„Und wann schreiben wir, Mama?“

Heute war Tag der offenen Tür in der örtlichen Grundschule und natürlich sind wir mit dem Quietschbeu dort hingegangen. Er ist ja schon lange aufgeregt und voller Vorfreude, dass er nächstes Jahr endlich in die Schule gehen darf. So richtig etwas darunter vorstellen, konnte er sich aber noch nicht. Außer dass man dort Schreiben, Lesen und Rechnen lern, weiß er eigentlich noch nichts darüber.

Anfänglich war er auch eher nervös und unsicher. Neue Situation und so. Dann trafen wir seinen Kindergartenfreund und die Jungs zogen erstmal los, um den Schulhof unsicher zu machen. Wir durften uns dabei nicht von der Stelle rühren, damit er immer wusste, wo wir sind. Das war gar nicht so leicht, da die kleine Schwester bei weitem weniger schüchtern oder ängstlich ist und einfach mitten in die Menge stürmte und das höchste Klettergerüst erkletterte, das sie finden konnte. 

Nach der Begrüßung durch die Schulleiterin, welche die Vorschulkinder immer nur „die Schulkinder“ nannte – was den Quietschbeu sehr irritierte, immerhin ist er ja noch gar kein Schulkind -, mussten die Kinder Zettelchen ziehen, auf denen die Klasse stand, an deren Unterricht sie teilnehmen durften. Der Quietschbeu durfte zuerst in eine 2. Klasse. Er war natürlich sehr aufgeregt und klammerte sich an meiner Hand fest, nicht wissend, was ihn dort erwartete. 

Wir wurden sehr herzlich begrüßt und wir Eltern durften uns dann nach hinten setzen, währen die Kinder sich zwischen die Schulkinder setzten durften. Das war dem Quietschbeu aber unheimlich und so fand sich ein Plätzchen in der hintersten Reihe für ihn. So konnte er am Unterricht teilnehmen und gleichzeitig in meiner Nähe sein.

Es wurde eine Geschichte von einer Schildkröte vorgelesen, die sich zum Geburtstag nichts mehr als einen Salatkopf wünscht, von ihren Freunden aber nur Dinge bekommt, die ihre Freunde gerne mögen. Der Löwe brachte Fleisch, der Elefant brachte einen Eimer Wasser und der Pelikan brachte Fische. Dann wurde die Geschichte unterbrochen und die Kinder sollten sich überlegen, wie die Geschichte weitergehen könnte. Während die Schulkinder die Geschichte weiter schreiben sollten, sollten die Vorschulkinder diese einfach malen. Das war dann der Moment, indem der Quietschbeu zu erwachen schien, aus sich raus kam und mit Begeisterung bei der Sache war.

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Er malte – Überraschung! – ein Schwein, dass eine Schubkarre voll Matsch mit brachte und schrieb seinen Namen auf das Arbeitsblatt, wie es die Lehrerin gesagt hatte. Dann setzten sich alle Kinder in einen Kreis und stellten sich gegenseitig ihre Geschichten vor. Ich war ganz überrascht, als selbst der Quietschbeu den anderen Kindern seine Geschichte zwar leise, aber trotzdem selbstbewusst, erzählte und sein Bild zeigte. Sonst ist er in neuen Situationen eher der extrem introvertierte und stumme Zeitgenosse. Besonders dann, wenn viele fremde Menschen um ihn herum sind. Das Lob der Lehrerin ging ihm jedenfalls runter wie Öl und er war ganz irritiert, als der Pausengong die Stunde beendete. 

„Was war das?“
„Das war die Schulglocke. Die Stunde ist jetzt zu Ende und wir gehen in eine andere Klasse.“
„Zu Ende? Und wann schreiben wir, Mama?“

Nach einer kurzen Pause ging es dann in eine 1. Klasse, die Musikunterricht hatte. Der Quietschbeu sagte schon beim Betreten der Klasse, dass er müde sei und musste ständig schrecklich gähnen. Wir gingen wieder nach hinten, wo er sich dann ganz dicht neben mich setzte.

