Spurenlese – es geht bergauf

Time flies by. In einer Woche sind bereits Herbstferien, dabei waren doch gestern erst die Sommerferien zu Ende, oder? Das große Kind wird eine Woche lang auf Konfirmandenfahrt sein, während wir Eltern die erste Woche noch arbeiten müssen. Danach haben wir Freizeit gemeinsam als Familie.

Einen richtigen Urlaub haben wir seit 2019 nicht mehr geplant oder gehabt. Grund war ein sehr tiefes und langes Down meinerseits, das begann, als 2020 erst Corona ausbrach und wir im den kompletten Lockdown gingen, zur selben Zeit der Mann noch in unsicherer Lage in Afghanistan war, wir nicht wussten wann er wiederkommt und dann, in genau dieser Zeit, mir eine sehr enge Freundschaft von heute auf morgen aufgekündigt wurde. Alles worauf ich mich damals glaubte verlassen zu können war von heute auf morgen weg. Ich erinnere mich, wie ich hyperventilierend in der Küche auf einem Holzhocker saß und immer nur dachte: Was wird nur mit den Kindern, wenn mir was passiert? Im Grunde eine Angst, die vermutlich jede*n Alleinerziehende*n zu jeder Zeit begleitet.

Das war ein sehr bedrückendes Gefühl, das die letzten 2 Jahre anhielt und meinen Alltag von Sorgen und Ängsten bestimmen ließ. Ständig hatte ich Angst, dass hier etwas unerwartetes passiert oder dort etwas unplanbares geschieht. Freundschaft wurde belastend, weil ich ständig das Gefühl hatte, mich wieder (emotional) abhängig zu machen. Meine komplette Ausrichtung lief auf „Sicherheit“, was mir so manche Lockerheit streitig gemacht hat, die mich sonst im Grunde ausmacht. Also konnte und wollte ich auch keinen Urlaub planen.

Was, wenn einer krank wird?
Was, wenn sich die Bedingungen wieder ändern?
Was, wenn wir das Geld für etwas anderes dringender benötigen?

Auch die Kinder haben in dieser Zeit häufig „geht nicht“ oder „jetzt nicht“ zu hören bekommen. Alles was nicht 100% skalierbar war, konnte ich kopftechnisch einfach nicht angehen, geschweigen denn zum Abschluss bringen. 3 Auslandseinsätze und eine Pandemie haben halt ihre Spuren hinterlassen.

Aber warum erzähle ich das jetzt? Nun, ich stelle die letzten Tage und Woche fest, dass ich wieder spontaner werde, unvernünftige Dinge angehe, weil sie in erster Linie Spaß machen und nicht, weil ich sie mir emotional und rational wieder erlauben kann. Ich kann loslassen und fühle mich nicht mehr 100% für alles verantwortlich. Ich gebe Dinge ab und kann damit leben, dass sie dann nicht komplett so laufen, wie ich es gerne hätte. Ich strebe nicht mehr nach Perfektionismus!

Im Job ist es anders. Ich merke, dass mich das Arbeiten in festen Zeitenrahmen und in parallel aufgestellten Projekten wieder total gerade rückt, den Kopf frei von privaten Sorgen macht und das Fokussieren auf eine Aufgabe oder eine Problemstellung mich wieder fesseln kann. Im positiven Sinne. Im Grunde kann ich also die eine Seite – das Private – deutlich von der anderen Seite – dem Beruflichen – abgrenzen und fühle mich wieder wie ein ganzer Mensch und nicht wie einer, der Schlagseite hat und den immer ein riesiger Sack Sorgen in eine Richtung zieht.

Wir planen also tatsächlich wieder Urlaube. Kleine, für den Anfang. Städtetrips, 1 bis 2 Tage, weil die Kinder jetzt ein gutes Alter dafür haben. Erleben, statt immer nur verschnaufen. Spontan sein. Vielleicht sogar ein bisschen unvernünftig. Das ist schön und gibt mir das Gefühl, mein Leben wieder fester im Griff zu haben. Und ja, genau das Gefühl hat mir bei all der vermeintlichen Sicherheit und Vernunft am meisten gefehlt.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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7 Gedanken zu „Spurenlese – es geht bergauf

  1. Es ist so schön wieder regelmäßig hier mit lesen zu können 🤩💚
    Und ich finde mich oftmals wieder!
    So leider auch in dem Schock wenn einem eine langjährige Freundschaft gekündigt wird 😏
    Bei mir waren es 2017 direkt 2 Freundinnen die mir innerhalb weniger Monate das Ende unserer Freundschaft verkündeten. Die eine dauerte 20 Jahre die andere 10 Jahre. Mir beiden habe ich fast täglich telefoniert und das oft über Stunden. Dann die regelmäßigen Treffen die auch jedesmal ausarteten.
    Von jetzt auf gleich wurde aus der Dauer telefonierenden Sandra eine stumme Sandra 😳🥺 der Schock saß tief und ich dachte es liegt an mir. Dabei befand ich mich in einer der schwierigsten Phasen in meinem Leben. Ich hatte ein Jahr vorher einen großen Verlust erfahren und ich arbeitete auf eine große OP hin die mein Leben zum positiven verändert sollte.
    Lange Rede kurzer Sinn… im Nachhinein stellte sich das Ende beider Freundschaften als große Entlastung dar! Ich hatte wieder Zeit, Zeit für mich, die Familie, andere Menschen in mein Leben zu lassen! Heute bin ich beiden dankbar dafür das sie mich frei gelassen haben. Aber eine gewisse Angst ist geblieben…

  2. Danke für diesen Bericht, für die Offenheit. Ich glaube, die Pandemiezeit hat bei jedem Spuren hinterlassen. Auch bei mir. Während dieser Zeit ist meine Mutter svhwer erkrankt und verstorben. Und meine vermeintlich engste Freundin, die immer alles bei mir „abladen“ komnre, fühlte sich nicht zuständig, „keine Zeit“. Inzwischen ist unsere Freundschaft zerbrochen. All das und diverse gesundheitliche Probleme haben mich auch in ein „Down“ befördert. So langsam sehe ich wieder Licht. Ich erfreue mich an Unternehmungen, fühle mich langsam besser und merke, dass es wieder aufwärts geht. Ich habe meine Arbeitszeit um ein paar Stunden erhöht, vor einiger Zeit undenkbar. Ich wünsche Ihnen nur das Beste und würde mich freuen, wieder öfter von Ihnen zu lesen.

  3. Puuh. Eine große Last und Belastung. Schön wenn das Päckchen leichter wird und sehr schön wieder von dir/euch zu lesen
    Liebe Grüsse, Lajulitschka

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