräte

Unsere Mimi, ne? Das ist schon ein echte Gräte. Ich nennen sie wirklich so. Das ist tatsächlich der passendste Spitzname, den es für Mimi geben kann. Mimi ist total drahtig und muskulös. Sie isst Unmengen. Alles. Obst, Gemüse, Wurst, Süßigkeiten … eigentlich isst Mimi den ganzen Tag. Ich werde so oft gefragt, wo sie das alles hinsteckt und kann dann nur mit den Schultern zucken. Keine Ahnung! Sie ist eine kleine Gräte.

Sie ist ein quirliger Typ, der gerade draußen ständig unterwegs und in Bewegung ist. Aber Mimi kann auch stundenlang an einem Tisch oder auf dem Boden sitzen und malen, puzzeln, weben.

Aber wenn es auch trotz mehrmaligem Bitten und Flehen nicht nach ihrem Kopf geht, dann kreischt sie absichtlich wie eine Sirene. Laut. Sehr laut. Zwei, dreimal hintereinander. Ihr kleiner Körper zittert dann vor Wut und ihre Augen funkeln so böse, dass man es wirklich mit der Angst bekommen kann.

Irgendwann sagte ich mal, dass Mimi dann wie so eine Gräte im Hals wäre. Man erstickt vielleicht nicht direkt daran, aber es kann einem schon Angst machen. Bloß nicht falsch Luftholen. So ist das auch mit Mimi.

Wenn man ganz ruhig bleibt, dann ist der Spuk schnell wieder vorbei, sie sammelt sich kurz und schlägt dann Kompromisse vor, auf die wir uns dann meist auch einlassen. Dann ist der Fisch quasi entgrätet.

Heute Morgen, auf dem Weg zum Kindergarten, musste sie unbedingt die fette Ente mitnehmen, die sie an Karneval gefangen hatte. Weil ja im Kindergarten das Thema Leben im Mittelalter aktuell ist und „die haben da früher bestimmt auch Enten gegessen, wenn es nichts anderes gab. Die waren ja arm. Die hatten nicht mal einen Kühlschrank.“

Soll ich Dir was abnehmen, Schatz?“ frage ich sie so ganz unbedarft auf unserem gemeinsamen Weg.

Boah, Mama. Ich hab sooo lange Arme. Das kann ich echt alleine tragen.“ giftet mich der Zottelzwerg von der Seite an und ich denk nur: Alter, lass die mal in die Pubertät kommen!

Du bist manchmal so eine Gräte!“ schimpfe ich lachend. Mimi verengt die Augen zu Schlitzen und beobachtet mich einen Moment eindringlich.

War nicht nett von mir, hm?“ fragt sie dann leise.

Nein, war es nicht. Ich hab Dir ja nur meine Hilfe angeboten.

Sie seufzt schwer. „Ach. Ja, ich weiß. Aber ich finde es echt doof, dass mir immer alle helfen wollen. Ich kann das doch selber. Ich bin doch kein Baby mehr.

Das stimmt!

Sie fummelt umständlich die Ente unter ihren linken Arm und klemmt sie dort ein, dann greift sie nach meiner Hand und schmiegt ihr kleines Gesicht mit einem gekonnten Wimpernaufschlag an meinen Arm.

Du bist meine allerliebste Mami. Ich hab Dich soooo lieb! Aber Mama, ich bin echt kein Baby mehr, okay?

Ich lache: „Okay! Aber Du bist und bleibst immer meine allerliebste kleine Gräte.

Wir kichern.

Mimi. Die kleine Gräte.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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11 Gedanken zu „Die kleine Gräte

  1. Hallo Pia!
    Jetzt muss ich dir nach jahrelangem Lesen ja doch auch mal einen Gruß da lassen und dir folgendes sagen:
    Wenn du über deine Kinder schreibst, geht mir wirklich das Herz auf. Da steckt so viel Liebe in den Worten und zwischen den Zeilen… Ich wünsche euch noch viele wunderbare Momente in eurer Familie!
    LG :)

  2. Kommt das dann mit 5 Jahren, dass sie einsichtiger werden? Bitte sag ja :-P

    Meine Maus lässt sich mit Vorliebe noch betüdeln und meint immer, sie wäre ja noch ein Baby… und in anderen momenten pflaumt sie einen an, was mir einfällt zu fragen, ob sie hilfe braucht…

    yey ist ja gut… Rumpelstielzchen ;-)

    Denn das ist meine Maus, immer mit dem Fuß stampfend auf den Boden *hihi*

      1. Das Update von deinen Jungs habe ich hoffnungsvoll gelesen, hoffe nur, dass das bei meiner temperamenten Maus auch irgendwann einsetzt :-P

        Wie haben wir am Dienstag beim Elternabend uns alle wieder eingeredet: Das ist nur eine Phase *ohm* hihi

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