„Was ist los, Männlein? Magst Du Dich nicht zu den Kindern setzen?“ Er kuschelte sich an mich und gähnte erneut. „Nein, ich mag bei Dir bleiben. Das ist alles so laut. Und hier sind so viele Kinder. Ich bin so müde.“

Er verfolgte den Unterricht aufmerksam, wippte mit den Füßen zur Musik mit, musste aber immer wieder gähnen und lehnte sich schlapp und erschöpft an mich. Mir war schon klar, dass ihn die vielen neuen Eindrücke erschöpfen würden. So k.o., wie er dann aber tatsächlich war, können wir uns nur froh schätzen, dass er noch ein knappes Jahr Zeit hat, seine Filter weiter zu trainieren und die Entspannungstechniken, die er gerade lernt anzuwenden, weiter zu üben und zu verinnerlichen. 

Was mich persönlich sehr irritierte war, dass die Lehrerin die Klasse immer mit „Du“ ansprach. Beispielsweise sagte sie: „Du bekommst jetzt ein Arbeitsblatt von mir und schreibst dann auf, welches Tier als nächstes ein Geschenk für die Schildkröte bringt …„, meinte damit aber die ganze Klasse. Klar, ich habe das anders gelernt und mich vielleicht deshalb so daran „gestört“. Mich würde daher interessieren, mit welchem Hintergrund das heute so gemacht wird. Ich kann mir zwar denken, dass das was mit der Aufmerksamkeit des Einzelnen zu tun hat, wissen tue ich es aber nicht. Vielleicht mag der ein oder andere Lehrer mir das beantworten?

Der Quietschbeu war nach diesen 2 Stunden jedenfalls völlig am Ende und musste daheim erstmal eine Pause machen. Trotzdem war er sehr glücklich und zufrieden und freut sich jetzt noch mehr, nächstes Jahr endlich ein richtiges Schulkind zu werden. Und ja, das freut mich wiederum sehr, war ich bisher doch immer sehr in Sorge, wie er die neue Situation und Veränderung meistern wird. Vorfreude kann ihm da nur dienlich sein.

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Pia Drießen, Kind der 80er, Mutter von 3 (Pre)Teens (*2009, *2010, *2012). Head of Content Experience bei SaphirSolution. Bloggt seit 2002 mal lauter und mal leiser. Virtuell unterwegs auf Facebook, bei Twitter und Instagram.
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17 Gedanken zu „„Und wann schreiben wir, Mama?“

  1. Liebe Mama Miez,
    ich spreche die Klasse auch mit DU an. Grund ist einfach,dass sich die Kinder alle angesprochen fühlen. Beim „ihr“ gibt es immer wieder Kinder die sich nicht angesprochen fühlen… nach dem Motto: ihr bin ja nicht ich

  2. Interessant.
    Auch mein Großer wird nächstes Jahr Schulkind sein. Weiß gar nicht, ob unsere Grundschule auch einen offenen Tag hat? Mal nachforschen!
    Viele Grüße!

  3. Huhu,
    das hat, wie schon erwähnt den Sinn, dass sich jeder einzelne angesprochen fühlt. Das machen ja auch viele Moderatoren im Radio. Ich persönlich mag das nicht so, wirkt irgendwie so „unorganisch“!

    Als bei uns die Schule vor 4 Wochen losging, waren einige der neuen Erstklässler auch nach den 3 Stunden, die sie in der 1. Woche hatten so fix und alle, echt rührend! Aber nun halten sie schon länger durch!
    Viele Grüße!

  4. „Mich würde daher interessieren, mit welchem Hintergrund das heute so gemacht wird. Ich kann mir zwar denken, dass das was mit der Aufmerksamkeit des Einzelnen zu tun hat, wissen tue ich es aber nicht. Vielleicht mag der ein oder andere Lehrer mir das beantworten?“

    genau. Ich bin zwar keine Grundschullehrerin sondern Gymnasiallehrerin, mache das also nicht, aber kenne das auch so. Mit dem DU fühlen sich die Schüler selbst angesprochen.

  5. Bei uns ist es nächste Woche so weit, Montag ist erstmal die Schuleingangsuntersuchung und Mittwoch der Schnuppertag in Grundschule Nr. 1 – wir haben direkt 2 Stück vor der Tür – einmal gegenüber unserem Haus und ca. 100 m entfernt, zumindest da haben wir Glück. Ansonsten hoffe ich auf die bevorzugte Grundschule im nächsten Jahr, Anmeldetermin ist in der ersten Novemberwoche.

    Entspannungstechniken ? Darf ich fragen, wie das läuft und worüber ? Das liest sich so, als würde das meinem auch helfen, es ist zwar viel besser geworden (du erinnerst dich vielleicht an die Mails?), aber noch ein wenig mehr Entspannung könnte helfen. Frühförderung beginnt jetzt in Kürze noch ….

    LG
    Anke

  6. Toll, dass ihr jetzt schon mal schnuppern durftet. Man mag es kaum meinen, aber gerade in diesem einen letzten Kindergartenjahr machen Kinder eine riesige Entwicklung. Und überhaupt – Schule ist ja doch etwas völlig anderes. Der Knirps geht nun seit zwei Wochen in die Schule und ist ein ganz anderes Kind. Mit dem Fräulein war es im letzten Jahr das selbe. Mein schüchternes, introvertiertes Kind wurde laut, frech, aufmüpfig und strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Da hat der kleine Wissensvorsprung auch seinen Teil zu beigetragen.
    Ich kann mir aus deinen Erzählungen vorstellen, dass der Quietschbeu bestimmt ein sehr aufmerksamer und ehrgeiziger Schüler sein wird.
    Aber jetzt erstmal noch alle Freiheiten ausnutzen, die man noch hat. Das Jahr geht schneller rum, als wir gucken können.

  7. Hi
    In unserer Grundschule sagen wir “ ihr“ ! Bei „du“ würde der eine oder andere denken: ach die meint mich nich sondern irgend eine/ en anderen !

  8. Liebe Mama Miez!
    Was es mit dem „du“ auf sich hat, wurde ja bereits beantwortet.
    Mir hat das – noch bevor mein erster Sohn eingeschult wurde – eine Bekannte erklärt, die sich damals in einer pädagogischen Ausbildung befand. Diese Info hatte also Zeit, sich zu setzen, bevor ich erstmals damit konfrontiert wurde.
    Gewöhnt habe ich mich aber bis heute nicht daran! Der Große geht jetzt in die 3. Klasse und es irritiert mich immer noch. Für mich hat die Kommunikation etwas „Unnatürliches“, wenn eine Gruppe mit „du“ angesprochen wird.

    Was mich aber interessieren würde (Frage an die Lehrerinnen, die hier kommentieren): Macht es wirklich einen Unterschied? Fühlen sich Kinder wirklich mehr angesprochen?

    lg, Pia

  9. Ich habe seit zwei Wochen nun auch eine erste Klasse. Die Kinder sind nach so einem Schultag völlig platt. Die Lehrerin übrigens auch ;-) So viele neue Eindrücke für alle Beteiligten. „Du“ verwenden viele meiner Kollegen aus den bereits genannten Gründen. Mich irritiert das aber auch eher und bleibe darum beim „ihr“.

  10. „voller Vorfreude, dass er nächstes Jahr endlich in die Schule gehen darf“ – nur was läuft dann irgendwann in der Schule falsch, dass diese Freude verschwindet – oder zumindest deutlich kleiner wird.

  11. Liebe Frau Miez,
    danke auch für diesen Post. Ich schätze Ihren Blog sehr!
    Das Thema Entspannung bei Kindern würde mich auch sehr interessieren.
    Mein Sohn ist vermutlich auch Hochsensibel. Hilft da eine Ergotherapie?

  12. Wie schön!
    Bei uns wird mit den Vorschulkindern regelmäßig die Schule besucht. An bestimmten Tagen machen dann die 1. Klässler und die Vorschüler etwas zusammen. So lernen die Kinder die Schule schon mal kennen. meinen Jungs hat das sehr geholfen.
    Das letzte Kindergartenjahr ist schon toll- vorallem wenn man sieht wie aus den Kindern so langsam Schulkinder werden und was für ein Selbstbewusstseins-Schub das bringt.

    Liebe Grüße
    Sarah

  13. Ich erlebte kürzlich etwas noch seltsameres in der Angelegenheit – die Erzieherin sprach:
    „ICH gehe jetzt in die Garderobe und dann ziehe ICH mir meine Schuhe an. Dann stelle ICH mich in 2er-Reihen auf und ICH warte bis alle fertig sind“.

    Dazu noch derart überspitzt und melodisch, dass ich dachte, die spricht mit einem Haufen Deppen – sorry.

    Ich stand reichlich irritiert an der Tür :-D

  14. Ich kenne das „Du“ als Anrede vom Yogaunterricht. Damit meint man die ganze Gruppe, aber damit sich jeder Einzelne angesprochen fühlt, sagt man „Du“. So mache ich das auch auf meinem Blog. Ich finde das persönlicher.

    Toll, daß der Quietschbeu mit soviel Begeisterung dabei war. Ich warte noch auf die Schulbegeisterung beim Wolf. Der möchte am liebsten Kindergärtner werden, damit er den Kindergarten nie verlassen muss :-)

  15. Tatsächlich ist es so, dass jeder Einzelne angesprochen werden soll. Aus einem „ihr“ kann man sich eher entziehen, wenn es um das Befolgen von Arbeitsaufträgen geht, als aus deinem „Du“.

  16. Oh, „Die Schildkröte hat Geburtstag“ war als Kind eins meiner Lieblingsbücher! Überhaupt finde ich alle Geschichten von Elizabeth Shaw ganz toll für Kinder (& Erwachsene). :)

  17. Hochinteressante Schilderung des Tags der offenen Tür. Ich weiß gar nicht, ob unsere Grundschule im Dorf auch so einen anbietet. Die anderen in der nächstgrößeren Stadt vielleicht, hm. Aber bis unser liebes Würmchen soweit ist, geht ja eh noch etwas Zeit ins Land.
    Dass mit dem Duzen der gesamten Klasse finde ich recht befremdlich. Ja, die genannten Gründe machen Sinn. Aber es klingt irgendwie sprachlich falsch, als ob jemand das zweite Personalpronomen im Plural nicht kennt und grundsätzlich alles und jeden mit „Du“ anspricht – egal wieviele Personen nun vor ihm stehen. Ich hätte mich als Kind ganz sicher nie angesprochen gefühlt, wenn der Lehrer oder die Lehrerin mich beim Reden nicht direkt dabei angeschaut hätte.
    Was ich fragen wollte: Ist das auf dem ersten Bild im Hintergrund eine ganz altmodische/normale Leinwand für einen Projektor oder ist eure Grundschule etwa schon mit so großen Flatscreens ausgestattet??? Ich frage wegen dem „schwarzen Rand“. Ich weiß, dass einige der besseren Grundschulen bereits Einsteiger-Computerunterricht für die Klassen 3 und 4 anbieten und dementsprechend über Computerräume mit ausreichend vielen PCs bzw. Laptops verfügen. Aber so eine Hightech-Anschaffung, wo ein Klassenraum quasi zum Kino wird, find eich schon arg übertrieben – besonders wenn jeder Klassenraum so eingerichtet ist.
    Ach ja, und wie geht die Geschichte mit dem Schildkrötengeburtstag eigentlich aus? Kenne die gar nicht, hihi.
    Grüße

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